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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kirchenaccente; Kirchenagende; Kirchenälteste; Kirchenamt; Kirchenärar; Kirchenbann

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Kirchenaccente - Kirchenbann

tionalismus fest, indem er die moralischen Zwecke der K. erst im Jenseits wirklich erreicht werden ließ. Dem gegenüber fand Schleiermacher in der K. die Gemeinschaft des von dem urbildlichen Christus ausgehenden vollkommenen religiösen Lebens, in welcher die geistigen Wirkungen dieser Lebensmacht das Unsichtbare, die äußere Erscheinung derselben dagegen das Sichtbare seien. Infolgedessen ward es in der neuern Theologie vielfach herkömmlich, im direkten Gegensatze zu den Neulutheranern, welche die K. einfach als Gesamtheit der Getauften fassen, die K. wieder als Gemeinschaft der Gläubigen, d. h. als Gemeinde zu betrachten, wobei aber Hegels Schule besonders betonte, daß sie keine "Gesellschaft", sondern "Gemeinschaft" sei, d. h. nicht durch zufälliges Zusammentreten gleichgestimmter Individuen, sondern durch die organisierende Macht einer objektiven "Idee", des "Reiches Gottes", begründet sei.

Klarer wird die Sache durch die Unterscheidung eines religiösen und eines ethisch-socialen Kirchenbegriffs. Nach dem erstern ist die K. allerdings ein objektiver, geistiger Organismus vermöge des in ihr sich wirksam erweisenden Geistes Christi, d. h. des geschichtlich durch Christus und durch das Evangelium von Christus bestimmten christl. Gemeingeistes, der sich als ein Gemeinschaft stiftendes und Gemeinschaft erhaltendes Princip erweist, das über den einzelnen Personen steht und sie zu einem geistigen Ganzen zusammenhält. Im ethisch-socialen Sinne dagegen ist die K. eine sittliche Gemeinschaftsform, wie "das Volk", "die Familie", "der Staat", die sämtlich nicht willkürlich von dem Menschen gemacht sind, sondern vermöge einer dem Menschenwesen innewohnenden allgemeinen Notwendigkeit sich verwirklichen. Im Unterschiede vom Staate als der Organisation des sittlichen Lebens eines bestimmten Volks ist die K. die Organisation des religiösen Gesamtlebens, das der Pflege und Fortpflanzung des christl. Glaubens dient. Nach diesem ihrem allgemeingültigen Zwecke auf keinen bestimmten Staat und auf keine bestimmte Nationalität beschränkt, ist sie doch als äußere gesellschaftliche Organisation auf die jedesmal vorgefundenen Verhältnisse als ihre Existenzbedingungen angewiesen. Als geschichtlich-sittliche Gemeinschaft ist daher die K. niemals etwas fertig Vollendetes und unfehlbar Vollkommenes, sondern sie unterliegt dem Gesetze geschichtlicher Entwicklung vom Unvollkommenern zum Vollkommenern, und zwar in allen ihren Lebensbeziehungen und äußern Ordnungen. Die Entstehung einzelner Teilkirchen, wie der römisch-katholischen, der griechisch-orientalischen, der evangelisch-lutherischen und evangelisch-reformierten, ist durch die innern Gegensätze veranlaßt gewesen, in die das christl.-religiöse Leben geschichtlich auseinanderging.

Was die geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und K. betrifft, so wurde die K. anfangs von der Staatsgewalt bald verfolgt, bald nicht beachtet, seit Konstantin d. Gr. aber erst geduldet (Mailänder Edikt) und bald nachher durch Konstantins Nachfolger im "christl. Staate" selbst zur Staatsanstalt erhoben. Wie die äußere kirchliche Ordnung seitdem von der weltlichen Gewalt unter Zuziehung der Bischöfe als geistlicher Obern geregelt wurde, so handhabte man auch die kirchlichen Dogmen als Staatsgesetze. Im Mittelalter bildete sich allmählich ein Übergewicht der geistlichen über die weltliche Gewalt, und die K. stellte sich selbst als Universalmonarchie dar, der alle weltliche Staatsordnung nur dienstbar sei, wie dies in der Bulle Unam Sanctam Bonifacius’ VIII. von 1302 am schärfsten und stärksten ausgesprochen ist. Als danach im 16. Jahrh. die polit. Interessen sich von den kirchlichen emancipiert hatten, geriet im Protestantismus die K. wieder in strenge Abhängigkeit von der Staatsgewalt, wogegen die katholische K. vermöge ihrer festen äußern Organisation sich der staatlichen Eingriffe zu erwehren suchte. In Deutschland hat der moderne Staat das Verhältnis zur katholischen K. bis jetzt noch nie anders zu gestalten vermocht als im Sinne eines mehr oder minder günstigen modus vivendi. Leichter ist das Verhältnis des Staates zur evangelischen K., die niemals als eine über die staatlichen Grenzen hinausgehende jurist.-polit. Organisation existiert hat, zu regeln.

Kirchenaccente, s. Accentus ecclesiastici.

Kirchenagende, s. Agende.

Kirchenälteste, s. Presbyter.

Kirchenamt. Das K. hat nach kath. Kirchenrecht zur Voraussetzung die Aufnahme in den Stand des Klerus durch die Ordination (s. d.) und zwar regelmäßig deren höchste Stufe, die Priesterweihe; doch können bloße Jurisdiktionsämter auch von Klerikern der untern Weihestufen bekleidet werden (s. z. B. Archidiakonus). Das Amt ist sachlich der Inbegriff einer bestimmten Gruppe kirchlicher Funktionen zu dauernder Ausübung infolge eines von den Obern erteilten Auftrages, sei es rein geistlicher, sei es kirchenregimentlicher, sei es rein verwaltender Natur. Nach kanonischem Recht beruhen die Ämter von Papst und Bischof auf göttlicher Ordnung, ersteres ausgestattet mit der plenitudo potestatis jurisdictionis, letzteres mit der plenitudo potestatis ordinis. Aus dieser plenitudo fließen die Vollmachten der übrigen Amtsträger. Das evang. Kirchenrecht kennt ein göttlich gesetztes Amt nicht und lehnt jeden innern Unterschied der K. ab ("non sunt diversi gradus episcopi et pastoris"). Die Aufnahme in den geistlichen Stand erfolgt auch hier in den meisten Landeskirchen durch Ordination und daraufhin erst die Übertragung eines Amtes. Das wichtigste K. ist allenthalben das des Pfarrers. Die Ämter des Kirchenregiments (Konsistorien, Superintendenten) sind in den evang. Landeskirchen Deutschlands zwar landesherrliche, aber nicht Staatsämter, sondern K. - Das Amt (officium) ist nach kanonischem Recht grundsätzlich mit einer Pfründe (beneficium) verbunden; beide Ausdrücke werden auch gleichbedeutend gebraucht; ebenso soll nach kanonischem Recht jedes Amt grundsätzlich dauernd besetzt sein (Ausnahme die sog. Succursalpfarren).

Kirchenärar, s. Kirchenfabrik.

Kirchenbann, Exkommunikation oder kurz Bann, die mit feierlichen Verwünschungen verknüpfte Strafe des thatsächlichen Ausschlusses von der Gemeinschaft wegen Abfalls vom Glauben oder wegen kirchlicher Verbrechen. Die mosaische Gesetzgebung kannte statt des Ausschlusses aus der hebr. Volksgemeinde nur die Todesstrafe. Dagegen unterschieden die spätern Juden drei Abstufungen der Exkommunikation. Der erste Grad hieß Niddui, der kleinere Bann, wenn jemand wegen eines Verbrechens 30 Tage lang von dem Besuche der Synagoge ausgeschlossen ward, um öffentlich beschämt zu werden. Der zweite Grad, Cherem, der mittlere Bann, ebenfalls 30 Tage dauernd, enthielt noch die Verschärfung, daß kein Jude mit dem Ge-^[folgende Seite]

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