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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

Zünften (Gilden, Innungen) genossenschaftlich geeinigt bezw. gegliedert waren. Das städtische Geschichtsleben wird im 12. und 13. Jahrhundert durch den Kampf dieser Schichten um die Stadtherrschaft bestimmt, die Patrizier beanspruchten und besaßen auch anfangs das alleinige Recht, den "Rat" zu bilden, mußten aber sodann den Zünften mindestens Anteil an der Verwaltung gewähren, wenn diese nicht ganz die Herrschaft an sich zogen. Später verschwindet der oben angeführte ursprüngliche Grund der Scheidung, da eine Mischung beider Schichten sich vollzog und es bildet sich mehr nur der Gegensatz zwischen "reich und arm" heraus, namentlich durch den Aufschwung des Handels. Die Großkaufleute und die reichen Gewerbler übernahmen die Stellung des älteren Patriziertums und ihnen stehen die "Kleingewerbler" gegenüber. Der ritterliche Adel (die Lehensgrundherren) hielt sich den Städten ferne, hauste auf seinen Besitzungen und stand zu jenen in mehr oder minder schroffem Gegensatz, der sehr oft zu offenen Fehden führte. In späterer Zeit erst suchten auch ritterliche Geschlechter Aufnahme in den Städten. (Die "bürgerliche" Eigenschaft, das Bürgerrecht, mußte entweder ererbt oder "erworben" werden; die bloßen Arbeiter hatten keinen Anteil an der Stadtverwaltung.)

In den italienischen Städten kam nun zu jenen zwei Schichten, Vollbürger (oder bürgerlicher, geschäftlich thätiger Adel) und niedere Bürger, noch eine dritte: der ritterliche Adel, die Grundherren vom Lande, welche in den Städten ihren Sitz nahmen. Dieser übte anfänglich auch die Herrschaft aus, indem er allein die bedeutenden Aemter besetzte. Die genossenschaftliche (zünftige) Gliederung der Bürgerschaft war auch in Italien scharf ausgebildet; man unterschied aber auch in verschiedenen Städten zwischen "höheren" und "niederen" Zünften. Zu den ersteren gehörten einerseits die Genossenschaften der geistig Thätigen, wissenschaftlich Gebildeten, wie Notare und Aerzte; andererseits jene der Handelsleute (Kaufleute, Wechsler) und der Hauptgewerbe der betreffenden Stadt, was man heute "Großindustrie" nennen würde (z. B. in Florenz Seiden- und Wollweber). Zunächst erzwang diese höhere Bürgerschaft sich Anteil an der Stadtverwaltung, dann kamen auch die niederen Zünfte an die Reihe. Im Laufe der Zeit bildete sich dann aus den beiden obersten Schichten, die sich allmählich vermischten, eine neue städtische "Aristokratie" heraus, welcher das niedere Volk (popolo minuto) gegenüberstand.

Für die Kunst haben diese Verhältnisse nun folgende Bedeutung. In Deutschland sind die beiden weltlichen Gesellschaftsklassen, welche (außer den Fürsten) Macht, Mittel und Bildung besitzen, also die Kunst fördern können, getrennt und besteht ein Standesgegensatz; in Italien sind sie im Stadtbürgertum vereinigt, welches somit die gesamte "Blüte der Nation" - man entschuldige diesen Ausdruck - umfaßt. Daraus erklärt sich nicht zum geringsten der Kunstreichtum Italiens; in den Städten entstehen glänzende Paläste und die Grundherren, in der Stadt für die Kunst gewonnen, übertragen sie auch nach ihren Landsitzen. In Deutschland bleibt die städtische Kunstpflege rein bürgerlich, und zur selben Zeit, von der das oben Gesagte gilt, ist der Landadel für die Kunst bedeutungslos.

Oertliche Besonderheiten. Bei den weltlichen Bauten lassen sich hauptsächlich drei örtliche Gruppen unterscheiden. In den mittelitalischen (toskanischen) Städten erscheinen Stadthäuser und Adelspaläste dieser

^[Abb.: Fig. 311. Der Dom zu Kaschau.]