Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

354

Virginal - Virginische Inseln

Virginal, auch Dietrichs Drachenkämpfe, Dietrich und seine Gesellen oder Dietrichs erste Ausfahrt genannt, Dichtung der deutschen Heldensage im Berner Ton, die, um 1250 entstanden, viele Umarbeitungen durchzumachen hatte. Sie erzählt die ersten Abenteuer des jungen unerfahrenen Dietrich, eine wüste Abenteuermasse, die von den höfischen Romanen unerfreulich beeinflußt ist. Neueste Ausgabe von Zupitza im "Deutschen Heldenbuch", Bd. 5 (Berl. 1870).

Virginal, Musikinstrument, s. Spinett.

Virgines ecclesiasticae oder Virgines canonĭcae (lat.), Jungfrauen, die den Schleier nahmen, aber in ihren Familien lebten und nur Ehelosigkeit versprachen; im Falle der Verarmung wurden sie aus dem Kirchenvermögen erhalten.

Virginia, der 50. Planetoid.

Virginia (spr. wördschinnĭĕ), einer der Staaten der nordamerik. Union, zwischen 36° 31' und 39° 27' nördl. Br. und 75° 13' und 83° 37' westl. L., grenzt im N. an Westvirginia und Maryland, im O. an Maryland und den Atlantischen Ocean, im S. an Nordcarolina und Tennessee und im W. an Kentucky und Westvirginia (s. Karte: Vereinigte Staaten von Amerika III. Östlicher Teil), umfaßt 109 940 qkm, zählte 1790: 747 610, 1880: 1 512 565 E., 1890: 1 655 980 (824 278, männl., 831 702 weibl.) E., d. i. 15 E. auf 1 qkm, darunter 635 438 Farbige und 18 189 im Ausland (4361 in Deutschland, 4578 in Irland, 3355 in England) Geborene. Anfang 1897 schätzte man die Einwohnerzahl auf 1 750 000. Das quarternäre, niedrige Küstengebiet mit zahlreichen Sümpfen und Fichtenwaldungen dehnt sich etwa 200 km landeinwärts bis zu den untern Fällen der Flüsse. Hierauf folgt das Hügelland (Tertiär und Kreide) und im Westen durchziehen die Alleghanies, namentlich die Blue Ridge, den Staat. Hier befinden sich viele schöne Landschaften, Naturmerkwürdigteiten und Mineralquellen, und das Klima ist gesünder als an der Küste. Die bedeutendsten Flüsse sind Potomac mit dem Shenandoah, James-River mit dem Appomattox, Rappahannock, York und Roanoke. Der Haupterwerbszweig ist der Ackerbau. 1895 wurden 32 Mill. Bushel Mais, 6,5 Mill. Bushel Weizen, 8 Mill. Bushel Hafer, 3 Mill. Bushel Kartoffeln, 774 000 t Heu gewonnen. Die Tabakernte ergab 1893: 68, 1894: 36 Mill. Pfund. In der Küstenregion ist der Anbau von Gemüsen und Erdeicheln (peanuts), in der gebirgigen Region auch die Viehzucht und der Bergbau von Bedeutung. 1895 lieferte V. 712 000 t Eisenerze (Brauneisenstein), für 870 000 Doll. (1368 000 t) Kohlen, 244 000 t Koks, Kalkstein, Granit, Manganerz und etwas Gold. V. enthält auch Zinnerze. Die Wälder gewähren noch einen beträchtlichen Ertrag. In der Industrie nehmen Tabaksfabriken und Getreidemühlen, ferner Sägemühlen den ersten Rang ein. Der Census von 1890 zählte 5915 industrielle Etablissements, die 59 591 Leute beschäftigten. Der Wert der Rohmaterialien betrug 50 Mill. Doll., der Fabrikate 88 Mill. Doll.; davon entfielen 12 Mill. auf Mehle, 12 Mill. auf Kau-, Rauch- und Schnupftabak, 6 Mill. auf Blättertabakbehandlung, 4 Mill. auf Cigarren und Cigaretten und 5 Mill. auf Sägemühlprodukte. 1893 war die Länge der Bahnen 6216 km. Die 6035 öffentlichen Schulen für Weiße wurden 1895 von 235 000, die 2243 für Farbige von 120 000 Kindern besucht. Eine Universität ist in Charlottesville. V. ist in 100 Counties geteilt; Hauptstadt ist Richmond, wichtig sind noch Norfolk, Petersburg, Lynchburg und Roanoke. Der Gouverneur und die 40 Senatoren werden auf 4, die 100 Repräsentanten auf 2 Jahre gewählt. Zum Kongreß sendet V. 2 Senatoren und 10 Repräsentanten. Seit 1893 befindet sich die Staatsschuld (26,5, Mill. Doll.) in einem Zustande der Ordnung.

V. war die älteste und lange Zeit hindurch die wichtigste europ. Kolonie in Nordamerika. Das Land wurde von Sir Walter Raleigh (s. d.) 1584 zuerst besucht, der es zu Ehren der jungfräulichen Königin Elisabeth V. nannte. 1606 erhielten zwei Gesellschaften, die London- und die Plymouthcompagnie, Freibriefe für das Land, von denen die erstere 1607 Jamestown gründete. Die Kolonie blühte schnell auf, und 1619 erhielt sie eine Volksvertretung. 1624 wurde V. in eine Kronkolonie umgewandelt. Dies blieb sie bis zum Beginn des Unabhängigkeitskrieges 1775, an dem sie den thätigsten Anteil nahm. V. gab sich 1776 seine erste Verfassung, die bis 1830 in Wirksamkeit blieb, worauf bis 1851 wiederholte Veränderungen eintraten. Beim Beginn der Secession suchte V. anfangs zu vermitteln, bis es sich 23. Mai 1861 doch den Konföderierten Staaten anschloß, deren Hauptstadt Richmond wurde, mit dessen Einnahme (Mai 1865) der Kampf beendigt war. Der westl. Teil V.s war der Union treu geblieben und hatte sich schon Juni 1861 als Westvirginia (s. d.) von dem Mutterlande getrennt. Nach Beendigung des Krieges gab sich V. 1870 eine neue Verfassung. - Vgl. J. E. Cooke, Virginia (Bost. 1883); Handbook of Virginia (Richmond 1893); Bruce, Economic history of V. in the 17th century (2 Bde., Lond. 1896).

Virginia, nach der röm. Sage die Tochter des röm. Plebejers Virginius. Sie wurde von ihrem Vater getötet, als ihre Jungfräulichkeit durch den Decemvir Appius Claudius (s. d.) bedroht war.

Virginia City (spr. wördschínnĭĕ ßitti), Hauptort des County Storey im nordamerik. Staate Nevada, liegt im Washoegebirge, am Abhange des Mount-Davidson (2385 m) und ist mit der nahen Carson-Colorado-Bahn durch eine Zweigstrecke verbunden. Nach Entdeckung und Ausbeutung der reichen Silberminen blühte der Ort rasch auf, ging aber bald wieder zurück und zählt (1890) 8511 E.

Virginische Inseln oder Jungferninseln (engl. Virgin Islands; frz. Iles-Vierges; span. Islas Virgineas), Gruppe von nahezu 100 Eilanden in Westindien, östlich von Portoriko, die 1494 von Columbus entdeckt und von diesem nach den 11 000 Jungfrauen, nach anderer Angabe erst von Sir Fr. Drake (1580) zu Ehren seiner jungfräulichen Königin Elisabeth benannt wurde. (S. Karte: Antillen.) Nur etwa der vierte Teil ist bewohnt und in Kultur genommen; die übrigen sind felsig, wasserarm und unergiebig. Die V. I. bestehen aus einer südl. Zone von alten Eruptivgesteinen und Serpentin und einer nördlichen von Kreidekalken. Das Areal der wirklich kolonisierten wird auf 693,7 qkm, ihre Bevölkerung auf 39 050 Seelen angegeben. Sie liefern zur Ausfuhr Zucker, Melasse, Rum, Indigo, Salz, Baumwolle, Tabak, Gelbholz, Piment und Ingwer. Die Wälder enthalten nützliche Bäume. Eine Fülle von Guineagras bietet gute Weide, und die Küsten sind fischreich. Das Klima ist veränderlich. Es giebt zwei nasse und zwei trockne Jahreszeiten. Erdbeben sind nicht selten sowie furchtbare Orkane. Der westl. Teil gehört den Spaniern, der