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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Moskau

1865), die kaiserl. Technische Schule (gegründet 1832), das kaiserl. Lyceum zum Andenken an den Thronfolger Nikolaj, das Lasarewsche Institut der orient. Sprachen, das Konstantinowsche Feldmeßinstitut. Die Moskauer Geistliche Akademie befindet sich seit 1814 in Sergijewskij Possad (s. d.). Über die Synodalbibliothek s. S. 25 b. An Mittelschulen sind vorhanden: 6 klassische Staats-, 2 Privatgymnasien, 1 staatliche, 4 private Realschulen, 1 praktische Akademie der Handelswissenschaften, 2 Handelsschulen, 1 Geistliches Seminar, 1 Lehrerinstitut, 1 Lehrerseminar, 1 technische Kommissarowschule, 1 Ackerbauschule, die Stroganowsche Schule für technisches Zeichnen, 1 Kunstschule, 1 Theaterschule, 1 Konservatorium, 1 musikalisch-dramat. Schule; für Mädchen: 5 Staats-, 7 Privatgymnasien, 2 Lehrerinnenseminare, 4 Institute; außerdem die Alexandrowsche Kriegsschule, 1 Junkerschule, 4 Kadettenhäuser. Unter den Museen steht obenan das Rumjanzewsche Museum, reich an altslaw. Handschriften und Drucken, mit Gemäldegalerie und ethnogr. Museum, mineralog. und zoolog. Sammlungen. Dann folgen das Polytechnische Museum (1872), das Historische Museum (1883), das Museum der Hausindustrie (1885) und das Kunstindustriemuseum. Die größte Gemäldegalerie ist die von Tretjakow, jetzt Eigentum der Stadt, mit Bildern aller russ. Künstler; daneben Galerien von Botkin, Soldatenkow u. a.

Von den gelehrten Gesellschaften gruppieren sich die meisten um die Universität: die Juristische Gesellschaft, die Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften, der Anthropologie und Ethnographie, die Gesellschaft der Freunde der Geschichte und der Altertümer Rußlands, die Psychologische, die Physiko-medizinische, die Mathematische u. a. Gesellschaften. Außerdem die Archäologische, die Landwirtschaftliche Gesellschaft u. a.

An Theatern sind vorhanden: das kaiserl. Große Theater (Oper und Ballett, 4000 Plätze), das kaiserl. Kleine Theater (Schauspiel), das Puschkin-, Vaudevilletheater sowie noch einige Theater in Gärten und Klubs. Von den Klubs sind die wichtigsten: der englische, der Adels-, der Kaufmanns-, der deutsche, der Artistenklub, die Moskauer Liedertafel. In M. erscheinen 92 Zeitungen, davon sind die wichtigsten die "Russkija Wjedomosti" ("Russische Nachrichten") und die Revuen "Russkij Archiw" und "Russkaja Mysl" ("Russische Idee"). Außerdem ist auch eine "Moskauer Deutsche Zeitung" vorhanden. Unter den Buchdruckereien ist die Synodal-Buchdruckerei, welche bereits 1562 gegründet wurde, die älteste Rußlands.

Wohlthätigkeitsanstalten. M. hat (1889) 489 solcher Anstalten, in denen 73633 Personen lebten und 353983 vorübergehend mit ärztlicher u. a. Hilfe unterstützt wurden. Der Kostenaufwand betrug 4,15 Mill. Rubel. Obenan steht das große Findelhaus, 1763 von Katharina II. gegründet, in das jährlich gegen 14000 Kinder aufgenommen werden. 1890 bestanden 156 ärztliche Anstalten, darunter 90 Krankenhäuser mit beständigen Betten. Erwähnenswert sind noch: der Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger deutscher Reichsangehöriger, 1880 gegründet, mit (1892) 676 zahlenden Mitgliedern, 19165 Rubel Einnahme, 15512 Rubel Ausgabe und 93800 Rubel Vermögen, darunter ein Grundstück (das Friedrich-Wilhelm-Victoria-Stift); der Evangelische Hilfsverein, der Österreichisch-Ungarische Hilfsverein.

Verkehrswesen. Den Verkehr vermitteln zahlreiche Droschken, Omnibuslinien, 16 Pferde-, 2 Dampfstraßenbahnen, Flußkähne und Dampfer. M. ist ein Hauptmittelpunkt des russ. Eisenbahnnetzes, in 6 Bahnhöfen münden ein die Eisenbahnen Petersburg-M. (649 km), M.-Nishnij Nowgorod (437), M.-Jaroslawl (278), M.-Kasan (1043), M.-Kursk (542) und M.-Brest-Litowsk (1091 km).

Industrie und Handel. M. ist die bedeutendste russ. Fabrik- und Handelsstadt; es liegt im Mittelpunkt des großen Fabrikbezirks, der mit seinen Erzeugnissen ganz Rußland versorgt und die vom Ausland bezogenen Waren im ganzen Lande verbreitet. 1890 bestanden 9819 industrielle Etablissements. Der größte Teil davon kommt auf Metallbearbeitung (1076), Bearbeitung von Faserstoffen (1752), Holz (881), Herstellung von Maschinen, Waffen, Instrumenten u. a. (577), Papier- und Lederfabrikation (609), Bauindustrie (814), Herstellung von Lebensmitteln (654), Kleidung, Schuhwerk, Wasch- und Reinigungsanstalten (3816). Die Zahl der beschäftigten Arbeiter im ganzen war 122438, davon in der Textilindustrie 35689, in der Metallbearbeitung 10915, im Maschinenbau 7756. Der Gesamtumsatz betrug (1885) gegen 200 Mill. Rubel. Der Umsatz im Handel wird auf 2000 Mill. Rubel jährlich geschätzt und kommt auf etwa 16000 Handelsgeschäfte. Bedeutend ist der Theehandel. Im Moskauer Zollamt wurden verzollt (1892) Waren im Werte von 51,5 Mill. Rubel, davon Thee 13,3, Seide 8,6, Indigo 3,2, Anilinfarben 2,2, Maschinen und Tender 2,0, Baumwollgarn 1,5 Mill. Rubel. Neben einer Stelle der Russischen Reichsbank, Filialen der adligen und der bäuerlichen Länderbank, der Wolga-Kama- und der Petersburg-Tula-Bank finden sich in M. die Kaufmännische Bank, die Diskonto-, die Kommerz-, die Internationale und Kommerzbank, die Moskauer, die Jaroslawl-Kostroma-, die Nishegorod-Samara-Länderbank, einige Kreditgesellschaften, 11 Bankhäuser, 1 Börse und 1 Kaufhof (Gostinnyj dwor).

Umgebung. Der Park von Sokolniki, mit zahlreichen Datschen (Villen) und jährlich 10-15000 Sommergästen, das Dorf Bogorodskoje, die Marjina-Roschtscha (Marienhain), der Villenort Butyrki, der Petrowskij-Park mit Schloß, Sommertheater und Restaurants (von hier aus geht der Zug zur Kaiserkrönung durch Triumphpforte, Twerskaja zum Kreml), das Chodynkafeld (mit dem Militärsommerlager), die Sperlingsberge (im Südwesten rechts an der Moskwa mit schöner Aussicht auf M.). Weiter entfernt: Petrowskoje-Rasumowskoje (Sitz der Petrowschen Landwirtschaftlichen Akademie mit Musterfarm), Mytischtschi (mit großen 1779 erbauten Wasserwerken, die aus 43 Quellen M. mit Trinkwasser versorgen) u. a.

Geschichtliches. Der Ursprung M.s ist nicht genau bekannt. 1147 wird es zuerst in den Chroniken erwähnt, gelangte aber erst unter Daniel Alexandrowitsch (1285-1303) zu einiger Bedeutung. 1383 verlegte der Großfürst Iwan Kalita seine Residenz von Wladimir nach M., wohin ihm zugleich der Metropolit folgte, und seitdem blieb M. die Hauptstadt des nach ihm benannten Großfürstentums, mit dessen steigender Macht es auch immer mehr wuchs, trotz verheerender Brände und Einfälle der Tataren. Anfang des 17. Jahrh. wurde M. von den Polen besetzt und angezündet, aber 1612 durch Minin und Posharskij befreit. Die