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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Erläuterungen

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Erläuterungen.

tritt auch eine nach innen gekrümmte Blattreihe auf, welche die Scheidung von Schaft und Kapitäl noch deutlicher ausdrückt. Etwas unter den Riemchen befindet sich ein Einschnitt; der Teil zwischen demselben und den Riemchen ist der Hals (Hypotrachelion). Auf der Deckplatte ruht das Gebälk, dessen Anordnung aus Fig. 715 zu ersehen ist. Dieses beginnt mit einem einfachen kräftigen Steinbalken, der die Säulen überdeckt und verbindet, dem Architrav oder Epistyl (a). Der Architrav schließt oben mit einer etwas vorspringenden Platte,

auf der ein durch Triglyphen (Dreischlitze) geteilter Fries ruht. Die Triglyphen (c) sind kleine pfeilerartige Stützen, die mit drei oben abgerundeten Furchen versehen sind. Die Felder zwischen den Dreischlitzen, die meist mit Flachbildern geschmückt sind, heißen Metopen (d). An der unteren Fläche der Platte zwischen Architrav und Triglyphenfries sitzen, in der Breite genau den Triglyphen entsprechend, kleine Leisten mit je sechs tropfenartigen Ansätzen. Ein ähnliches Glied befindet sich über den Dreischlitzen an der unteren Fläche des Kranzgesimses, das zugleich Gebälk und Dach begrenzt. Es besteht aus dem eigentlichen, weit vorspringenden Kranzgesimse (Geison) und der zur Ableitung des Regenwassers dienenden Rinnleiste (Sima). Das zur Zeit des entwickelten Stiles schräge Dach wird aus den Dachsparren gebildet, welche auf (die Deckenbalken verbindenden) Latten ruhen. Die Dachsparren sind mit einer Bretterverkleidung überdeckt, die durch eine Lehmschicht wasserdicht gemacht ist, und auf dieser Schicht ruhen die flachen Dachziegel, deren Fugen durch die Deckziegeln vor dem Eindringen des Wassers geschützt sind.

Damit haben wir das Wesentliche des Aufbaues der dorischen Ordnung erwähnt, der sich mit größeren oder kleineren Abweichungen bei allen Stilarten wiederholt.

Die jonische Ordnung kennzeichnet sich durch zwei auffällige Besonderheiten: die Säule ruht auf einem Fuß (Basis) und das Kapitäl hat als Hauptteil ein an beiden Enden sich schneckenförmig krümmendes Glied, das sogenannte Polster. Die Basis besteht in der Regel aus der viereckigen Grundplatte (Plinthus) und aus zwei kreisrunden Wülsten (Torus), zwischen denen sich die nach innen gekrümmte Kehle (Trochilus) befindet. Diese Kehle ist das Hauptglied der Basis, da sie ihr für das Auge eine gleichsam federnde Spannkraft verleiht. (Diese Form heißt die attische Basis, während die wenig gebrauchte ältere jonische Form zwei Hohlkehlen und nur einen darauf ruhenden Wulst zeigt.) Der Schaft der jonischen Säule ist schlanker als jener der dorischen; er verjüngt sich weniger, und seine unten und oben abgerundeten tieferen Furchen stoßen nicht scharf zusammen, sondern sind durch kleine Stege getrennt. Der Einschnitt unter dem Halse ist fortgefallen und an Stelle der Riemchen häufig ein kleines vermittelndes Glied, die Perlenschnur (Astragal), getreten.

Das Kapitäl zeigt sehr verschiedene Formen; häufig ist der Wulst mit einem Blatt oder Eierstab verziert (Kymation), der sich auch auf dem Auflager zwischen Kapitäl und Gebälk wiederholt, immer aber ist das sogen. Polster, das man sich am besten als ein Kissen mit gerollten Ecken vorstellen kann, vorhanden.

Das Gebälk weicht im Gesamtaufbau nicht vom dorischen ab, wohl aber erscheint es häufig einfacher, doch ist auch die reicher gegliederte Form, ähnlich dem der korinthischen Ordnung (siehe Fig. 711 C), häufig. Immer fehlen die nur dem dorischen Stil eigentümlichen Dreischlitze und was mit diesen zusammenhängt, Metopen, Tropfen u. s. w. Dafür ist der Fries meist mit fortlaufenden Darstellungen geschmückt.

Bezeichnend für die jonische Ordnung ist das Vermeiden schroffer Gegensätze. Immer wird durch Einschalten vermittelnder Glieder ein möglichst gleichmäßiger Uebergang zu er-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 716. Korinthisches und römisches Capitäl.]