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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Papier

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Papier - Papier

gends in Europa verbreiten konnte, - bis die Kreuzfahrer im dritten Kreuzzuge mit Hilfe der Gewalt sich genau davon unterrichteten und um dieselbe Zeit die Mauren aus Spanien vertrieben wurden, wodurch das Papiermachen auch dort in den Besitz christlicher Nachfolger überging. -

Der Papierhandel hatte bis dahin seinen Hauptzug aus dem Orient über Griechenland nach Venedig, Augsburg, Frankfurt a/M. und über Triest, Görlitz, Frankfurt a/O. nach dem Norden Deutschlands, woraus für das Papier die Namen „Griechisches Pergament“ pergamena graeca, Charta gossypina, bombycina, cotonea, Damascena, Serica, hervorgingen. Als das Papier zu Ende des 12. Jahrhunderts in Europa selbst bereitet zu werden begann, die Mauren aber den Handel mit Baumwolle nach Europa infolge ihrer Vertreibung aufgaben, sodaß dieses Material immer seltener wurde, da mußten die christlichen Papiermacher sich zu den abgenutzten baumwollenen Gewebeabfällen (Hadern) wenden. -

Die Bereitungsweise des Papiers blieb jedoch dieselbe, indem die angefeuchteten, klein geschnittenen Hadern in Mörsern mit Keulen erst für sich, dann mit etwas Ätzkalkzusatz fein zerstoßen wurden, die breiige Masse mit Wasser verdünnt und anfangs auf lockere Gewebe gegossen, später auf Drahtformen zu Bogen geschöpft wurde. Diese Papierblätter fielen freilich sehr ungleich und uneben aus, doch half man, wie die Papiermacher des Orients in alter Zeit und jetzt noch gethan, die Unebenheiten durch starkes Glätten mit Eberzähnen, Muscheln oder glatten Steinen auszugleichen, was auch die Ursache der auffallend glänzenden Oberfläche dieser Papiere ist. Geleimt wurde mit Reis- oder Getreideschleim (Gluten-lutum) oder tierischem Leim (gelatine).

Die reine Handarbeit wurde bei allen mit größerem Kraftaufwande zu betreibenden Gewerben, vom Ende des zehnten Jahrhunderts an, erst durch Tierkräfte (Ochsen, Esel, Pferde) am Göpel, dann durch Wasser oder Windkraft (Schiffs- und Windmühlen) unterstützt oder ganz ersetzt. Wenn die ersten Spuren der Müllerei bis Anfang des vierten Jahrhunderts (Trier und längs der Mosel) sich verfolgen lassen, sodaß die Deutschen die ersten waren, welche überhaupt Mühlenbetrieb einführten (eine Folge des Getreidebaues), so kann doch erst gegen Mitte des 12. Jahrhunderts von eigentlichen Mühlen gesprochen werden, welche als Getreide- und Walkmühlen und Hammerwerke dienten.

Der immer fühlbarer gewordene Mangel an baumwollenen Hadern, die geringe Haltbarkeit des Baumwollenpapiers und der sich vermehrende Papierbedarf zwangen die Papiermacher um diese Zeit zu der Verwendung von Leinenhadern, für deren Bearbeitung das Zerstoßen in Mörsern aber nicht ausreichte und der mühlenartige Betrieb notwendig wurde. Zu Ende des 13. Jahrhunderts (1290) legten die Getreidemüller Holbein in Ravensburg die erste Hadermühle mit Wasserbetrieb an ihre Mühle, 1312 entstand eine solche in Kaufbeuren, 1319 in Nürnberg, 1320 in Augsburg; 1324 wurde die Ravensburger bedeutend verbessert; 1346 gab es solche in Heidelberg, 1356 in Leesdorf bei Wien, 1390 in Nürnberg (nach verbesserten System von Ullmann Stromer erbaut) und andre, um 1320 in Italien, in Sizilien und Fabriano, 1330 in Padua, 1340 in Treviso und Ancona und andre, in Spanien 1340, im Galicischen, dann in Valenzia, Barzelona, Alcoi, Toledo und andre, in Frankreich um 1360 in Troyes, Essonne, Angoumais u. andre. In der Schweiz wurden die ersten Papier- oder Hadermühlen nach 1400 in St. Gallen, Basel, Bar ^[richtig: Baar], Zürich und in den andern Ländern noch später angelegt. -

Der Verbrauch des Papyros hatte um 700 n. Chr., als das Pergament die Oberhand erhielt, gänzlich, der Verbrauch des Pergamentes um 1400 n. Chr. wesentlich aufgehört, da das Papier einesteils bessere Dienste leistete, andernteils weit billiger und leichter zu beschaffen war, als jenes. Einen großen Aufschwung erhielt jedoch die Papiermacherei durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Als das Pergament im Verhältnis zum Bedarf so selten wurde, daß man bereits beschriebene Pergamente wieder abschabte, um sie neu zu beschreiben (Palimpsesten, libri liturarii), also das Pergament nicht einmal für die Schreiber ausreichte, da konnte niemand auf die Idee verfallen, durch auf Stäbe eingeschnittene oder gegossene Lettern (litterae) des Alphabetes (Buchstäbe) die Vervielfältigung von Schriften zu befördern.

Erst als das 100 Jahre früher erfundene und für den Druck besser als alles andre Material geeignete Linnenpapier für den geistigen und wirtschaftlichen Bedarf ausreichend geliefert wurde, konnte 1440 Guttenberg auf seine Erfindung hingeführt werden. Die Ausbreitung der Buchdruckerkunst schritt in demselben Grade vorwärts, als die Papiermanufakturen sich vermehrten, wie umgekehrt früher Klöster, Schulen und Gerichte zur Anlegung solcher genötigt waren, um Papier zu besitzen; und darum kann man die Errichtung von Buchdruckereien immer da zuerst finden, wo solche Papierwerkstätten in der Nähe waren. -

Den zweiten großartigen Aufschwung bewirkte 80 Jahre später die Reformation, weil ein außerordentlicher Bedarf an Papier für die Reformationsschriften, die Katechismen, die Bibeln etc. entstand, und es hätte die Reformation gar nicht so schnelle Verbreitung finden können, wenn das Papier gemangelt hätte, wie es ja bei allen Ereignissen der Welt den ersten Anteil hat. -

Das Bedürfnis nach Vergrößerung der Papiere für den Druck und die Tapeten führte zu Ende des vorigen Jahrhunderts zur Anfertigung sogenannter Doppelformen, welche mit Mechanismus geführt wurden und die Arbeit des Schöpfers, Gautschers und Legers wesentlich erleichterten. Aus diesem Fortschritte scheint der weitere der Papiermaschine hervorgegangen zu sein, denn zu Anfang dieses Jahrhunderts konstruierte Robert in Essonne eine Maschine mit einem endlosen Metallsiebe und Preßwalzen, welches System auch Gamble, Fourdrinier, John und Georg Dickinson verfolgten, während Leistenschneider, Bramah, Denisson u. andre das Papier mittels eines Siebcylinders darstellten, in welcher Art Keferstein in Weida 1816 ebenfalls eine besondere Maschine konstruiert hatte, der als weiterer Fortschritt ein Trocknungs-^[folgende Seite]