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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Pyrus; Pysa; Pyschmá; Pyschmínsk; Pytelĭa; Pythagoräisch; Pythagŏras; Pythagoreïscher Lehrsatz; Pythagorëischer Lehrsatz

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Pyrus – Pythagoreïscher Lehrsatz

werden. Aus dem P. selbst entstehen auf diese Weise Pyrrolin, C₄H₇N, und Pyrrolidin, C₄H₉N, welche starke Basen sind.

Pyrus, Pflanzengattung, s. Pirus.

Pysa, ostind. Münze, s. Pice.

Pyschmá auch Pyshma, rechter Nebenfluß der Tura (Flußgebiet des Ob), entspringt im Kreis Jekaterinburg des russ. Gouvernements Perm, fließt östlich und mündet nach 550 km im Gouvernement Tobolsk, auf 50 km schiffbar. Am Ufer finden sich Eisenerze, Steinkohlenlager und Goldwäschereien; letztere auch an ihrem Zufluß Beresowka.

Pyschmínsk, russ. Hüttenwerk, s. Jekaterinburg.

Pytelĭa, Vogelgruppe, s. Astrilde.

Pythagoräisch (richtiger Pythagorēisch), s. Pythagoras.

Pythagŏras, Philosoph, Sohn des Mnesarchos, aus Samos, geb. zwischen 580 und 570 v. Chr., soll 532 v. Chr., um der Gewaltherrschaft des Polykrates zu entgehen, nach Italien ausgewandert sein, wo er zu Kroton einen Bund oder Orden stiftete, der neben der Pflege der Wissenschaft auch sittlichen, religiösen und polit. Absichten gewidmet war. Mancherlei Bräuche und Lebensvorschriften waren bestimmt, den sittlich-religiösen Sinn der Pythagorëischen Lebensgemeinschaft sowie ihren exklusiven Charakter zu erhalten. Der Bund dehnte sich bald über die benachbarten griech. Städte aus und bildete den Mittelpunkt der aristokratischen Partei. Als daher der Parteikampf heftig entbrannte und die Demokratie obsiegte, wurden die Pytbagorëischen Vereinigungen gesprengt, die Versammlungshäuser (Synedrien) zerstört, die Mitglieder gemordet oder vertrieben, die Verfassungen umgestürzt. Ein durch die Achäer vermittelter Vergleich gestattete den Vertriebenen die Rückkehr, allein der Einfluß des Bundes war gebrochen. Die Schule bestand noch durch viele Generationen fort, verbreitete sich auch nach Althellas und erlosch gegen Ausgang des 4. Jahrh. Wann und wie die Katastrophe stattfand, ist unsicher. Die gewöhnliche (nicht sicherste) Angabe ist, daß der erste, sogleich vernichtende Angriff in Kroton erfolgte, die versammelten Pythagoreer im Hause des Milon verbrannten, P. entweder dabei umkam oder entrann und später in Metapont starb. Nach andern hätte dieser Überfall erst lange nach P. stattgefunden, den auch sie in Metapont sterben lassen.

Schriften hat weder P. noch einer seiner ältern Schüler hinterlassen, sondern zuerst Philolaus. Daher läßt sich schwer bestimmen, wie viel von den Lehren der Pythagoreer auf den Stifter der Schule zurückgeht. Sicher ist eine frühzeitige Pflege der Mathematik im Pythagorëischen Kreise; nach Hankel («Zur Geschichte der Mathematik im Altertum», Lpz. 1874) würde etwa der Inhalt der zwei ersten Bücher des Euklid den Pythagoreern bekannt gewesen sein; jedenfalls verdankt man ihnen das geometr. Beweisverfahren, das unübertroffene Muster wissenschaftlicher Muster der Erkenntnis. Auf P. werden zurückgeführt der Beweis von der Winkelsumme im Dreieck, der Pythagorëische Lehrsatz (s. d.) sowie die Anfänge der Zahlentheorie. Die Entdeckung des Gesetzes der Tonintervalle (durch Vergleichung der Saitenlängen am Monochord, s. d.) gab das typische Beispiel für die allgemeine Ansicht, daß durch Zahl und Maß alle Dinge der Natur beherrscht seien; eine Ansicht, die zugleich eine sittliche Bedeutung gewann, indem auf Harmonie und Eurhythmie auch die sittliche Wohlordnung der Menschen beruhen sollte; so fußt Plato auf Pythagoreïschen Anschauungen, wenn er den sittlich vollkommen durchgebildeten Menschen den musischen nennt und die dor. Tonart für die ethisch bedeutsamste hält. Allerdings artete die ethische und religiöse Deutung der Zahl zu einer sonderbaren Zahlensymbolik aus, die den wissenschaftlichen Wert des Princips einigermaßen verdunkelt hat, historisch jedoch von einem Einfluß gewesen ist, von dem z. B. noch Kepler sich nicht losmachen konnte. Rein theoretisch aber bedeutete es einen gewaltigen Fortschritt, daß das letzte Erklärungsprincip der Natur nicht mehr im Stoff, sondern in der mathem. Form oder Gesetzlichkeit gesucht wurde, wodurch sich der Pythagoreïsmus von den ältern Natursystemen (Thales, Anaximander, Anaximenes) charakteristisch unterschied. Die Erklärung der Naturdinge sollte beruhen auf dem Wechselverhältnis des Begrenzenden und Unbegrenzten; das Begrenzende ist eben die Zahl, insbesondere die Zahlverhältnisse, welche die Harmonien begründen und auf denen hauptsächlich die Welt als geordnetes System, als «Kosmos» beruht. Auf diese Voraussetzungen stützt sich namentlich das astron. System der Pythagoreer. Um das Centralfeuer (Hestia genannt) ordnen sich zehn Himmelskörper, die im Kreislauf von Westen nach Osten um dasselbe ihren Reigen führen, zu oberst die Fixsternsphäre, eine durchsichtige Hohlkugel, an deren Innenseite die Fixsterne festsitzen und mit der ganzen Sphäre durch Drehung der Achse herumgeführt werden; dann nach innen, teils in ebensolchen Sphären, teils auch in festen, reifenartigen Kreisen bewegt, zunächst die fünf Planeten, dann Sonne, Mond, Erde und, um die heilige Zehnzahl voll zu machen, noch eine Gegenerde, die wir nur nicht sehen, weil sie, wie auch das Centralfeuer, durch die Erde selbst uns verdeckt ist; unsere Erde dreht sich nämlich täglich, nicht etwa um ihre Achse, sondern in einem Kreise um das Centralfeuer, die Gegenerde ebenfalls in einem Kreise, so daß sie jederzeit zwischen der Erde und dem Centralfeuer in der Mitte schwebt; wir bewohnen aber nur die dem Centralfeuer abgekehrte Seite der Erde und sehen daher weder dieses noch die Gegenerde. Die Bewegung der Gestirne wird zugleich als Symphonie vorgestellt (Sphärenharmonie); man dachte sich nämlich jeden schwingenden Körper auch tönend; die Höhe der Töne sollte der Geschwindigkeit der Bewegungen, diese der Entfernung vom Centrum, und diese dem Intervall der Oktave entsprechen. Viele weitere Lehren erscheinen völlig phantastisch. Aus den fünf regulären Körpern konstruierte man fünf Elemente (Urstoffe), nämlich Erde, Wasser, Luft, Feuer und Äther. Auch unkörperliche Dinge, wie die Seele, die Gerechtigkeit, konstruierte man aus Zahlen. Die ethischen Anschauungen der Pythagoreer sind rein, entbehren jedoch des wissenschaftlichen Princips. Von den religiösen Lehren ist die bekannteste die von der Seelenwanderung, vielleicht orient. Ursprungs. – Vgl. Bretschneider, Die Geometrie und die Geometer vor Euklid (Lpz. 1870); Chaignet, Pythagore et la philosophie pythagorienne etc. (2. Aufl., 2 Bde., Par. 1875); Zeller, Philosophie der Griechen, Tl. 1 (5. Aufl., Lpz. 1892). (S. Timäus, Archytas.)

Pythagoreïscher Lehrsatz, einer der wichtigsten und folgereichsten geometr. Lehrsätze, den Pythagoras fand, worauf er nach Diogenes von Laertes den Göttern eine Hekatombe (s. d.) geopfert haben soll. Der Satz heißt: In jedem rechtwink- ^[folgende Seite]