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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kirchenstaat
nutzte auch dessen Nachfolger Paul III. (1534-49) seine Macht nicht zum Keile des K.; auch er sann in erster Linie auf Erhebung seines Geschlechts, der Farnese, dem er aus dem K. erst in Camerino, dann in Parma und Piacenza ein Fürstentum herausschnitt. Haß gegen die Habsburger erfüllte Paul IV. (1555-59) und machte ihn zum blinden Werkzeug seiner gewinnsüchtigen Verwandten (s. Caraffa); nach seinem Tode erhob sich das Volk gegen die Caraffa, die dann auch vom nächsten Papste Pius IV. (1559-65) blutig verfolgt wurden. Pius V. (1566-72) erließ in der Absicht, den Nepotismus künftig unmöglich zu machen, die Bulle, kraft deren jede Belehnung mit irgend einem Bestandteil des K. aufs feierlichste untersagt wird. Den entschiedenen Willen zur Durchsetzung des Guten, der seinem Nachfolger Gregor XIII. (1572 -85) fehlte, besaß Sixtus V. (1585-90), der mit furchtbarer Gewalt jede Regung der Unruhe niedertrat und die Träger selbständiger Macht im K., den Adel und die Kommunen, bändigte. Die kurzen Pontifikate seiner Nachfolger Urban VII., Gregor XIV. und Innocenz IX. (1591) waren ohne Bedeutung für den K., um so bedeutender aber der Clemens' VIII. (1592-1605). Denn dieser schuf in Europa durch Begünstigung Heinrichs IV. ein Gegengewicht gegen Spaniens Übermacht, das bald auch für Italien in die Wagschale fallen sollte, und erzielte durch List und Entschiedenheit den Heimfall Ferraras an den K. Gregor XV. (1621-23) übernahm die Besetzung des Veltlin und gewann so die entscheidende Stellung zwischen den Habsburgern und Bourbonen, und von dem altersschwachen Franz Maria della Rovere erlangte UrbanVIII. (1623-44) den Heimfall von Urbino und Sinigaglia und sogar das ganz unzweifelhaft kaiserl. Lehn Montefeltro, wodurch der K. seinen weitesten Umfang erreichte. Die Ausbeutung des K. unter Innocenz X. (1644-55) durch des Papstes Schwägerin Olimpia Maidalchini veranlaßte Aufstände in Perugia, Ascoli, Macerata, welche sich an Masaniellos (s. d.) Erhebung entzündeten. Der Niederwerfung derselben folgten neue Steuererhöhungen und die Zerstörung von Castro. Mehr oder weniger unter der Herrschaft von Nepoten standen die folgenden Päpste; ebenso trug der Streit mit Ludwig XIV. keineswegs zur Hebung des Ansehens der Kurie bei. Clemens XI. (1700-21) wurde im Spanischen Erbfolgekriege durch eine von Österreich in Rom angezettelte Verschwörung gegen den Neapel besitzenden Philipp V. und durch die Furcht vor einer Vereinigung Mailands und Neapels in der Hand Österreichs allmählich ganz auf die Seite Frankreichs gedrängt. Der Utrechter Friede und ebenso Philipp V. und die Quadrupelallianz schritten einfach weg über die Frage der Lehnsherrlichkeit des Papstes in Neapel; der Streit mit Victor Amadeus II. über die päpstl. Gerichtsherrlichkeit in Sicilien endete ebenfalls mit einer Niederlage. Unter Innocenz XIII. erreichte die schlechte innere Verwaltung des K. ihren Gipfelpunkt. Auf die päpstl. Lehnsherrlichkeit in Parma, welches Don Carlos (s. Karl III. von Spanien) 1731-32 in Besitz nahm, nahm der Kaiser keine Rücksicht. Noch übler ward die Lage der Kurie nach Wegnahme von Neapel durch eben diesen Don Carlos. Die Geld- und Pfründensperre, welche gleichzeitig Spanien über den K. verhängte, brachte die Verlegenheit auf den Höhepunkt. Im Aachener Frieden (s. d.) wurde aufs neue die päpstl. Oberlehnsherrlichkeit in Parma unberücksichtigt gelassen. Clemens XIII. (1758-69) verfeindete sich wegen der Jesuiten, die der Reihe nach aus Portugal, Frankreich, Spanien, Neapel und Parma ausgewiesen wurden, und wegen der kirchlichen Gerechtsame in Parma mit den Bourbonenhöfen; dies führte zur Besetzung von Avignon und Venaissin von seiten Frankreichs und zum Einrücken der Neapolitaner in Pontecorvo und Venevent. Clemens' XIII. Nachfolger Clemens XIV. (1769-74) erlangte den Frieden mit den kath. Mächten und die Rückgabe von Avignon, Venaifsin, Venevent und Pontecorvo durch die Erledigung des Zwistes mit Parma und die Aufhebung des Jesuitenordens (1773). Sein Nachfolger war Pius VI. (1775-98), unter dem der K. durch die franz. Revolution große Einbußen erlitt. Avignon, welches sich schon 1790 für den Anschluß an Frankreich erklärt hatte, wurde diesem von der Nationalversammlung 14. Sept. 1791 endgültig einverleibt. Am 20. Mai 1796 hatte Bonaparte eine drohende Erklärung in Mailand erlassen, sodann rückten die Franzosen in Bologna ein und nahmen Urbino, Ferrara, Ravenna, Imola und Faënza, ohne auf Widerstand zu stoßen. Pius mußte froh sein, 19. Febr. 1797 den Frieden von Tolentino zu erlangen, welcher einen lebensunfähigen Rest des K. vorläufig noch bestehen ließ; Avignon, Venaissin, die Legationen, Bologna und Ferrara mußten abgetreten, 36 Mill. Livres gezahlt, Kunstwerke und Handschriften ausgeliefert, die Milizen aufgelöst werden. Während die vom K. abgelösten ital. Gebiete bald in der Cisalpinischen Republik aufgingen, wuchsen in Rom die republikanischen Neigungen. Schon Jan. bis Febr. 1798 hatten die Revolutionstruppen Anlaß, vor Rom zu rücken und den Papst zur Übergabe der Engelsburg zu zwingen, worauf 300 röm. Patrioten die päpstl. Herrschaft für aufgehoben erklärten. Berthier ließ alsbald Pius VI. wegführen und verjagte kurz darauf auch das Kardinalkollegium. Dem Schein zu Liebe wurde aus Rom und der Mark Ancona eine Republik nach franz. Muster geschaffen; doch bald erhob sich das Land gegen die Bedrückungen der franz. Kommissare. Gleichzeitig drangen die verbündeten Österreicher und Russen im Norden vor, die Neapolitaner rückten von Süden an, die Engländer blockierten Civitavecchia; so mußten die Franzosen Rom den Neapolitanern und Civitavecchia den Engländern 27. Sept. 1799 gegen freien Abzug übergeben. Nach Napoleons Sieg bei Marengo räumten die Neapolitaner und Österreicher den K. wieder, und Pius VII. (1800-23) konnte 3. Juli 1801 in Rom einziehen. Die alte Ordnung wurde abermals im K. aufgerichtet; aber als der Papst infolge der Umwandlung der Cisalpinischen Republik in das Königreich Italien und der Festsetzung Murats in Neapel sich ganz von den Napoleonischen Reichen umschlossen sah, kam es zu immer ernstlichern Reibungen. Die Folge war, daß durch Dekret Napoleons vom 2. April 1808 die Provinzen Ancona, Urbino, Macerata und Camerino dem Königreich Italien einverleibt wurden; durch Dekret vom 17. Mai 1809 wurde der Rest zum Napoleonischen Kaiserreich geschlagen, Rom mit seinem Weichbild zur unmittelbaren kaiserl. Stadt erklärt; dem Papst wurde eine Civilliste und die ungestörte Ausübung seines geistlichen Amtes zugesichert. Als er darauf 11. Juni mit dem Bann antwortete, wurde er in der Nacht vom 5. zum 6. Juli festgenommen und als Gefangener abgeführt.
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