Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

70

Ungarische Nationalpartei - Ungarische Volkspartei

Dux, Aus Ungarn (Lpz. 1880); Schwicker, Geschichte der U. L. (ebd. 1889); Neményi, Das moderne Ungarn (Berl. 1883).

Ungarische Nationalpartei, s. Nationalpartei, Ungarische (Bd. 17).

Ungarische Schweiz, Ungarisches Erzgebirge, s. Karpaten.

Ungarisches Gelbholz, s. Fisetholz.

Ungarische Sprache. Die Sprache der Ungarn oder Magyaren (s. d.) gehört der ugrofinnischen oder finnisch-ugrischen Sprachfamilie an (s. Finnen); die nächsten Verwandten der U. S. sind Wogulisch und Ostjakisch. Teils noch, als sie mit den letztern gemeinsam lebte, teils bald nach der Trennung von ihnen nahm die U. S. eine ziemliche Anzahl ind. und iran. Ausdrücke auf, dann brachten türk. Stämme, die sich in Südrußland mit den Ungarn vereinigten, eine Menge türk. Wörter mit sich; geringer sind die später eingebürgerten türk. Elemente, die in Ungarn von den eingewanderten (aber gänzlich magyarisierten) Kumanen und den osman. Eroberern zurückblieben. Nachdem die Magyaren am Ende des 9. Jahrh. Pannonien und Dacien erobert hatten, nahm ihre Sprache noch sehr viele slaw., deutsche, ital., lat. Elemente an. Das älteste zusammenhängende Sprachdenkmal ist die "Leichenrede" aus dem ersten Drittel des 13. Jahrh. Dann folgen zu Anfang des 14. Jahrh. die kürzern "Königsberger Fragmente" (in der Bibliothek in Königsberg i. Pr.) und zwei reichhaltige Glossare aus dem Anfang des 15. Jahrh.; 1450-1530 ist das Zeitalter der Codices; die wichtigern sind: aus dem 15. Jahrh. der Ehrenfeld-Codex (in Wien; Legende des heil. Franz von Assisi), Wiener, Münchener und Apor-Codex (zusammengehörende Teile der ältesten Bibelübersetzung), Festetich-Codex (Psalmen) u. s. w.; aus dem 16. Jahrh. der Döbrentei-Codex (Psalmen), Keszthelyer und Kulcsár-Codex (ebenfalls), Margareten-Legende, Jordánszky-Codex (zweite Bibelübersetzung), Erdy-Codex (Episteln und Legenden), Ersekujvárer Codex (unter anderm eine vollständige Katharinen-Legende in Versen). Um 1530 beginnt eine reichhaltige gedruckte Litteratur, besonders durch die Reformation genährt. Die Litteratursprache setzt sich aber erst nach 1600 fest, besonders durch den Einfluß des Primas Pázmány, erfährt aber eine beträchtliche Änderung zu Anfang des 19. Jahrh. durch die sog. "Sprachneuerung", die zum Teil übers Ziel schoß und in neuerer Zeit durch die "Orthologie" eine Korrektur erhielt. - Von der Litteratursprache und voneinander scheiden sich die Dialekte nicht sehr stark, aber deutlich genug. Es werden acht Dialektgebiete unterschieden: das westliche, das jenseit der Donau, das Alfölder, das Donau-Theißgebiet, das nordwestliche (die Palóczen-Dialekte), das nordöstliche, das jenseit des Königsteigs (Királyhágó) und die Székler-Dialekte.

Charakteristisch für die Lautgestalt der Sprache ist der harmonisch entwickelte Vokalismus. Die sog. Vokalharmonie (s. d.) hat die U. S. mit den meisten ugrischen (und türk.) Sprachen gemein. Der Konsonantismus ist reicher als im Finnischen, da zur Tenuis immer die betreffenden Media und auch sehr viele Zischlaute vorhanden sind (š, ž, č, geschrieben s, zs, cs u. s. w.). Der Anlaut der ursprünglich ungar. Wörter duldet nur einen Konsonanten, daher Fremdwörtern oft ein Vokal vorgesetzt oder eingeschaltet wird, z. B. Strang: istráng, Grosch(en): garas. Der Accent ruht konsequent auf der ersten Silbe der Wörter. Das grammatische Geschlecht fehlt, wie allgemein in den uralaltaischen Sprachen. Die Wortformen werden immer durch Suffixe, nie durch Präfixe gebildet. Die Suffixe sind beim Nomen sehr zahlreich und vertreten die Kasusendungen und Präpositionen der indogerman. Sprachen; die Präpositionen werden aber auch sehr häufig durch Postpositionen vertreten. Die reichste Entwicklung findet sich im Verbum. Die Verbalstämme nehmen mittels sehr verschiedener Stammbildungssuffixe verschiedene Bedeutungsnuancen an, so daß z. B. aus den meisten Zeitwörtern ein Faktitivum, Iterativum, Reflexivum, Passivum, aus manchen auch ein Momentaneum, aus allen aber ein Verbum potentiale (z. B. ir: er schreibt, irhat: er kann schreiben) gebildet wird. Charakteristisch ist die doppelte Konjugation des Zeitworts. Es giebt nämlich eine bloß subjektive Konjugation (deren Personalendungen das Subjekt andeuten, wie in den meisten Sprachen), und eine objektive, die vor den Subjektivsuffixen auch einen Exponenten des Objekts enthalten. Z. B. "ich sehe" heißt lát-ok, "ich sehe dich" heißt lát-l-ak (hier bedeutet das l die zweite Person als Objekt); lát-tok heißt "ihr sehet", lát-já-tok heißt "ihr sehet ihn oder es" (já oder ja bedeutet die dritte Person als Objekt).

Die Litteratur über die U. S. ist ziemlich reich. Sajnovits (in seiner "Demonstratio idioma Ungarorum et Lapponum idem esse", Tyrnau 1777) und Gyarmathi (in seiner "Affinitas linguae hungaricae cum linguis fennicae origines grammatice demonstrata", Gött. 1799) haben schon vor Bopp richtige Ideen über Sprachverwandtschaft entwickelt, und vor Jakob Grimm handhabte Nikolaus Révai die sprachgeschichtliche Methode in seiner "Grammatica elaboratior" (2 Bde., 1803-6) und in seinen "Antiquitates literaturae Hungaricae" (1803). Die sprachhistor. Forschungen wurden in neuerer Zeit besonders von Szarvas, Siegm. Simonyi, Volf und Zolnai, die sprachvergleichenden von Paul Hunfalvy, Budenz, Riedl, Munkácsi, Halász, Szilasi, Szinnyei fortgesetzt. Außer den Werken von Joseph Budenz (s. d.) sind die wichtigern neuern Werke: Szarvas und Simonyi, Lexicon linguae hungaricae aevi antiquioris (Budapest 1888-93); Simonyi und Balassa, Ausführliche ungar. Sprachlehre (ungarisch, Tl. 1, ebd. 1895); Szinnyei, Magyar Tájszótár (Dialektwörterbuch, ebd. 1893-96); Nyelvemléktár ("Ungar. Sprachdenkmäler", hg. von Volf, 14 Bde., ebd. 1872-93); Zolnai, Sprachdenkmäler bis zum Zeitalter des Buchdrucks (ungarisch, Bd. 1, ebd. 1895). Ferner sind zu nennen die Zeitschriften: Magyar Nyelvör ("Ungar. Sprachwart", 1871 fg.) und Nyelvtudományi Közlemények ("Sprachwissenschaftliche Mitteilungen", 1870 fg.). Hilfsmittel in deutscher Sprache zum Erlernen des Ungarischen sind: Riedl, Magyar. Grammatik (Wien 1858, die einzige wissenschaftliche Grammatik in deutscher Sprache, aber in mancher Hinsicht veraltet), ferner praktische kleinere Grammatiken von Karl Ballagi, Töpler u. s. w. Das bekannteste ungar.-deutsche Wörterbuch ist das von Ballagi. Vgl. ferner noch: Ungarische und deutsche Redensarten von Simonyi (Budapest 1895).

Ungarische Staatsbahnen, s. Österreichisch-Ungarische Eisenbahnen.

Ungarische Südostbahn, s. Marosthalbahn (Bd. 17).

Ungarische Unabhängigkeitspartei, s. Unabhängigkeitspartei (Bd. 17).

Ungarische Volkspartei, s. Katholische Volkspartei (Bd. 17).