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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schweden

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Schweden (Verfassung)

schriften giebt es etwa 20, worunter die "Svenska Familjejournalen". Für Sport und Jagd bestehen: «Svenska jägarförbundets Tidskrift» und «Tidning för Idrott».

Die Verfassung ist durch folgende Grundgesetze bestimmt: 1) die Regierungsform vom 6. Juni 1809; 2) die Reichstagsordnung vom 22. Juni 1866, welche die auf das Gesetz vom 10. Febr. 1810 gegründete Repräsentation durch vier Reichsstände (Adlige, Geistliche, Bürger und Bauern) aufhob; 3) die Erbfolgeordnung vom 26. Sept. 1810, wonach den männlichen Descendenten Karls XIV. Johann nach dem Rechte der Erstgeburt die Thronfolge zusteht; 4) die Preßfreiheitsordnung vom 16. Juli 1812. Hierzu kommt noch der Reichsakt von 1815, worin die Bedingungen der Union mit Norwegen festgesetzt sind, der in Norwegen vom Storting als Grundgesetz 31. Juli, in S. vom Reichstag 6. Aug. angenommen wurde, hier aber nicht als Grundgesetz gilt. Infolge dieser Grundgesetze ist S. eine mit Norwegen unter einem und demselben Oberhaupt stehende, durch den Reichstag beschränkte Erbmonarchie mit einem König an der Spitze, der sich zur evang.-luth. Kirche bekennen muß, höchster Befehlshaber der Land- und Seemacht, Teilhaber und Vollstrecker aller Staatsgewalten ist. Auswärtige Angelegenheiten entscheidet der König auf den Vortrag des bezüglichen Ministers in Gegenwart zweier Staatsräte; der Staatsminister soll immer dabei sein. Der Staatsrat wird vom König ernannt und zählt 10 Mitglieder: einen Minister für das Auswärtige, 6 Staatsräte für die Justiz, das Innere, die Finanzen, den Krieg, die Marine und den Kultus, und drei konsultative Staatsräte ohne Portefeuille. Einer von den 10 Staatsräten wird vom König zum Staatsminister ernannt. Dem Staatsrat steht nur eine beratende Stimme zu. Gewisse höhere Civil- und Militärbeamten, die in der Regierungsform ausdrücklich bezeichnet sind, kann die Regierung ohne weiteres verabschieden; die übrigen angestellten dürfen nur wegen Amtsvergehen gesetzlich abgesetzt werden.

Nach der Reichstagsordnung vom 22. Juni 1866 und Änderungen (1894) besteht der Reichstag aus den von dem ganzen Volke gewählten Abgeordneten und zerfällt in zwei Kammern, die in allen Fragen gleiche Machtvollkommenheit besitzen. Der ordentliche Reichstag tritt jährlich 15. Jan. zusammen und dauert vier Monate, falls nicht etwa der König ihn früher auflöst und neue Wahlen anordnet. Der Abgeordnete zur Ersten Kammer muß 35 J. alt sein und wenigstens drei Jahre Grundstücke besessen haben, deren Taxwert 80000 Kronen beträgt, oder er muß ebenso lange für ein jährliches Einkommen von 4000 Kronen an den Staat Steuern entrichtet haben. Derselbe wird von den Landstingen und den Bevollmächtigten der größern Städte auf 9 Jahre, also indirekt gewählt und erhält keine Diäten. Die Erste Kammer besteht aus 150 Mitgliedern. Zur Zweiten Kammer geschehen die Wahlen mit Scheidung von Land und Stadt. Aktives Wahlrecht kommt jedem in den Gemeindeangelegenheiten stimmberechtigten Manne zu, der entweder Grundstücke zu dem Taxwert von 1000 Kronen besitzt oder wenigstens auf 5 Jahre ein Grundstück pachtet, dessen Taxwert nicht unter 6000 Kronen steht, oder für ein jährliches Einkommen von wenigstens 800 Kronen an den Staat Steuern entrichtet. Die ganze Anzahl Wahlberechtigter betrug 1893: 298810 oder nahe 25 Proz. von der erwachsenen männlichen Bevölkerung des Landes. Die Zahl der Abgeordneten beträgt 230, davon entfallen 80 auf die Städte. Die Wahlen zur Zweiten Kammer, die vor Ende September jedes dritte Jahr vollständig erneuert wird, können auf dem Lande und in den städtischen Wahlkreisen, welche aus mehrern vereinigten Städten bestehen, durch Elektoren stattfinden. Direkte Wahl ist aber die Regel. Wählbar ist jeder unbescholtene Mann, der in einer Kommune des Wahlkreises, der ihn wählt, Stimmrecht hat und das Alter von 25 Jahren besitzt. Die Abgeordneten erhalten Diäten. Der König ernennt die Sprecher und Vicesprecher. Gehen die Beschlüsse der Kammer auseinander, so fällt die Sache, mit Ausnahme gewisser Angelegenheiten, nämlich Staatsausgaben, Bewilligungen, Angelegenheiten der Bank und des Reichsschuldencomptoirs. Über solche Angelegenheiten wird noch einmal in jeder Kammer abgestimmt, und diejenige Ansicht, welche in beiden Kammern die absolute Stimmenmehrheit erhält, gilt als Beschluß. Veränderungen in den Grundgesetzen können von dem bestehenden Reichstage nicht angenommen (wohl aber verworfen) werden, sondern ruhen so lange, bis neue Mitglieder zu der Zweiten Kammer gewählt worden sind, wo dann die Zustimmung beider Kammern und die Sanktion des Königs erforderlich ist. Der Reichstag verwaltet allein die Reichsbank und das Staatsschuldencomptoir, bestimmt die Abgaben und Steuern, ernennt in jedem dritten Jahre einen eigenen Ausschuß von 48 Mitgliedern, welcher ohne Untersuchung oder Diskussion votiert, ob alle Mitglieder des höchsten Tribunals ihre Pflicht erfüllt haben. Der Reichstag kann nicht nur die Ratgeber des Königs zur Verantwortung ziehen, sondern ernennt auch einen Justizsachwalter (Justitie-Ombudsman), der in der Zeit, wo der Reichstag nicht versammelt ist, die Freiheit des einzelnen schützt und die Beamten und Richter des Staates überwacht, auch an der Spitze eines Komitees von 6 Personen zum Schutz der Preßfreiheit steht.

In jeder Stadt und auf dem Lande in jeder Kommune besteht eine Kommunalverwaltung. Eigentümlich ist, daß in den kleinern Städten und auf dem Lande das kommunale Beschlußfassungsrecht nicht von den Repräsentanten, sondern in einer öffentlichen Volksversammlung ausgeübt wird, jedoch mit einem niedrigen Census und mit Berechnung der Stimmenanzahl in Proportion zur Steuerabgabe des Einzelnen. Auch gewisse Kategorien von Frauen haben in kommunalen Angelegenheiten Stimmrecht. Außerdem giebt es für jedes Län seit 1862 ein Landsting (ein Län, Kalmar, ist in zwei Landsting geteilt), dessen Mitglieder sich in der Länshauptstadt alljährlich im September versammeln, um über die besondern Angelegenheiten des Läns zu beraten und zu beschließen. Die Rechtspflege wird von unabsetzbaren Richtern ausgeübt. Die höchste Instanz bildet das höchste Tribunal des Königs (Konungens högsta Domstol). Appellationsgerichte oder oberste Gerichtshöfe in bürgerlichen Streitsachen bilden die Hofgerichte zu Stockholm, Jönköping und Kristianstad. Unter diesen stehen als unterste Instanzen in den Städten die Rathaus- und auf dem Lande die Häradsgerichte. Für die letztern ist in jedem Gerichtssprengel (Domsaga) ein Richter (Häradshöfding) angestellt, welcher zu bestimmten Zeiten in den Orten (Tingställen) seines Sprengels Gericht (Ting) hält, dem 12 von den Einwohnern des Sprengels ge-^[folgende Seite]