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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kriebelmücken; Kriebstein; Kriechblume; Kriechhuhn; Krieg

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Kriebelmücken – Krieg

sehr charakteristisches Kriebeln in der Haut zu erkennen, welches auf einer eigentümlichen Erregung der sensiblen Hautnerven beruht. Außerdem stellen sich Taubheit, Gefühllosigkeit, schmerzhaftes Zucken der Zunge, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle ein. In diesem Stadium der Krankheit kann vollständige Genesung erfolgen, wenn dem weitern Genuß des Mutterkorns rechtzeitig vorgebeugt wird. Bei fortgesetzter Vergiftung dagegen folgen heftiger Durst und Heißhunger, schmerzhaftes Ziehen im Rücken, ja sogar quälende, lange anhaltende Gliederkrämpfe, Blindheit, epileptische Anfälle, Tobsucht und Blödsinn, bis schließlich (in schweren Fällen nach wenigen Tagen, in andern erst nach vier bis acht Wochen) der Tod dem schweren Leiden ein Ende macht.

Die brandige Form des Ergotismus, der sog. Mutterkornbrand, die Brandseuche oder das Antoniusfeuer (Ergotismus gangraenosus), beginnt mit Eingenommenheit des Kopfes, Schwindel, Betäubung, Krämpfen, Diarrhöe, Erbrechen und endet mit Brandigwerden einzelner Glieder, die erst anschwellen und sich rotlaufartig entzünden, dann kalt werden und zuletzt entweder zu einer schwarzen hornartigen Masse zusammentrocknen oder, nachdem sich zuvor auf der Haut mit blutiger Jauche erfüllte Blasen gebildet haben, unter einem typhusartigen Fieber sich in eine penetrant stinkende schmierige Masse verwandeln. Amputationen können oft den Kranken retten; bei raschem Umsichgreifen des Brandes tritt aber unvermeidlich der Tod durch Pyämie oder Eitervergiftung des Blutes ein. Diese furchtbare Form der K., deren Dauer zwischen 4‒6 Wochen schwankt, ist wiederholt in größern mörderischen Epidemien aufgetreten; so 1709‒16 in der Schweiz, 1710 in Italien, 1747 in der Solange in Frankreich, 1828‒29 in Frankreich und den Niederlanden, 1855‒56 in Deutschland und anderwärts.

Die Ursache der K. ist immer der Genuß von Brot, welches aus unreinem, mit viel Mutterkorn vermischtem Getreide gebacken ist, weshalb die Epidemie gewöhnlich nach Zeiten und in Landstrichen auftritt, in denen durch ungünstige Naturereignisse Mißwachs hervorgebracht worden ist. – Vgl. Heusinger, Studien über den Ergotismus (Marb. 1856); Hirsch, Handbuch der histor.-geogr. Pathologie, Bd. 2 (2. Aufl., Stuttg. 1883).

Auch bei den Haustieren entsteht die K. durch Vergiftung mit Mutterkorn. Ihre Erscheinungen sind: Speicheln, Kolik, Wehen, Verwerfen, Gefühllosigkeit; bei chronischer Vergiftung: Absterben der Ohren, des Schwanzes und der Klauen.

Kriebelmücken (Simuliidae), eine Familie der Mücken mit kurzen Fühlern und Beinen, buckligem Bruststück und hornigem Stechrüssel. Die Weibchen saugen Blut und werden durch ihre Stiche, besonders da sie gern in Nasen und Ohren hineinkriechen, Menschen und Vieh lästig. Die Larven leben im Wasser. Berüchtigt ist die Kolumbatzer Mücke (s. d.).

Kriebstein, Schloß in Sachsen, s. Burg (Bd. 3, S. 752 b).

Kriechblume, s. Krabbe.

Kriechhuhn, Landhuhn mit sehr kurzen Beinen.

Krieg, das letzte, in Kampf auf Leben und Tod bestehende Mittel zur gewaltsamen Entscheidung der zwischen zwei Völkern (Staaten, polit. Parteien) schwebenden Streitfragen, sobald diese nicht auf dem Wege friedlicher polit. Vereinbarungen ausgeglichen werden können. Er setzt einen Zustand voraus, wo die rechtlichen Beziehungen, welche Feindseligkeiten und Gewaltübung (bis auf die im Völkerrecht zugelassenen Mittel der Selbsthilfe) ausschließen, als zeitlich aufgehoben gelten. Diesen Kriegszustand hat schon Grotius als den völkerrechtlichen Begriff des K. bestimmt. Er kann eingetreten sein, ehe es thatsächlich zu Feindseligkeiten kommt, und fortdauern, wenn sie eingestellt sind. Andererseits führt ein nicht in der Absicht der Kriegseröffnung unternommener Machtgebrauch eines Staates gegen den andern, wie die Blockade (s. d.) im Frieden oder das Einrücken in ein fremdes Gebiet (wie das der russ. Truppen in die Donaufürstentümer 1853), den Kriegszustand nur dann herbei, wenn er von dem angegriffenen Staate als Kriegsfall (s. Casus belli) aufgenommen wird.

Der K. muß sich als Mittel der Politik auch deren Zielen unterordnen; vom militär. Standpunkt aus giebt es jedoch für ihn nur als einziges Ziel die völlige Niederwerfung des Gegners. Dieses eigentümliche Verhältnis zwischen K. und Politik ist für die erfolgreiche Durchführung eines K. von hervorragender Bedeutung. Steht die polit. und die militär. Leitung eines K. nicht in völligem Einvernehmen miteinander, so wird leicht, nur infolge einseitiger Beurteilung der Verhältnisse, der eine Faktor den andern entweder in eine unbequeme und selbst gefährliche Zwangslage versetzen oder ihn um die Früchte seiner Erfolge bringen. Weiter muß auch die Wichtigkeit gegenseitigen Einvernehmens zwischen der operativen und der administrativen Leitung des K. betont werden, d. h. zwischen dem Oberkommando der Feldarmee und der Heeresverwaltung (dem Kriegsministerium). Die glänzendsten kriegerischen Leistungen hat die Geschichte dort zu verzeichnen, wo die beiderseitige Leitung des K. in einer Hand lag und wo diese drei Faktoren zusammenwirkten.

Je nachdem die kriegführenden Mächte fremde Staaten oder Parteien innerhalb desselben Staates sind, unterscheidet man auswärtige K. von innern oder Bürgerkriegen. Kabinettskriege werden ohne direkte Berücksichtigung der nationalen Interessen der Völker nur zur Befriedigung persönlicher oder dynastischer Ansprüche geführt; den Gegensatz dazu bilden die mit nationaler Tendenz und allgemeiner Teilnahme des betreffenden Volks geführten nationalen oder Volkskriege. Dieser Unterschied ist nicht immer scharf ausgesprochen. In der heutigen Zeit, wo infolge der Gestaltung der gesamten polit. Verhältnisse jeder ausbrechende K., gleichviel welches die Veranlassung, zu einem Zusammenstoß mit unübersehbaren Folgen führen muß, sind Kabinettskriege, wie sie z. B. im 17. und 18. Jahrh. häufig waren, so gut wie unmöglich. Der Unterschied von Landkrieg und Seekrieg ist durch den Wortlaut gegeben, ebenso der Unterschied von Angriffskrieg und Verteidigungskrieg im polit. Sinn, d. h. im Hinblick auf die allgemeine Tendenz des K. Hiermit ist nicht zu verwechseln der Unterschied zwischen Angriffskrieg und Verteidigungskrieg im rein militär. Sinn (s. Strategie).

Die zur Führung eines K. notwendigen Kriegsmittel eines Staates zerfallen in die Landmacht oder das Heer und für Länder mit Küstengebiet die Flotte; ferner sind hierher zu rechnen die zu Kriegszwecken dienenden baulichen Anlagen, Kriegsbauten; auch die zum Kriegführen nötigen Geldmittel gehören hierher. Die ganze Lehre vom K. und den Kriegsmitteln in ihren vielfachen Verzweigungen wird behandelt von den Kriegswissen- ^[folgende Seite]

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