Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

447
Privatdocent - Privatklage
Privatdocönt, ein Gelehrter, der das Recht er-
worben hat, Vorlesungen an einer Universität zn
halten, aber noch zu keiner Professur berufeil ist.
Privatfürstenrecht, das besondere Familien-
und Erbrecht der landesherrlichen und ehemals
reichsständischen Geschlechter in Teutschland, meist
auf Hausgesetzen (s. d.) bernhend.
Privatgeheimnisfe, solche persönliche Verhält-
nisse eines Menschen, an deren Geheimhaltung er
ein Interesse hat, oder welche er mit der ausdrück-
lichen Auflage der Geheimhaltung mitgeteilt hat.
Unter gewissen Umständen ist die Offenbarung von
P. unter Strafe gestellt. Der §. 300 des Deutschen
Strafgesetzbuches verordnet: Rechtsanwälte, Advo-
katen, Notare, Verteidiger in Strafsachen, Ärzte,
Wundärzte, Hebammen, Apotheker, sowie die Ge-
hilfen dieser Personen werden, wenn sie unbefugt
P. (z.V.auch Geschlechtskrankheiten) offenbaren, die
ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes
anvertraut sind, mit Geldstrafe bis zu 1500 M. oder
mit Gefängnis bis zu 3 Monaten bestraft. Das
Österr. Strafgesetzb. §. 489 straft als Ehrenbeleidi-
gung die unbefugte öffentliche Bekanntmachung von
ehrenrührigen, wenn anch wahren Thatsachen des
Privat- oder Familienlebens. (S. auch Betriebs-
geheimnis, Geheimhaltung, Geschäftsgeheimnis.)
Privatier (spr. -tleh, nicht franz.; lat. I^iv^ws;
weiblich Privatiöre und ?rivat3.), Privatmann,
ohne Amt oder Vernf lebende Person. ^lich.
?rivätini (lat.), für sich, insgeheim, nicht öffent-
Privation (lat.), Beraubung; privaNv, be-
ranbend, ausschließend. (S. ^Ipdk pi-ivativuui.)
Privatisieren, als Privatmann leben.
?riva.ti88iinuni (colikßium), s. Kolleginm.
Privatklage, Privatanklage. Die Verfol-
gung strafbarer Handlungen gegen den Thäter war
sowohl nach älterm röm. Recht als auch nacb dem
deutschen Recht des Mittelalters im wesentlichen
Privatsache, sei es, daß der Verletzte sein Recht ver-
folgte (P. im engern Sinne), sei es, daß ein belie-
biger Bürger die Verletzung öffentlicher Interessen
rügte (Popnlarklage, s. d.). Mit der kräftigern
Entwicklung der Staatshoheit dehnte sich jedoch die
Verfolgung von Verbrechen durch die Staatsorgane
immer mehr aus. Dieselbe wurde teils von richter-
lichen Amts wegen, so im Inquisitionsprozeß (s. d.),
teils durch öffentlich bestellte Ankläger (s. Staats-
anwaltschaft) betrieben. Je wirksamer der Staat
sich der Aufgabe unterzog, die strafrechtliche Sühne
derVerbrechen herbeizuführen, desto mebrverschwand
auch da, wo dieselbe gesetzlich noch zulässig war, das
Interesse an der P., da die öffentliche Verfolgung
sich für den Verletzten weit beqnemer und billiger
gestaltete. Nur in England hat sich Jahrhunderte
hindurch ununterbrochen die P. und zwar als Po-
pularklage erhalten und erst in neuerer Zeit ist
neben Wahrung derselben als eines verfassungs-
mäßigen Rechts die Einrichtung von Anklagebehör-
den erfolgt. Wenn diese nicht einschreiten, steht dem
Verletzten und jedem Dritten der Regel nach die P.
zu, aber auf seine eigene Kosten und auf die Ge-
fahr hin, wenn die Anklage sich als unbegründet er-
weist, selbst wegen böswilliger Anschuldigung an-
geklagt zu werden.
Die Österr. Strafprozeßordnung von 1873 stellt
die P. durchaus gleichberechtigt neben die öffentliche
Klage. Sie bestimmt im §. 2, daß wegen Hand-
lungen, die nach den Strafgesetzen nur auf Begehren
ein^s V^^v^n ^ersolgl werden können, diesem die
Anstellung der P. zukommt, alle andern strafbaren
Handlungen aber Gegenstand der öffentlichen An-
klage sind, deren Erhebung zunächst der Staats-
anwaltschaft zukommt. Neben dieser Prinzipalen P.
giebt sie aber den Privatbeteiligten (s. d.) die Be-
fugnis, an Stelle des Staatsanwalts, falls diefer
die Verfolgung ablehnt oder von derselben zurück-
tritt, die öffentliche Klage zu erheben und durchzu-
fübren: subsidiäreP. Im übrigen hat der Privat-
ankläger im wesentlichen gleiche Rechte wie der
! Staatsanwalt; er kann dieselben selbst oder durch
! einen Bevollmächtigten wahrnehmen und sich eines
Recktsbeistandes aus der Zahl der Verteidiger frei-
willig oder auf Anweisung des Gerichts bedienen; er
kann als Zeuge vernommen werden, hat aber keinen
^ Ansprnch auf Zeugengebühren, ist vielmehr, falls
z keine Verurteilung erfolgt, zum Ersatz aller infolge
seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten verpflich-
tet. Vgl. §§^ 2,48,50,172,241, 383, 390 der Österr.
Strafprozeßordnung. (S. anch Privatbeteiligter.)
Die Deutsche Strafprozeßordnung vom 1. Febr.
1877 legt in §. 152 als Regel der Staatsanwaltschaft
die Pflicht auf, wegen aller gerichtlich strafbaren
und verfolgbaren Handlungen, sofern zureichende
l tbatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, einzuschreiten
! (Legalitätsprincip, s. d.), gestattet nur als
! Ausnahme, nämlich wegen Beleidigung und Körper-
! Verletzung, soweit deren Verfolgung nnr auf An-
! trag eintritt, die P. Die Staatsanwaltschaft kann
! jedoch die öffentliche Klage anch wegen dieser Hand-
lungen erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse
liegt, anck nach erhobener P. jederzeit bis zur Rechts-
kraft des Urteils die Verfolgung übernehmen. Die
Erhebung der P. geschieht zu Protokoll des Gerichts-
schreibers oder durch Einreichung einer Anklage-
schrift, welche dem Beschuldigten zur Erklärung mit-
i geteilt wird. Nach Eingang der Erklärung des Ve-
! schuldigten oder Ablauf der demselben gestellten Frist
beschließt das Gericht über die Eröffnung des Haupt-
verfahrcns (s. d.) vor dem Schöffengericht, welches
! sich sodann nach denselben Bestimmungen, wie das
! Verfahren anf öffentliche Klage, mit der Maßgabe
^ richtet, daß an Stelle des Staatsanwalts der Privat-
kläger tritt. Letzterer kann im Beistand eines Rechts-
, anwalts erscheinen oder sich durch einen solchen ver-
! treten lassen, das Recht der Akteneinsicht nur durch
! diesen ausüben. Welche Zeugen und Sachverstän-
> dige geladen werden sollen, bestimmt der Vorsitzende
! des Gerichts, unbeschadet des dem Privatkläger wie
! dem Angeklagten zustehenden Rechts der unmittel-
^ baren Ladung (s. d.). Das Gericht ist befugt, das
persönliche Erscheinen des Klägers sowie des An-
geklagten anzuordnen. Letzterer kann bei wechsel-
i seitigen Beleidigungen und Körperverletzungen bis
^ zur Beendigung der Schlußvorträge in erster Instanz
> mittels einer Widerklage, über welche aber gleich-
! zeitig zu entscheiden ist, die Bestrafung des Klägers
beantragen. Die P. kann bis zur Verkündung des
Urteils erster Instanz und, foweit zulässige Berufung
! eingelegt ist, bis zur Verkündung des Urteils zweiter
! Instanz zurückgenommen, die zurückgenommene P.
nicht von neuem erhoben werden. Als Znrücknahme
gilt es im Verfahren erster und, falls Angeklagter
Berufung eingelegt hat, Zweiter Instanz, wenn der
! Privatkläger in der Hauptverhandlung weder sr-
^ scbeint noch durch einen Nechtsanwalt vertreten wird,
oder bei Anordnung persönlichen Erscheinens aus-
bleibt, oder endlich eine ihm unter Androhung der
Einstellung des Verfahrens gesetzte Frist versäumt"