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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Tuch

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Tuch - Tuch

soll es wenigstens. Ware mit Baumwollkette und Wolleinschuß ist Halbtuch; eine heimliche Einmengung von Baumwollfäden in für T. ausgegebene Ware ist Betrug. Beim Aufbäumen der Kette verwendet man zu beiden Seiten eine Anzahl grober Fäden, um die Sahlleiste oder Egge zu erhalten, welche bei Bestimmung der Tuchbreite nicht mitgerechnet wird.

Die Breite wird nach Hunderten von Kettenfäden berechnet; schmale Tuche enthalten 14-22, breite bis zu 48 Hunderten. Für den Handel diente und dient auch noch vielfach die Breitenangabe nach Vierteln, d. h. Viertelellen. Damit das Gewebe die vorgeschriebene Breite und Länge erhält, muß man es im Webstuhl viel breiter und länger aufbäumen, denn es geht durch das nachfolgende Walken beträchtlich ein. T. von 1,2 m Breite muß z. B. 1,8-2,0 m breit gewebt werden. Die Kettenfäden sind vor dem Aufziehen mit warmem Leimwasser getränkt und wieder getrocknet, sind also glatt, hart und steif; die Einschußfäden dagegen werden im feuchten Zustande verarbeitet. Da die Tuchmacherei noch vielfach in den Händen kleiner Gewerbsleute liegt, so ist auch die Handweberei noch ziemlich verbreitet; größere, fabrikmäßige Geschäfte haben dagegen in der Regel mechanische Webstühle gehen.

Das Tuchgewebe, wie es vom Webstuhle kommt, hat nicht entfernt Ähnlichkeit mit dem fertigen T., sondern sieht wie ein rohes, grobes Leinengewebe aus, heißt auch noch nicht T., sondern Loden. Die filzartige Decke wird erst durch das Walken und Rauhen erzeugt. Vorher aber wird der Loden zum erstenmal genoppt, d. h. mit kleinen Stahlzangen oder auf einer Maschine von Knötchen, Fadenenden und fremden Körpern, wie Spänchen und Strohteilen, befreit. Der Loden hat entweder schon die für das T. bestimmte Farbe, indem bereits die Wolle für das Garn gefärbt wurde, oder man färbt ihn nach dem Weben oder auch erst nach dem Walken. Hiernach unterscheidet man in der Wolle, im Loden und im Stück gefärbtes T.; das letztere ist daran kenntlich, daß es an einem Durchschnitt im Innern die Farbe in einer helleren Nüance zeigt, als auf der Außenseite, weil durch das Walken das Eindringen der Farbebrühen erschwert worden ist. Die wollgefärbten Loden kommen vom Webstuhl direkt in die Walke, die noch weißen dagegen in die Farbe, der aber erst eine gründliche Wäsche in der Waschmaschine vorhergeht. -

Der Zweck des Walkens ist die Erzeugung der den Tuchen eigentümlichen Verfilzung der Fasern und die Mittel hierzu sind dieselben, wie sie der Hutmacher anwendet (s. Filz), nämlich Nässe, Wärme und eine knetende Behandlung, welche die Fasern ineinander schiebt. Nur geschieht beim T. die Bearbeitung auf rein mechanischem Wege mittels Walkmühlen. Die Verfilzung erstreckt sich nicht bloß auf die Oberfläche, sondern durchdringt den ganzen Tuchkörper, der sich daher bei besserem Fabrikat nicht mehr in die einzelnen Fäden zerlegen läßt. Die Maschinen zum Walken sind nach altem Stil Hammerwerke, ähnlich denen, die sonst in den Papiermühlen arbeiteten; diese sind größtenteils durch die, die Ware nicht so angreifenden Walzenwalken ersetzt, welche die Stoffe statt des Schlagens mehr kneten und drücken.

Zur Beförderung der Verfilzung und gleichzeitiger Entfettung der Gewebe erfolgt das Walken unter Hinzunahme alkalischer Stoffe, wie Seife, und vorzugsweise gefaulter Urin, der sich durch Ammoniak nicht völlig ersetzen lassen soll. Während des Walkens auf der Hammerwalke wird das Tuch öfter herausgenommen, gereckt, umgelegt und wieder eingebracht. Die Walzwalken führen das mit den Enden zusammengenähte T. in einem beständigen Kreislaufe und es kann auf denselben auch zugleich das schließliche Auswaschen vorgenommen werden. Das gewalkte und gewaschene Tuch wird endlich zum Trocknen auf Rahmen gespannt und dabei grade gezogen und gereckt. Hierbei dienen die Sahlleisten als Handhaben und Anhängepunkte; dies ist ihre hauptsächliche Bestimmung.

Zur Verschönerung der durch das Walken entstandenen Filzdecke des T. wird dasselbe gerauht (s. Rauhkarden) und dann geschoren. Durch das Rauhen werden die Fasern des Filzes emporgezogen und nach einerlei Richtung umgelegt; mittels Hand- oder Walzenbürsten, die gegen den Strich arbeiten, bringt man die Fasern wieder in die aufrechte Stellung, um sie dann durch den Prozeß des Scherens auf gleiche Länge abzuschneiden. Früher geschah diese Arbeit auf eine umständliche und schwierige Weise mittels großer, etwa 20 kg schwerer, einer Schafschere ähnlicher Handscheren, während sie jetzt schneller und besser von Maschinen verrichtet wird, deren Hauptteil ein Cylinder ist, auf welchem mehrere schneidende Stahlklingen in Schraubenlinien befestigt sind. Diese Schneiden stehen in Berührung mit einer darunter liegenden geraden scharfen Klinge, dem Lieger oder Kontremesser. Wird der Cylinder in Umlauf gesetzt, so streichen die laufenden Schneiden an der festen vorbei und es entstehen immerfort Scherenschnitte.

Der Schneideapparat steht entweder fest und das T. bewegt sich der Länge nach unter ihm hin, oder er bewegt sich auf Rädern quer über das auf einer Tafel stillliegende T., das dann absatzweise weitergezogen wird. Zwischen diesen beiden Arten, der Lang- und der Querschneidemaschine, hat man als Mittelding auch eine, bei welcher mehrere Cylinder in schräger Lage, transversal, wirken. Feine Ware wird zweimal und öfter gerauht und geschoren und dazwischen genoppt und gebürstet. Beim Noppen werden auch die auf der Schermaschine vielleicht entstandenen kleinen Löcher sorgfältig gestopft. In gefärbten Tüchern finden sich immer auch einzelne Fasern, die keine Farbe angenommen haben; es ist dies sog. tote Wolle, d. h. auf dem Tier schon abgestorbene. Man beseitigt sie entweder durch Ausziehen oder färbt sie nach. Alle Bearbeitungen erfolgen nur auf der einen Seite des T., indes die andre, die Linksseite, so bleibt, wie sie aus der Walke kommt.

Gegen das Ende der Operationen wird das T. meist noch dekatiert, d. h. mit einem milden, dauerhaften Glanz versehen. Man wickelt dasselbe zu dem Zweck auf einen kupfernen, an den Enden offenen, im