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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Wolle

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Wolle - Wolle

allerdings sehr gesunkenen Preise, nur noch Fleischschafe züchteten, andre die W. schlechter lieferten, schweißbeladen, unausgeglichen und nachlässig behandelt, während ihnen die Verhältnisse gerade das gegenteilige Verfahren hätten nahelegen sollen. Hierin ist längst Besserung eingetreten, aber die Wollproduktion hat sich nicht gehoben. - Zur Zeit ist der Streit, ob Woll- oder Fleischschaf, noch nicht entschieden, für Viele aber nur jenes, für Andre dieses am Platze. Die großen Verschiedenheiten in der Beschaffenheit der W. hängen sowohl von den verschiednen Rassen und Mischlingsarten, als von Klima, Boden, Nahrung und Pflege ab. Man unterscheidet im allgemeinen kurze und lange W.; indes ist bei dem heutigen fortgeschrittenen Stande der Spinnerei dieser Unterschied nicht mehr so wesentlich, da man jetzt auch kurze W. zu Zwecken verwenden kann, wozu man früher lange haben mußte. Wichtig dagegen ist die Unterscheidung von weich und hart, denn hiernach charakterisiert sich die Ware entweder als Streich- oder als Kammwolle; harte W. ist nicht wie weiche verfilzbar. Weichwollige Tiere gedeihen am besten auf reichem lehmigem oder thonigem Boden. Bei der W. sind zu berücksichtigen Feinheitsgrad, Härte oder Weichheit, Kräuselung, Glanz, Elastizität und Festigkeit, Gleichförmigkeit und Geschmeidigkeit. Um die Feinheit, d. h. den Stärkegrad der einzelnen Wollhaare, besser zu ermitteln, hat man feine Instrumente, die Wollmesser oder Eriometer; die Praktiker geben indes nicht viel darauf. Unter Kräuselung versteht man den wellenförmigen Verlauf des einzelnen Wollhaares. Diese Bogen sind bei der Merinowolle am feinsten und am meisten zusammengedrängt, sodaß bis dreißig auf 25 mm kommen, bei ordinärer W. vielleicht nur zehn und noch weniger. Die Gleichmäßigkeit kann in verschiednem Sinne verstanden werden, einmal so, daß die Vließe eines Postens, unter sich verglichen, keine wesentlichen Verschiedenheiten zeigen, dann daß die einzelnen Vließe an den verschiednen Körperstellen nicht zu abweichend beschaffen sind, wie dies allerdings in der Natur liegt, aber durch Zucht verbessert werden kann, und endlich soll auch das einzelne Haar gleichmäßig, nicht unten stärker als oben, oder gar an verschiednen Stellen verschieden dick, es soll „treu“ sein. Zeigt das Haar dicke und dünne Stellen, ist es hier gehörig gekräuselt, dort schlicht, so heißt es zweiwüchsig. Die von Natur beste W. sitzt auf den Schulterblättern, an den Seiten des Leibes und an den Keulen. Unter Stapel versteht man den Bau des Vließes und zugleich die Faserlänge (lang- und kurzstapelig). Das Wollhaar vereinigt und teilt sich in einzelne Büschel und Locken, welche locker oder gedrungen, gleich- oder ungleichförmig sein können. Die Merinos und andre veredelte Rassen haben den feinsten, gedrungensten und gleichmäßigsten Stapel. - Auf den Wollmärkten unterscheidet man gewöhnlich zunächst die W. in Ritterguts- und Bauernwolle, wovon meist die erste mehr oder weniger veredelt ist, die andre von gewöhnlichen Landschafen kommt. Die veredelte scheidet sich wieder in hochfein, fein, mittelfein etc. Vor dem Verspinnen wird die W. sortiert; man legt die W. von den verschiednen Körperteilen für sich zusammen und bezeichnet die gebildeten sechs bis acht, bis zehn Sorten mit Superelekta, Elekta, Prima, Sekunda, Tertia etc.; oder mit Buchstaben, vom Geringeren aufwärts, mit C, B, A, AA, AAA. - Die W. wird von den Produzenten in den ganzen abgeschorenen und aufgerollten Vließen an den Markt gebracht; die W. des Schwanzes, der Backen und der Füße bildet Stücke für sich. Nach der Schurzeit unterscheidet man Einschurwolle, die meiste, die nur einmal im Jahr, um Pfingsten von den Tieren genommen wird. Langwollige Schafe werden dagegen oft zweimal geschoren und zwar Ende März, (Winterwolle), und Ende September, (Sommerwolle). Ferner werden separat gehalten die feine seidenartige Lammwolle, von erst einjährigen Schafen, die von Weißgerbern gelieferte, gewöhnlich mit Kalk verunreinigte Gerberwolle, die aber recht wol ^[richtig: wohl] zum Spinnen brauchbar ist, und als die schlechteste die Sterblingswolle von krepierten Tieren. - Die W. kommt meistens gewaschen zu Markt; Deutschland hat fast allgemein die sog. Rücken- oder Pelzwäsche, bei welcher das Vließ am lebenden Tier gewaschen wird. In Spanien, zum Teil auch in Frankreich und anderwärts, geschieht das Waschen am abgetrennten Vließ. Zur Schafwäsche ist warme, trockene Witterung eine Hauptbedingung; sie kann nur mit weichem, also Fluß- oder Teichwasser geschehen und wird mehr oder weniger gründlich betrieben. Man schwemmt entweder die Tiere nur, indem man sie ins Wasser wirft und eine Strecke schwimmen lässt, oder man wendet die Handwäsche an, bei welcher das im Wasser stehende Tier mit den Händen geknetet wird, oder die Spritzwäsche, wobei die eingepferchten Schafe mit Spritzen bearbeitet werden. Zuweilen bringt man die vorher geschwemmten Tiere auch noch unter ein Sturzbad. Als eigentliche Waschmittel, wenn solche angewandt werden und durch welche die Wäsche gründlicher geschieht, dienen am besten Auszüge von Seifenwurzel und der Quillajarinde. Durch die Wasserwäsche verliert die W. 20-70%, durch die Waschmittel noch einige Prozente mehr an Gewicht; der Abgang besteht aus Staub und Schmutz und aus dem Schweiß, zum großen Teil eine natürliche Kaliseife, die sich im Wasser auflöst; auch von dem wirklichen Fettgehalt wird ein Teil mechanisch mit fortgeschwemmt. Der größere Teil des Fettes bleibt in der W. und ist zu ihrer Konservation nötig. Ob gut oder schlecht gewaschen ist, bildet eine Hauptfrage des Wollkäufers, dem es natürlich nicht gleichgültig sein kann, ob ihm der Produzent 10-20% Schweiß darin gelassen hat. Auch der Wassergehalt der W. ist von Bedeutung; es kann eine feucht gelagerte W. viel Wasser verschlucken, ohne darum feucht zu erscheinen. Über viele Eigenschaften der W. gibt das geübte Gefühl Auskunft, mehr noch als das Gesicht. - Die zu Markte kommende W. ist auch im Fall guter Wäsche in der Regel zum Verarbeiten noch nicht rein genug und eine dem Verspinnen vor-^[folgende Seite]