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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Krystallelektricität; Krystallfischchen; Krystallflasche; Krystallglas; Krystallhöhlen; Krystallin; Krystallinisch; Krystallisation

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Krystallelektricität - Krystallisation

parallelen und solche mit geneigten Achsensystemen zu unterscheiden; die erstern können nur bei hemiëdrischen Formen und Kombinationen vorkommen; bei ihnen sind beide Individuen miteinander in derjenigen Stellung verwachsen, in der sie ihre holoedrische Stammform reproduzieren würden. Bei den Zwillingen mit geneigten Achsensystemen stehen beide Individuen vollkommen symmetrisch mit Bezug auf eine bestimmte Krystallfläche, welche die Zwillingsebene genannt wird und in den meisten Fällen auch die Zusammenwachsungsfläche darstellt; so ist in Taf. II, Fig. 29 die Oktaederfläche, in Fig. 33 die Abstumpfungsfläche der vordern Prismenkante die Zwillingsebene. Weil man sich derartige Zwillinge auch so entstanden denken kann, daß nach dieser Zusammenwachsungsfläche der Krystall halbiert und die beiden Hälften um 180° gegeneinander gedreht wurden, nennt man solche Zwillinge auch Hemitropien. Eine Symmetrieebene des Einzelindividuums kann hier niemals die Rolle einer Zwillingsebene spielen. Bei den Zwillingen sind die Individuen bald bloß aneinander (Fig. 30 u. 31), bald förmlich durcheinander gewachsen (Fig. 32). Die Zwillingsbildung wiederholt sich oft mehrfach, sodaß Drillinge, Vierlinge u. s. w., endlich sog. polysynthetische Zwillingsbildungen entstehen.

Die K. sind auf ihren wohlausgebildeten Flächen in der Regel mehr oder weniger glänzend; die Regelmäßigkeit ihrer Ausbildung ist manchen zufälligen Beeinträchtigungen unterworfen,indem sich einseitige Verlängerungen oder Verkürzungen, Krümmung, Streifung, treppenähnliche Vertiefung der Flächen u. s. w. einstellen. Wegen der nach verschiedenen Richtungen abweichend beschaffenen Kohärenz der Masseteilchen giebt es in ihrem Innern bestimmte Richtungen, nach denen sie sich vorzugsweise leicht spalten lassen, und die so zu erzeugenden Spaltungsflächen sind in ihrem gesetzmäßigen Verhältnis zu den Achsen des Krystalls wichtige Mittel zur Bestimmung der Grundgestalt. Namentlich durch die Abwesenheit dieser mit der äußern Form übereinstimmenden innern Struktur unterscheiden sich die sog. Afterkrystalle oder Pseudomorphosen (s. d.).

Die K. des regulären Systems zeigen nur einfache Brechung des Lichts, diejenigen aller andern Systeme sind doppeltbrechend; doch besitzen die K. des tetragonalen und hexagonalen Systems eine Richtung, nach der nur einfache Brechung herrscht (Richtung der sog. optischen Achse, hier parallel mit der krystallographischen Hauptachse oder Vertikalachse), während die rhombischen, monoklinen und triklinen K. zwei derartige Richtungen einfacher Brechung aufweisen, die nicht mehr mit krystallographischen Achsen zusammenfallen (optisch zweiachsige K.). Durch Erwärmung dehnen sich die K. des regulären Systems nach allen Richtungen hin gleichmäßig aus, bewahren also ihre Gestalt unverändert, wogegen die K. der übrigen fünf Systeme nach verschiedenen Richtungen eine ungleichmäßige Ausdehnung erleiden und folglich einer Veränderung ihrer Kantenwinkel unterworfen sind, deren Größe von der Temperatur abhängig ist.

Die Wissenschaft, die sich mit den gesetzmäßig morpholog. Verhältnissen der K. befaßt, heißt Krystallographie und hat unter den Deutschen vorzüglich Christ. Samuel Weiß, Karl Friedr. Naumann, Quenstedt und Gust. Rose viel zu danken. Insofern sie die Winkel der K. mißt, die Formen und Achsenverhältnisse danach berechnet, wird sie auch Krystallometrie genannt. Die Krystallphysik erforscht die physik. Eigenschaften der K., namentlich auch unter Berücksichtigung der damit in Zusammenhang stehenden formellen Gestaltung. - Vgl. Naumann, Elemente der theoretischen Krystallographie (Lpz. 1856); von Lang, Lehrbuch der Krystallographie (Wien 1866); G. Rose, Elemente der Krystallographie (3. Aufl., hg. von Sadebeck, Berl. 1873; Bd. 2 u. 3, 1876-87); Quenstedt, Grundriß der bestimmenden und rechnenden Krystallographie (Tüb. 1873); Klein, Einleitung in die Krystallberechnung (Stuttg. 1876); Groth, Physik. Krystallographie (Lpz. 1876; 2. Aufl. 1885); Sohncke, Entwicklung einer Theorie der Krystallstruktur (ebd. 1879); Liebisch, Geom. Krystallographie (ebd. 1881); Baumhauer, Das Reich der K. (ebd. 1889); Schoenflies, Krystallsysteme und Krystallstruktur (ebd. 1891); Liebisch, Physik. Krystallographie (ebd. 1891).

Krystallelektricität, s. Pyroelektricität.

Krystallfischchen, s. Rädertiere.

Krystallflasche, s. Glas (Bd. 8, S. 41 b).

Krystallglas oder Bleikrystall, Bleikaliumglas. Es besitzt ein hohes specifisches Gewicht, sehr schönen Glanz, Klang und starkes Lichtbrechungsvermögen und ist vollkommen farblos. Es ist leichter schmelzbar, viel weicher, aber auch weniger widerstandsfähig gegen den Einfluß von Luft und Feuchtigkeit als das Kalkglas. Aus K. verfertigt man alle diejenigen Gegenstände, die auch aus Weißhohlglas hergestellt werden. In übertragenem Sinne nennen die böhm. Glasfabrikanten K. auch das aus besonders reinen (eisenfreien) Materialien hergestellte Kalkglas (Weißhohlglas), das auf Hohlglaswaren verschiedenster Art verarbeitet und häufig durch Schleifen weiter verziert wird. (S. auch Halbkrystall, Flintglas und Straß.)

Krystallhöhlen, s. Höhlen.

Krystallin, nach Berzelius Benennung des bei der Zersetzung des Hämoglobins (s. Blutfarbstoff) sich abspaltenden Eiweißkörpers; auch veraltete Bezeichnung für Anilin.

Krystallinisch heißen im Gegensatz zu den amorphen diejenigen Mineralsubstanzen, deren Moleküle eine bestimmte und regelmäßige Anordnung zeigen, die sich darin ausspricht, daß solche Substanzen nach verschiedenen Richtungen eine verschiedene Elasticität besitzen oder auch abweichende Kohärenzverhältnisse aufweisen, die sich z. B. in der Spaltbarkeit, in den Härtegegensätzen nach den einzelnen Richtungen kundgeben. (S. Krystalle.) Mit dieser physik. Eigenschaft des innern Baues sind nicht nur die regelmäßig ausgewachsenen Krystalle begabt, sondern auch jeder davon abgesprengte Splitter, jedes Bruchstück bleibt derselben teilhaftig. K. nennt man aber auch ein Aggregat von unregelmäßig begrenzten und verkrüppelten Mineralindividuen; so ist krystallinischer Kalkstein ein Gestein, das aus eng miteinander verwachsenen eckigen Körnchen von Kalkspat besteht. - Über die krystallinischen Gesteine s. Gesteine.

Krystallisation, der Vorgang bei der Bildung der Krystalle (s. d.). Die Körper krystallisieren teils bei der Abkühlung ihrer Dämpfe, so Schwefel, arsenige Säure, Eisenchlorid, teils beim Erstarren aus dem geschmolzenen Zustande, wie Metalle, Schwefel und viele Salze, teils beim Erkalten heiß gesättigter Auflösungen, wenn sie in dem kalten Lösungsmittel weniger auflöslich sind, teils endlich, wenn man ihnen das Lösungsmittel durch Verdunstung ent-^[folgende Seite]

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