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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert

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Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert.

Thomas von Aquino ihre vollendetste Ausbildung erfahren hatte. Zur selben Zeit aber leiste auch die "Mystik" aus und fand eine empfängliche Stimmung. Sich des Göttlichen im Gemüte bewußt zu werden, wie die Mystik es anstrebte, war für die religiöse Empfindung ansprechender, als der Weg der Scholastiker, welche es durch die Vernunft erkennen wollten und dabei den Zwiespalt zwischen den geoffenbarten Lehren und dem vom Verstande Erfaßbaren nicht aufzulösen vermochten. Die Scholastik mußte daher zum Zweifeln und damit zur Verwirrung der Geister führen, welche noch gesteigert wurde durch die Mißstände infolge der Verweltlichung der Kirche und deren politischen Abhängigkeit, seit der Sitz des Papsttums nach dem französischen Avignon verlegt worden war. Dabei gewann nun die mystische Strömung an Stärke; indem sie sich an das Gefühl wendete, enthob sie von den Zweifeln. Gleichzeitig führte sie aber auch - entgegen der scholastischen Buchweisheit - zur Natur zurück; sie verherrlichte zwar in erster Linie das Leben der Seele, da aber diese an den Körper gebunden ist, mußte sie auch das Sinnliche mehr beachten, und so ergab sich schließlich der Satz von der schönen Seele im schönen Leibe.

Masaccio. Dies war die geistige Grundlage für die Weiterbildung der Malerei zu Beginn des 15. Jahrhunderts, und auf dieser fußte Masaccio (1401-1429). Den Nachrichten zufolge soll er bei Masolino, Brunellesco und Donatello sich ausgebildet haben, jedenfalls zeigt er sich schon als junger Künstler an Kenntnissen in den baukünstlerischen Formen und in der Perspektive seinen Gildegenossen überlegen. Dies verwertete sein künstlerischer Geist in glücklicher Weise für die Malerei. Die schärfere Beobachtung der Natur und die Schulung durch die bildnerischen Formen setzten ihn in den Stand, seinen Gestalten größere Lebenswahrheit und kraftvolleren Ausdruck zu geben; seinem ausgebildeten Schönheitsgefühl entsprang dann das Wohlgefällige, auf welches nunmehr die Malerei hinzuarbeiten beginnt. Das Großzügige der Anordnung übernahm er von Giotto, fügte aber jetzt auch das rein Ma-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 346. Masaccio: Der Zinsgroschen.

Florenz. Kapelle Brancacci.]

^[Abb.: Fig. 347. Fra Giovanni Angelico. Jesus wird von zwei Dominikanern begrüßt.

Florenz. Museum San Marco.]