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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

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Baumwolle

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Baumwolle'

oder erkünstelte ist. Man wendet sich dort in neuerer Zeit mehr dem Anbau von Esparto-Gras (Alfa) zu. In Australien sollen sich Boden und Klima vortrefflich zum Anbau eignen, aber noch hört man nichts von namhaften Ausfuhren; die dort viel zu hoch stehenden Arbeitslöhne werden eine günstige Rechnung nicht zulassen. Somit wird sich die Baumwolllieferung künftig mehr als bisher auf verschiedene Produktionsländer verteilen und unter ihnen Ostindien wohl eine Hauptstelle behalten, obschon es zunächst für einen kolossalen innern Bedarf zu sorgen hat, da dort die ganze Bevölkerung sich in B. kleidet. - Über die verschiedenen Arten und Abarten des Gossypium herrscht viel Unsicherheit. Linné kannte nur 4 Arten, Lamarck beschrieb deren 8, Decadolle (Anmerkung des Editors: richtig: Decandolle (= Augustin Pyrame de Candolle, 1778-1841)) schon 13. Sie unterscheiden sich zunächst als kraut- oder als strauch- oder als baumartige Gewächse, die jedoch, als einem und demselben Geschlecht angehörig, in Blüte und Frucht im wesentlichen übereinstimmen. Die krautartige B., G. herbaceum, ist die am meisten verbreitete und wichtigste Art. Sie ist eine meist einjährige, also jedes Jahr neu zu ziehende Pflanze, jedoch unter günstigen Umständen auch zwei- oder mehrjährig. Sie wird 0,5-1,5 m hoch, hat 3- bis 5lappige Blätter und eine malvenartige blaßgelbe Blüte mit einem purpurroten Fleck im Grunde. Die dreieckige zugespitzte Samenkapsel von der Größe einer welschen Nuß ist innerlich in drei bis fünf Fächer geteilt. Sie wird bei der Reife braun und lederartig, springt dann von der Spitze her in Lappen auf und läßt die Wolle in Büscheln hervorquellen. Diese Art wird in Ostindien, Kleinasien, Europa und auch Nordamerika gebaut und soll nach einigen Angaben in Oberägypten, Arabien und Senegal heimisch sein; dies dürfte auch für Ostindien Geltung haben, wenigstens wird von dort versichert, daß man lediglich einheimische Wolle kultiviere und alle Versuche mit fremden, namentlich amerikanischen Sorten fehlgeschlagen seien. Die dort gebaute und heimische einjährige krautartige Pflanze wird auch von Einigen als G. indicum besonders aufgeführt. Von strauchartigen Baumwollgewächsen sind zu nennen: der langhaarige Baumwollstrauch, G. barbadense, über Mannshöhe erreichend, auf den westindischen Inseln wie auf dem Festland heimisch und schon vor langer Zeit nach den Inseln Bourbon und Mauritius verpflanzt; er liefert jetzt meistens die langfaserigen nordamerikanischen Sorten. G. hirsutum (zottige Baumwolle), im französischen Westindien und Guiana, auch in Nordamerika gebaut, ein zweijähriger oder perennierender Strauch mit Kapseln fast von Apfelgröße und sehr feiner, guter Faser; G. vitifolium in Westindien, Brasilien, Ägypten. G. religiosum ist diejenige Art, welche ausnahmsweise eine rötlichgelbe Wolle trägt, die in dieser Naturellfarbe zu dem echten chinesischen Nanking verarbeitet wird. Der Baumwollbaum, G. arboreum, endlich, von 4-7 m Höhe, soll in Indien, Arabien und Ägypten heimisch sein und wird dort, in Spanien und an der Westküste Afrikas (Senegal) gezogen. Im letzteren Gebiet heimisch ist G. punctatum, die ↔ getüpfelte B. G. barbadense ist diejenige Art, welche in Amerika die vorzüglichste aller B., die lange, feine Sea-Island liefert. Sie gedeiht aber in ihrer höchsten Vollkommenheit nur auf dem wenige Meilen umfassenden Küstenstriche zwischen St. Mary in Georgien und George Town in Südkarolina, sowie auf den zwei kleinen dieser Küste benachbarten Inseln, Gegenden, deren feuchter Sandboden und deren mildes Klima der Kultur besonders günstig sein mag. Das übrige georgische Gewächs mit kürzerer Faser heißt Upland oder Georgia. Zucht und Pflege der Baumwollpflanzen erfolgen im allgemeinen dergestalt, daß man aus gelegten Samen erwachsende Pflanzen bei Zeiten und wiederholt verstutzt, damit sie nicht über 1,5 m hoch werden, weil die beste Frucht an den jungen Schößlingen wächst. Hat der Stamm im folgenden Jahre seinen Ertrag geliefert, so schneidet man ihn kurz über dem Boden weg und läßt neue Triebe schießen, mit denen man ebenso verfährt. Der Ertrag mindert sich jedoch mit jeder Wiederholung merklich, weshalb man eine Pflanzung meist nur 2 oder 3 Jahre benutzt und inzwischen neue anlegt. - Die Baumwollpflanzungen im allgemeinen verlangen keinen vorzüglichen Boden, sondern gedeihen in geringeren, sofern er etwas sandig ist. Solcher Boden ist aber bald erschöpft. Die Pflanze gedeiht nicht mehr. Aus diesem Grunde hat der Anbau der B. in Amerika etwas Nomadisches, indem häufig das ausgesaugte Kulturland gegen frisches vertauscht werden muß. So ist in dem früher bedeutende Mengen Wolle erzeugenden Virginien der Anbau wegen Bodenerschöpfung bereits sehr verringert, in Maryland schon ganz aufgegeben worden. Frische und großartige Räume bietet dagegen Texas, das voraussichtlich bald in der Massenproduktion voranstehen wird. Die alten Baumwolldistrikte haben ihrerseits in neuester Zeit angefangen, woran sie früher nie dachten, nämlich große Massen verschiedener Düngstoffe in ihre erschöpften Ländereien zu werfen, deren Wirkung sich noch herausstellen soll. Das Anroden neuen Landes kommt eben bei den jetzigen veränderten Verhältnissen zu teuer zu stehen. Andererseits haben die Witterungsverhältnisse auf das gute oder schlechte Gedeihen der Ernten gewaltigen Einfluß. Denn erstens bedarf die Pflanze bis gegen die Samenreife hin Regen, weil bei Mangel desselben die Faser zu kurz ausfällt; gegenteilig aber ist Regen, wenn er in die sich öffnenden Kapseln fällt, ungemein schädlich, weil die naßgewordene Wolle sich bräunt und wertlos wird. Auch bei zu langem Belassen am Stocke würde die Wolle schmutzig und unscheinbar werden, daher ist sie zu pflücken sobald die Kapseln sich zu öffnen beginnen. Dies geschieht indes nicht bei allen gleichzeitig; es umfaßt daher die Ernte immer eine längere Zeitperiode und erfordert viel Aufmerksamkeit und Mühe. Man pflückt oder zupft die Wolle gewöhnlich mit dem Samen aus und läßt die Hülsen stehen. Da nun ein Arbeiter im Maximum etwa 25 k B. im Tag einernten kann, so ergibt sich, daß zur Bewältigung einer Ernte sehr viel Menschen erforderlich sind. Um das Sammeln wohlfeiler zu machen, sind in Amerika

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 37.