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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Jesuiten

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Jesuiten

Gehorsams ist schärfer ausgebildet als in allen andern Orden. Sirius V. wollte die Regel und den Namen des Ordens ändern, starb aber vor der Ausführung des Planes.

Die Thätigkeit der J. erstreckt sich auf die Seelsorge (Predigt, Beichtstuhl, Volksmissionen und geistliche Exercitien), den Unterricht in der weitesten Bedeutung (s. Jesuitenschulen) und die Heidenmission. Die Regel, die Ausführungsverordnungen, die später hinzugekommenen Vorschriften, die den Orden betreffenden päpstl. Bullen u. s. w. sind gesammelt in dem "Institutum Societatis Jesu" (2 Foliobände, Prag 1757; eine neue, 1869 zu Rom begonnene Ausgabe ist noch nicht vollendet). Die Mitglieder des Ordens zerfallen in vier Klassen: Novizen,Scholastiker,Koadjutoren und Professen. Das Noviziat dauert zwei Jahre; die Novizen machen drei Wochen die "geistlichen Übungen" nach der Anleitung Loyolas (in abgekürzter Form, acht Tage lang, werden sie von allen J. alljährlich gemacht) und werden dann in besondern Noviziathäusern in die Ordenszucht eingeführt. Sie können jederzeit austreten oder entlassen werden. Nach zwei Jahren legen sie die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams als "einfache" Gelübde ab und können von nun ab nicht mehr ohne Erlaubnis der Obern austreten. Sie heißen nun Scholastiker, studieren in einem Kollegium des Ordens fünf Jahre die Humaniora und Philosophie, werden dann fünf Jahre als Lehrer in diesen Fächern beschäftigt, studieren dann fünf Jahre Theologie und werden nach vollendetem 30. Lebensjahre zu Priestern geweiht. (Für solche, die nach anderwärts vollendeten Studien oder als Priester eintreten, wird das Scholastikat abgekürzt.) Diese legen dann nochmals die Gelübde als "öffentliche", aber nichtfeierliche ab, heißen nun "geistliche Koadjutoren" (Coadjutores spirituales) und werden in der Seelsorge, Mission oder im Unterricht verwendet; "zeitliche Koadjutoren" (Coadjutores temporales) heißen die Laienbrüder. Manche J. bleiben zeitlebens Koadjutoren. Professen heißen diejenigen, die zur "feierlichen" Ablegung der drei gewöhnlichen Gelübde und eines vierten, des besondern Gehorsams gegen den Papst zugelassen werden (daher Professi quatuor votorum). Nur Professen können zu den höhern Ämtern des Ordens gelangen und zu den Generalkongregationen gewählt werden. Aus gewichtigen Gründen können sie ebenso wie Scholastiker und Koadjutoren von den Ordensobern ausgestoßen werden. Die Professen legen auch das Gelübde ab, eine kirchliche Würde nur auf Befehl des Papstes anzunehmen. Wenige J. sind Bischöfe gewesen, was sich bei der allgemeinen Tendenz des Ordens leicht erklärt; dagegen hat, seit Franz Toletus (1593) und Bellarmin (1599) Kardinäle wurden, das Kardinalskollegium bis 1740 fast immer wenigstens einen J. zum Mitgliede gehabt (Pazmany, de Lugo, Pallavicini, Nidhard, Tolomei, Salerno, Cienfuegos). Papst ist kein Jesuit geworden.

Die Häuser des Ordens zerfallen in Profeßhäuser (nur diese dürfen keinen Grundbesitz und kein gesichertes Einkommen haben), Kollegien, Noviziate und Residenzen (kleinere Ordenshäuser und Missionsstationen). An der Spitze jedes Ordenshauses steht ein Rektor, an der Spitze einer Provinz (s. unten) ein Provinzial; beide werden, immer nur für einige Jahre, von dem zu Rom residierenden General ernannt. Dieser wird von einer Generalkongregation, an der alle Provinziale und je ein in jeder Provinz gewählter Deputierter teilnehmen, für Lebenszeit gewählt und hat eine fast unumschränkte Gewalt. Die Generalkongregation wählt auch fünf Assistenten (je einen für eine Assistenz, d. i. Gruppe von Provinzen) und einen Admonitor (Mahner) des Generals; letzterer ist aber an ihre Ratschläge nicht gebunden. Neue allgemeine Verordnungen können nur von Generalkongregationen beschlossen werden. Ordentliche Generalkongregationen treten nur nach dem Tode des Generals zusammen, außerordentliche können von dem General oder von den Assistenten berufen oder von der alle drei Jahre zur Berichterstattung und Beratung zusammentretenden Kongregation der Prokuratoren (Abgeordneten der Provinzen) beschlossen werden. Dies ist aber nie geschehen, und darum ist auch nie ein General abgesetzt worden, was der Generalkongregation in gewissen Fällen zusteht. Innocenz X. verordnete 1646, um die Macht des Generals einzuschränken, es solle alle neun Jahre eine Generalkongregation abgehalten werden; die Verordnung wurde aber auf wiederholte Bitten des Ordens von Benedikt XIV. 1746 aufgehoben.

2) Geschichte bis zur Aufhebung 1773.

Die J. breiteten sich rasch über alle kath. Länder Europas aus. In Paris gelang ihnen erst nach langem Widerstand seitens des Parlaments und der Universität 1562 die Gründung des Kollegs von Clermont. Nach dem Attentat Chatels auf Heinrich IV. (1594) wurden sie aus Frankreich verwiesen; sie kehrten 1603 zurück und hielten sich seitdem, obschon Parlament und Universität durch die Verdammung der Lehre von Mariana (s. d.) über den Königsmord und der Bücher anderer J. (Bellarmin, Suarez, Vecanus u. a.) über die Gewalt des Papstes in weltlichen Dingen sie bekämpften. Ihre Versuche, in England Fuß zu fassen, scheiterten an dem Widerstände der Regierung: mehrere englische J. wurden hingerichtet, 1605 Garnett wegen des Verdachts der Beteiligung an der Pulververschwörung. Schon bei Lebzeiten Loyolas wurde durch Franz Xavier die Missionsthätigkeit der J. in Ostindien, China und Japan begonnen; sie war von großen, aber freilich nicht dauernden Erfolgen begleitet. Auch in Südamerika waren die J. als Missionare thätig und begründeten in Paraguay (s. d.) einen großen theokratischen Staat. 1759, 14 Jahre vor der Aufhebung, zählte der Orden 22 589 Mitglieder in 41 Provinzen mit 24 Profeßhäusern, 609 Kollegien, 61 Noviziaten, 340 Residenzen, 171 Seminarien und 270 Missionsposten. Wo die J. sich festsetzten, wirkten sie mit Erfolg für die Ausbreitung und Befestigung des Katholicismus und der päpstl. Gewalt, in Deutschland im Interesse der Gegenreformation (s. d.), in Frankreich freilich mit Anbequemung an die Grundsätze der Gallikanischen Kirche (s. d.). Sie gewannen auch, namentlich als Beichtväter an den kath. Höfen, großen Einfluß in polit. Dingen. Auch in allen Zweigen der theol. Litteratur waren die J. sehr thätig; kein Orden hat so viele Schriftsteller und unter diesen eine so große Einmütigkeit in der Verfolgung derselben Zwecke aufzuweisen. Letzteres wurde durch eine strenge Ordenscensur erreicht: kein größeres Werk durfte gedruckt werden, ohne von den durch den General bestellten Revisoren gut-

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