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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hebung

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Hebung.

niveau zeigen Hebungen, Ausdehnung des Meers über früher kartographisch als Festland fixierte Teile der Erdoberfläche Senkungen an. Daß derartige Bewegungen auf das Festland entfallen und nicht auf Niveauänderungen des Meeresspiegels im entgegengesetzten Sinn zurückzuführen sind, beweist das Ungleichförmige der Bewegung an benachbarten Punkten. Wo mehrere alte Strandlinien übereinander beobachtet werden können, da konvergieren und divergieren sie meist untereinander und bilden nur selten Parallellinien, wie sie doch allein entstehen könnten, wenn ein Zurücktreten des Meers die Erscheinung bedingte.

Eins der am häufigsten citierten Beispiele, an welchem sich zudem H. u. Senkung gleichzeitig nachweisen lassen, sind die Ruinen des Serapistempels bei Pozzuoli am Meerbusen von Bajä. Der Grundriß des 1750 ausgegrabenen Tempels zeigt 46 Säulen, von denen aber nur 3 aus Marmor noch aufrecht stehen, während die übrigen, teils ebenfalls aus Marmor, teils aus Granit, umgestürzt und zerbrochen sind. Die aufrecht stehenden, Monolithen von 12 m Höhe, sind etwas geneigt und lassen von ihrem Fußpunkt nach oben zuerst einen Gürtel von 3,6 m Höhe erkennen, dessen Oberfläche wohl erhalten, glatt und poliert ist; dann aber sind in einer Zone von 2,7 m im Durchmesser die Spuren von Bohrmuscheln nachweisbar: frühere Beobachter konnten die Schalen derselben noch den von ihnen eingefressenen Löchern entnehmen (Fig. 1). Ebenso sind die Bruchflächen der umgestürzten Säulen, soweit sie aus Marmor sind, zernagt, während die granitenen durch ihre Härte vor den Eingriffen der Muscheltiere geschützt blieben. Das Niveau, in welchem heute der Tempel liegt, ist sicher tiefer als das ursprüngliche, denn bei anhaltendem Meerwind wird der Fußboden von den Wellen bespült. Daß aber das Niveau vorübergehend ein noch tieferes, im Maximum 6,3 m unter der heutigen Meeresoberfläche war, beweisen die Einwirkungen der Bohrmuscheln, so daß also der Erbauung des Tempels eine Periode der Senkung und später wieder eine solche der H. gefolgt sein muß. Über die Zeit der Erbauung weiß man nur, daß der Tempel 105 v. Chr. schon stand; bald nachher haben sich aber Senkungserscheinungen, jedenfalls noch während der heidnischen Zeit, eingestellt, das beweist ein unterhalb des die Säulen tragenden Fußbodens aufgefundenes Mosaikpflaster, offenbar das ursprüngliche, später wegen Überschwemmung durch die Meereswogen verlassene und durch einen höher gelegenen Fußboden ersetzte. Ein Wechsel von Schichten marinen Ursprungs, von Quellabsätzen und von vulkanischen Tuffen und Aschen wurde bei der Ausgrabung innerhalb des Tempels nachgewiesen und schützte offenbar den untern Teil der Säulen vor der Einwirkung der Bohrmuscheln (Fig. 2). Die Epoche der H. des Tempels und seiner Umgebung wird gewöhnlich, aber ohne zwingenden Beweis, zeitlich mit derjenigen der Eruption, durch welche der benachbarte Monte Nuovo 1538 aufgebaut wurde, identifiziert (Fig. 3); die Erhaltung einer Mehrzahl von Säulen in aufrechtem Zustand läßt viel eher an eine stetige und langsame, also säkulare, als an eine instantane H. denken.

Ein besonderes Interesse knüpft sich weiter an den Nachweis einer säkularen H. der skandinavischen Küsten. Schon 1743 von Celsius behauptet (freilich in dem Sinn einer Senkung des Meeresspiegels), wurden die Niveauveränderungen 1802 von Playfair und unabhängig von ihm (da die Napoleonische Kontinentalsperre auch den Austausch geistiger Produkte zwischen England und Deutschland verhinderte) 1807 von L. v. Buch als H. des Festlandes gedeutet, eine Ansicht, welche durch eine große Anzahl von Wassermarken, die 1820 und 1821 der Revision unterworfen wurden und für verschiedene Punkte verschiedene Grade der H. ergaben, bestätigt wurde. Im Mittel soll die H. etwa 1 m in 100 Jahren betragen.

Als Beweis säkularer Senkungen werden gewöhnlich die mitunter mehrere Hunderte von Metern mächtigen Korallenriffe angeführt. Da diese riffbauenden Polypen nur bis 30 m Tiefe unter dem Meeresspiegel lebensfähig sind, so müssen sich einst auch die tiefern, jetzt ausgestorbenen Teile des Stockes in dieser Lebenszone befunden haben, später aber der Senkung unterlegen sein, und zwar muß der Prozeß auch hier sehr langsam und stetig verlaufen sein, da die Polypengenerationen Zeit fanden, den Abgang nach unten durch Weiterbau nach oben zu ersetzen: eine plötzliche Senkung würde das Absterben des ganzen Stockes zur Folge gehabt haben. Über wichtige Einwände gegen diese von Darwin herrührende Theorie vgl. Koralleninseln.

Die Ursache aller dieser Niveauänderungen fand die ältere Geologie (Elie de Beaumont, L. v. Buch etc.) ganz ausnahmslos im Vulkanismus. Während Senkungen, angeblich viel seltener als Hebungen, gewissermaßen nur die Kehrseite der Hebungen darstellen sollten, wurden diese durch Volumvergrößerung der

^[Abb.: Fig. 2. Durchschnitt des Serapistempels (nach Lyell). a Altes Mosaikpflaster, b marine Schichten im Tempel, c vulkanischer Tuff und Asche, d Süßwasserkalk im Tempel. Fig. 3. Meerbusen von Bajä.]