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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ultramontanismus – Ülzen

Thonerde (23‒29 Proz.), Natron (18‒21 Proz.) und Schwefel (8‒13 Proz.). Es ist ein lasurblaues, licht- und seifenechtes Pulver, das von alkalischen Laugen nicht angegriffen wird, jedoch durch Säuren, selbst durch sauer reagierende Salze, wie z. B. durch Alaunlösung, unter Entwicklung von Schwefelwasserstoffes sich entfärbt. Das U. hat als blaue Farbe, weil ihr alle giftigen Eigenschaften abgehen, die Smalte und ähnliche Kobaltfarben fast gänzlich verdrängt. Durch die neuen billigen und säurebeständigen Anilinfarbstoffe hat jedoch der Verbrauch in jüngster Zeit bedeutend abgenommen. Es dient außer als Öl- und Wasserfarbe besonders zum Malen und Tünchen auf Kalkgrund, zum Tapetendruck, in der Buntpapierfabrikation, zum Druck auf Leinwand und Kattun, in der Buchdruckerei und in der Lithographie. Ein großer Teil des U. wird ferner angewendet, um an sich gelbliche Stoffe dem Auge rein weiß erscheinen zu lassen; so bläut man unter anderm die Leinwand, die Papiermasse, die Wäsche, die Stärke und endlich auch den Zucker. Das grüne U., ein glanzloses Pulver, findet namentlich als ordinäre Tüncher-, seltener als Tapetenfarbe Anwendung. Durch Überleiten von Chlorgas in überhitztem Ultramarinblau erhält man einen braunroten Körper, der durch Behandlung mit Wasser violettes U. liefert.

Es kostete 1829 ein Kilogramm U. 480 M.; 1872 war der Preis für 100 kg nur noch 65 M., 1895 ist er auf 58 M. gesunken. Die Jahresproduktion der vereinigten deutschen Ultramarinfabriken hat den Wert von 4 bis 5 Mill. M. 1894 erreichte die deutsche Ausfuhr (vorwiegend nach England und Nordamerika) den Wert von 2,1 Mill. M., die Einfuhr nur 32000 M. Die Gesamtproduktion Deutschlands betrug 1895: 6500000 kg. Die chem. Konstitution des U. ist, obgleich in neuerer Zeit namhafte Chemiker mit dieser Frage sich befaßten, noch nicht absolut festgestellt. – Gelbes U. ist Baryumchromat (s. d.). – Vgl. Lichtenberger, Die Ultramarinfabrikation (Weim. 1865); Fürstenau, Die Ultramarinfabrikation (Coburg 1864); Reinh. Hoffmann, Die Entwicklung der Ultramarinfabrikation (Braunschw. 1875); Rob. Heinze, Beitrag zur Ultramarinfabrikation (Dresd. 1879).

Ultramontanismus (lat.), diejenige Richtung in der kath. Kirche, die, mit dem Papstsystem Ernst machend, für die mittelalterlichen Ansprüche der Römischen Kurie, wie sie Gregor Ⅶ. und Bonifacius Ⅷ. vertraten, einsteht, also für unbedingte Wiederherstellung der absoluten Papstgewalt über die Gewissen, über Fürsten und Staaten, über die ganze Welt. Der Name kommt daher, daß der U. seinen höchsten Herrn in Rom, jenseit der Berge (ultra montes) sieht. Am entschiedensten und geschicktesten wird er durch den Jesuitenorden vertreten. Da er alle innerkirchliche Gewalt im Papst konzentriert, kann er weder das Ansehen der Konzilien, noch die Selbständigkeit der Bischöfe bestehen lassen und sieht in jeder nationalkirchlichen Bestrebung ein Verbrechen. Dem Protestantismus ist er todfeind, ebenso dem Gallikanismus, Josephinismus und Febronianismus, sowie dem Episkopalismus. Der U. ist seit der Restaurationszeit aus Frankreich nach Deutschland gekommen und hier erstarkt. Durch den Kulturkampf hat er eine gewisse volkstümliche Kraft gewonnen und zur Bildung einer großen parlamentarischen Partei geführt (s. Centrum). Auch in den Parlamenten anderer Länder giebt es ultramontane Parteigruppen, so in Frankreich die Konstitutionelle Rechte (s. d.); in Österreich bilden die Klerikalen einen Bestandteil des Hohenwart-Klubs (s. d.); in Ungarn hat sich eine ultramontane Volkspartei zum Widerstand gegen die liberale kirchenpolit. Gesetzgebung, namentlich gegen die Civilehe organisiert; in Belgien (s. d.) bilden die Ultramontanen seit lange die herrschende Partei. – Vgl. Nielsen, Aus dem innern Leben der kath. Kirche im 19. Jahrh., Tl. 1 (Karlsr. 1882); Nippold, Handbuch der neuesten Kirchengeschichte (3. Aufl., 3 Bde., Elberf. 1883‒96).

Ultra posse nemo obligātur (lat.), «Über das Können hinaus ist niemand verpflichtet», die Umformung eines Rechtssatzes des jüngern Celsus (um 100 n. Chr.): «Impossibilium nulla obligatio est» («Für unmögliche Dinge giebt es keine Verpflichtung»).

Ultrarote und ultraviolette Strahlen, s. Spektrum.

Ulu Dschüz, die Große Horde der Kirgisen (s. d.)

Ulula lapponica, s. Bartkauz.

Ululīnae, Käuze, s. Eulen (Raubvögel).

Ulunda, Land in Afrika, s. Lunda.

Ulungu, Landschaft in Afrika, s. Urungu.

Ulva L., Algengattung aus der Gruppe der Chlorophyceen (s. d.) mit gegen 10 Arten, besonders in den europ. Meeren, grün gefärbte Algen mit ausgebreitetem, mannigfach gefaltetem, blattartigem Thallus. Die bekannteste Art ist der Meerlattich, U. lactua L., die oft in großen Mengen an der Küste ausgeworfen wird und in manchen Gegenden, z. B. in England, bei den Bewohnern der Küsten als Nahrungsmittel Verwendung findet; ebenso die in der Ostsee und im Adriatischen Meere vorkommende U. latissimia Ktz. (s. Tafel: Algen Ⅰ, Fig. 12).

Ulverston (spr. öllwĕrst’n), Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire, an der Morecambebai, Station der Furneßbahn (Carnforth-Whitehaven), welche hier nach dem Windermere abzweigt, hat (1891) 9948 E., Lateinschule; Roteisengruben, Wollspinnerei, Baumwollweberei, Schiffbau und Handel.

Ulwar (Ulwur), ostind. Staat, s. Alwar.

Ulybyschew, Alexander, nach franz. Schreibweise Oulibicheff, Musikkritiker, geb. 1791 im Gouvernement Nishnij Nowgorod, studierte auf deutschen Hochschulen und war bis 1831 beim russ. Ministerium des Auswärtigen im Dienst. Darauf widmete er sich ganz musikalischen Studien, namentlich war Mozart der Gegenstand seiner enthusiastischen Verehrung, über den er u. d. T. «Nouvelle biographie de Mozart, suivie d’un aperçu sur l’histoire générale de la musique et de l’analyse des principales œuvres de Mozart» (3 Bde., Mosk. 1843) ein ausführliches Werk veröffentlichte. Diese Arbeit wurde fast in alle europ. Sprachen übersetzt (deutsch Stuttg. 1847; 2. Aufl., 4 Bde., 1858‒59) und machte U. als Kunstkritiker in den weitesten Kreisen bekannt. Weniger Anklang fand «Beethoven, ses critiques et ses glossateurs» (Lpz. 1857; deutsch von Bischoff, ebd. 1859). U. starb 5. Febr. 1858 auf seinem Landsitz bei Nishnij Nowgorod.

Ulysses, Nebenform für Ulixes (s. Odysseus).

Ulyssipona, alter Name von Lissabon (s. d.).

Ülzen, Uelzen. 1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Lüneburg, hat 1446,53 qkm und (1895) 46355 E., 2 Städte, 218 Landgemeinden und 15 Gutsbezirke. Sitz des Landratsamtes ist Oldenstadt. – 2) Stadt im Kreis Ü., in der Lüneburger Heide, an der Ilmenau und den Linien Stendal-Ü.-Bremen und Hamburg-Ü.-Hannover der Preuß. Staats-^[folgende Seite]