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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wichern; Wichert

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Wichern - Wichert

und Elementarschulen. Das Län zerfallt in 9 Kreise: Stranda (Ranta), Äyräpää, Kexholm, Kronoberg, Kymmene, Lappvesi, Salmis, Serdobolsk und Jääski. – 2) W., unrichtig Viborg, russ. Wyborg, finn. Wiipuri, Hauptstadt des Läns W. und Hafenstadt an der Mündung des Saimakanals in die Wiborgsche Bucht des Finnischen Meerbusens und an den Linien Petersburg-Helsingfors und W.-Serdobolsk-Joensu der Finn. Eisenbahnen, im Westen und Osten befestigt, Sitz eines Hofgerichts, hat (1894) 21868 E., drei russ., zwei evang., eine kath. Kirche, russ. Realschule, russ. Mädchengymnasium, ein schwed., ein finn. Lyceum, finn. Handwerker- und Sonntagsschule, Handelsschule, schwed.-finn. Navigationsschule, die Nordische Aktienbank für Handel und Industrie mit 21 Filialen in Finland, Telephonleitung, bedeutenden eigenen und Transithandel mit Holz, Butter, Eisen u. s. w.; in der Nähe viele Villen und die Parkanlagen von Monrepos. Die Bucht von W. dringt tief ins Land ein. 12 km südlich von der Stadt liegt die Reede von Trångsund, der Außenhafen von W. Er ist von der Seeseite durch eine Reihe malerischer Inseln geschützt, stark befestigt und dient als Sommerstation der russischen baltischen Flotte. In W. betrug die Einfuhr (1895) 17,78, die Ausfuhr 13,02 Mill. finn. Mark; im Hafen verkehrten 583 Dampfer und 912 Segelschiffe. Dampfschiffahrtverbindung besteht mit Petersburg, Helsingfors und mit dem Saimasee. W. wurde 1293 als schwed. Grenzfestung gegen Rußland errichtet, 1710 von den Russen erobert. Am 3. Juli 1793 schlug sich die hier von der russ. Flotte eingeschlossene schwed. Flotte mit großen Verlusten durch.

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Wichern, Joh. Hinrich, der Begründer der Innern Mission (s. d.) in Deutschland, geb. 21. April 1808 zu Hamburg, studierte in Göttingen und Berlin Theologie und übernahm 1832 in Hamburg die Leitung einer Sonntagsschule. 1833 begründete er das Rauhe Haus (s. d.) zu Horn bei Hamburg. Auf seine Anregung bildete sich 1848 der Centralausschuß für Innere Mission. 1849 betraute die preuß. Regierung W. mit der Regulierung der Angelegenheiten der 10000 oberschles. Typhuswaisen, 1851 mit einer Revision der Zucht- und Gefangenenhäuser, die besonders die Durchführung der Einzelhaft zur Folge hatte. 1857 wurde W. zum Oberkonsistorialrat und Mitglied des Oberkirchenrats sowie zum vortragenden Rat für Gefängnis- und Armenwesen im Ministerium des Innern ernannt. Deshalb wechselte sein Wohnsitz halbjährlich zwischen Hamburg und Berlin. In Berlin begründete er 1858 das Johannesstift, von dem die Stadtmissionen (s. d.) ausgingen; in den Kriegen leitete W. die Felddiakonie (s. d.). Ostern 1872 legte er sein Amt in Berlin nieder, 1873 trat er krankheitshalber die Leitung des Rauhen Hauses an seinen Sohn Johannes ab. W. starb 7. April 1881 in Hamburg. Er schrieb: «Die Innere Mission der deutschen evang. Kirche» (Hamb. 1849; 3. Aufl. 1889); seit 1844 gab W. die «Fliegenden Blätter aus dem Rauhen Hause» heraus. Von W.s Vorträgen und Abhandlungen erschien Abteilung 1 (Hamb. 1892). – Vgl. Oldenberg, J. H. W., sein Leben und Wirken (2 Bde., Hamb. 1884‒86).

Sein Sohn Johannes W., geb. 23. Sept. 1845 im Rauhen Hause, studierte Theologie zu Halle, Tübingen und Berlin, leitete einige Zeit die deutsche Schule auf dem Kapitol in Rom, wurde Domhilfsprediger in Berlin und 1. April 1873 als Nachfolger seines Vaters Direktor des Rauhen Hauses. Die 1886 zuerst von ihm veranstalteten Informationskurse für Theologen über die verschiedenen Gebiete der Innern Mission sind in den meisten preuß. Provinzen stehende Einrichtungen geworden. Im gleichen Jahre gründete er im Auftrage des Zentralkomitees der deutschen Vereine vom Roten Kreuz die «Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege». W. schrieb: «Das Rauhe Haus und die Arbeitsfelder der Brüder des Rauhen Hauses 1833 bis 1883, eine Jubelgabe» (Hamb. 1883), «Die freiwillige Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger durch die deutschen Vereine vom Roten Kreuz» (ebd. 1887), «Die Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege» (Berl. 1890), «Dr. J. H. W. und die Brüderanstalt des Rauhen Hauses» (Hamb. 1892).

Wichert, Ernst, Schriftsteller, geb. 11. März 1831 zu Insterburg in Ostpreußen, studierte in Königsberg Geschichte und Philosophie, später die Rechte. 1860 wurde er Kreisrichter zu Prökuls an der russ. Grenze, sammelte hier den Stoff zu seinen litauischen Geschichten und begann den auf diesem Boden spielenden Roman «Aus anständiger Familie» (3 Bde., Berl. 1866). 1863 wurde er Stadtrichter in Königsberg, 1877 Obergerichtsrat daselbst, 1888 Kammergerichtsrat in Berlin; 1890 trat er in den Ruhestand. Als Dramatiker trat W. zunächst auf mit dem vaterländischen Schauspiel «Unser General Yorck» (Berl. 1858); diesem folgte das Schauspiel «Licht und Schatten» (ebd. 1861) und «Der Withing (Fürst) von Samland» (ebd. 1860). Das kleine Lustspiel «Ihr Taufschein» (Berl. 1864) öffnete ihm die Pforten des Berliner Schauspielhauses und fand auch sonst Beachtung, wie auch das 1866 verfaßte «In Feindes Land». Das Lustspiel «Der Narr des Glücks» erhielt 1869 einen vom Wiener Burgtheater ausgesetzten Preis und wendete ihm die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums zu, die sich durch den bedeutenden Erfolg seines Lustspiels «Ein Schritt vom Wege» (Berl. 1871) steigerte. Auch W.s Lustspiele «Biegen oder brechen», «Die Realisten», «Der Freund des Fürsten», «Der geheime Sekretär», «Als Verlobte empfehlen sich», «Post festum», das Charakterbild «Das eiserne Kreuz», das Dramolet «Die gnädige Frau von Paretz» (Königin Luise), das Schauspiel «Die Fabrik zu Niederbronn» u. a. haben sich zum Teil auf dem Repertoire erhalten. Zu erwähnen sind noch von seinen Dramen: «Aus eigenem Recht» (Lpz. 1894; auch in Reclams «Universalbibliothek»; umgearbeitet aus dem vor 24 Jahren entstandenen Schauspiel «Kurfürst und Schöppenmeister») und «Im Dienst der Pflicht» (Dresd. 1890). Außerdem schrieb er eine größere Zahl von Novellen (unter verschiedenen Titeln gesammelt: «Litauische Geschichten», 1881; «Litauische Geschichten. Neue Folge», 1889; «Von der deutschen Nordostmark», Lpz. 1885 u. s. w.) und die Romane «Ein häßlicher Mensch» (2 Bde., Berl. 1868), «Hinter den Coulissen» (3 Bde., ebd. 1872), «Das grüne Thor» (3 Bde., Jena 1875), «Ein starkes Herz» (3 Bde., ebd. 1878), «Die Arbeiter» (Bielef. 1873), «Suum cuique» (Lpz. 1888), «Der jüngste Bruder.