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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schutzmittel
In dem letztgenannten Falle kommt nun aber
außer der Herabminderung der Verdunstung auch
die Verhütung einer allzustarken Beleuchtung in
Betracht. Denn wenn auch das Licht zur Entwick-
lung und Funktionierung der grünen Blatter not-
wendig ist, so ist doch auch hier ein Übermaß schäd-
lich, und es tritt bei Überschreitung eines für die
verschiedenen Pflanzen sehr verschiedenen Optimums
der Beleuchtung ein Erbleichen der Vlattflächen ein.
So sind denn auch, abgesehen von den Kompaß-
pflanzen, bei zahlreichen andern Gewächsen ^. gegen
allzustarke Beleuchtung zu beobachten. Vor allem
besitzen die besonders empfindlichen Organe der
Zelle, dieTräger des grünen Farbstoffes oder Chloro-
phyllkörper, die Fähigkeit, sich selbst durch ent-
sprechende Wanderungen gegen zu starkes Licht zu
schützen. Während dieselben nämlich bei der das
Optimum nicht überschreitenden Lichtstärke den senk-
recht zum Lichteinfall gestellten Wandungen an-
liegen, so daß sie das auffallende Licht möglichst
ausnutzen können, wandern sie bei zu starker Bc-
sonnung auf die der Richtung des einfallenden
Lichts parallel laufenden Wände, so daß sie dann,
wie die Blätter der Kompaßpflanze, nur im Profil
vom Lichte getroffen werden.
Von den S. gegen zu starken Wärmeverlust sind
die bei zahlreichen Gewächsen zu beobachtenden
Schlafbewegungen zu erwähnen. Sie finden
sich namentlich bei Pflanzen mit zusammengesetzten
Blättern und bestehen darin, daß die einzelnen
Blättchen, die am Tage weit ausgebreitet sind
(Fig. 3^), sich nachts zusammenfalten (Fig. 3d), fo
daß ein bedeutend geringerer Wärmeverlust durch
Ausstrahlung in die Atmosphäre stattfindet.
Sehr zahlreich und verschiedenartig sind ferner
die S., durch die die Pflanzen gegen die Angriffe
der Tiere geschützt werden. Ohne weiteres dürfte
eine folche Wirksamkeit bei den verschiedenartig ge-
stalteten Borsten, Dornen und Stacheln einleuchten,
und es würden z. B. viele fleischigen Kakteen ohne
ihren StachelpanZer sehr bald von den Nahrung
suchenden Tieren vollständig ausgerottet werden.
In gleicher Weise wirken speciell auch die bei ver-
schiedenen Pflanzen^unter den einheimischen nament-
lich bei der Brennnc^el, zu beobachtenden Vrennhaare
<s. Haare, Bd. 8) als Schutzmittel gegen Tierfrasi.
Von Stahl wurde aber in neuerer Zeit nachge-
wiesen, daß auch viele histologische Eigenschaften
der Pflanzen in der gleichen Weise als S. gegen die
Angriffe der gefräßigen Tierwelt aufzufassen sind.
So schützen die im Innern zahlreicher Gewächse zu
beobachtenden spitzen Nadeln von Calciumoralat die
betreffenden Pflanzen vollständig gegen Schnecken-
fraß, während Teile derselben, aus denen jene Na-
deln zuvor mit verdünnter Salzsäure herausgelöst
waren, begierig verzehrt wurden. In gleicher Weise
wirken auch zahlreiche giftige oder stark bitter
schmeckende Stoffe, die dann stets in den zunächst
von den Angriffen der Tierwelt bedrohten oberfläch-
lich gelegenen Zellschichten angehäuft sind.
Einen sehr wirksamen Schutz namentlich gegen
die in den tropischen Gegenden große Verwüstungen
anrichtenden Vlattschneideameisen (s. Pilzgärten)
besitzen ferner die sog. Ameisenpflanzen (s. d., Bd. 1),
insofern die sie bewohnenden Ameisen, die selbst die
betreffenden Pflanzen in keiner Weise schädigen,
ihre verwandten, blattschneidenden Arten fern halten.
Ganz besonders sind nun aber bei zahlreichen
Arten speciell die Blüten gegen die Angriffe der
Tiere geschützt. Allerdings spielen ja namentlich die
Insekten bei der Übertragung des Pollens auf die
Narbe eine große Rolle, und es sind auch zahlreiche
Blüten gerade umgekehrt mit Anlockungsmitteln
für die die Bestäubung bewirkenden Insekten ver-
sehen. Auf der andern Seite sind aber doch nur
ganz bestimmte Insekten durch ihre Körperdimen-
sioncn dazu befähigt, den Pollen richtig auf die
Narbe zu übertragen, während andere Arten, die in-
folge abweichenden Körperbaues hierzu nicht geeig-
net sind, durch nutzlose Vertilgung des als Haupt-
anlockungsmittel dienenden Nektars den Besuch der
specifischen Pollenüberträger beeinträchtigen würden.
Besonders werden aber die flügellosen Insekten, die
natürlich nicht im stände sind, schnell von Blüte zu
Blüte zu eilen und so den Pollen frisch und unver-
sehrt auf die Narbe einer andern Blüte zu beför-
dern, durch sehr verschiedenartige S. fern gehalten.
Bei 8i1i)1iwm porfoli^wm ^. geschieht dies in der
Weise, das; die an ihrer Basis vollständig miteinan-
der verwachsenen Blätter Wasserbecken (>vin Fig. 7)
bilden, durch die die einzelnen Internodien an ihrem
Grunde gleichsam von Wassergräben umgeben sind,
die ein für am Stengel emporkriechende Insekten
unüberwindliches Hindernis darstellen. Bei 8ii6nft
ai-nieria ^. (Fig. 5) werden ferner die an den
Stengeln emporkricchenden unberufenen Gäste durch
die klebrigen Ausscheidungen an der Hauptachse der
Blutenstände wie von Leimruten festgehalten.
Schließlich finden sich nun aber an den Blüten
noch zahlreiche S., die dazu dienen, den Pollen
gegen Benetzung zu schützen. Bei einer großen
Anzahl von Pflanzen sind nämlich die Pollenkörner
gegen die Berührung mit reinem Wasser sehr em-
pfindlich und platzen fast augenblicklich, wenn sie
z. B. von einem Regentropfen getroffen werden,
während sie in der zuckerreichen Ausscheidung der
Narbe zu den in den Griffel eindringenden Pollen-
schläuchenauswachsen. Derartig empfindliche Pollen-
körncr werden nun sehr häufig einfach durch die Ge-
stalt der Blütenhülle vor der Benetzung durch Regen-
tropfen gefchützt. Dies ist z. B. der Fall bei den
Blüten der Maiglöckchen, deren glockenförmiges
Perigon bekanntlich die Antheren vollständig ein-
hüllt. Bei zahlreichen Gewächsen kann aber auch
der Pollenschutz dadurch hervorgebracht werden, daß
dieselben nur bei heiterm Wetter, wenn keine Be-
netzung durch Regen zu befürchten ist, ihre Blüten
öffnen, wie bei vinioi-pliotiic;^ pluviaiig ^., deren
Blütenköpfe fich nur bei Sonnenschein entfalten
(Fig. 8 a), während bei trübem Wetter die Rand-
blüten sich so zusammenschließen (Fig. 8d), daß die
Pollenkörner vor Benetzung geschützt sind. In.
andern Füllen wird schließlich auch durch die Stel-
lung der Blüten ein Pollenschutz bewirkt, so z.B.
bei <36riiiiiuin p^ronHicuin ^>., deren Blüten bei
Sonnenschein (Fig. tta) gerade emporgerichtet sind,
so daß sie den die Bestäubung bewirkenden Insekten
möglichst in die Augen fallen; bei trübem Wetter
(Fig. 6d) krümmen sich diefelben aber nach abwärts,
und es bilden dann die Kelch- und Blumenblätter
ein schützendes Dach für die gegen Venetzung
empfindlichen Pollenkörner.
Vgl. Kcrner von Marilaun, Pflanzenleben (Lpz.
1888-91); Stahl, Pflanzen und Schnecken (Jena
1888); Schimper, Wechselbeziehungen zwischen
Pflanzen und Ameisen (ebd. 1888).
2) Tiere. Das einfachste S. der Tiere ist die
größere Körperkraft, mittels der ein Tier sich seine