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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Urkundenvernichtung – Urnen

Grund des Urteils Geleisteten zu verurteilen. Im U. erlassene Urteile sind auch ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Eine Unterart des U. bildet der Wechselprozeß (s. d. und Summarischer Prozeß). In der Österr. Civilprozeßordnung heißt der U. Mandatsverfahren (§§. 548 fg.).

Urkundenvernichtung. Wer eine Urkunde (s. d.), die ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem andern Nachteile zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt (z. B. den Wechselprotest, den er sich vom Gläubiger entliehen hat, um die Rechtzeitigkeit der Protestaufnahme zu prüfen, diesem vorenthält), wird nach Deutschem Strafgesetzbuch §. 274 mit Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft (Strafkammer); daneben kann auf Geld bis zu 3000 M. und auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§. 280) erkannt werden. Ist der Thäter Beamter, die Urkunden ihm amtlich anvertraut oder zugänglich, ist die Strafe wie bei der intellektuellen Urkundenfälschung (s. d.).

Urkundspersonen, Personen, welche vom Staate behufs Beurkundung der vor ihnen abgegebenen Erklärungen oder sonst stattgehabten Vorgänge zu öffentlichem Glauben bestellt werden.

Urlaub, die Bewilligung der zeitweiligen Befreiung von Dienstgeschäften. Der U. wird den Beamten von der vorgesetzten Dienstbehörde erteilt. Zum Eintritt in den Deutschen Reichstag bedürfen Staatsbeamte keines U.; ebenso wenig Landesbeamte nach den meisten deutschen Verfassungen zum Eintritt in den Landtag ihres Landes. Anders in Sachsen, Schwarzburg-Sondershausen und Reuß älterer Linie. Reichstags- und Landtagsmitglieder bedürfen des U., wenn sie den Sitzungen nicht beiwohnen, doch giebt es keine Strafe für die Reichstagsmitglieder, die U. nicht erbitten. Beim Militär wird der U. auf Ansuchen bewilligt oder nach gesetzlichen Bestimmungen einer gewissen Anzahl von Mannschaften jedes Truppenkörpers erteilt.

Urläuter, soviel wie Dégras (s. d.).

Urlichs, Ludw. von, Archäolog und Philolog, geb. 9. Nov. 1813 zu Osnabrück, studierte in Bonn, war seit 1835 einige Jahre Hauslehrer in der Familie des preuß. Gesandten Bunsen in Rom und als Mitarbeiter an der Platnerschen «Beschreibung Roms» thätig, wurde 1840 Privatdocent in Bonn, 1844 daselbst außerord. Professor, 1847 ord. Professor in Greifswald, 1855 ord. Professor der klassischen Philologie und Ästhetik in Würzburg, wo er auch das von Wagnersche Kunstinstitut leitete und 3. Nov. 1889 starb. Von 1848 bis 1852 war er Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses sowie des Erfurter Parlaments. Er veröffentlichte: «Chrestomathia Pliniana» (Berl. 1857), «Skopas’ Leben und Werke» (Greifsw. 1863), «Vindiciae Plinianae» (Heft 1, ebd. 1853; Heft 2, Erlangen 1866), «Charlotte von Schiller und ihre Freunde» (3 Bde., Stuttg. 1860‒65), «Codex Urbis Romae topographicus» (Würzb. 1871), «Goethes Briefe an Johanna Fahlmer» (Lpz. 1875), «Briefe an Schiller» (Stuttg. 1877), «Beiträge zur Kunstgeschichte» (Lpz. 1885), «Grundlegung und Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft» (in Iw. Müllers «Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft», Nördl. 1886) u. a. m. Auch gab er den Agricola des Tacitus (Würzb. 1875) heraus und war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift «Eos» (ebd. 1854 fg.). – Vgl. Martin Hertz in den «Neuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik», 1890, 2. Abteil.

Urliste, die vom Vorsteher einer jeden Gemeinde alljährlich aufzustellende Liste der in der Gemeinde wohnhaften Personen, welche zum Schöffen- oder Geschworenendienst berufen werden können. Näheres s. Schöffengericht und Schwurgericht.

Urmaß, Urmaßstab, s. Normalmaß und Maßstab.

Urmenschen, Diluvialmenschen, Menschen aus vorgeschichtlicher Zeit, kennt man bisher aus verschiedenen Stufen des diluvialen Schichtensystems und von sehr zahlreichen Lokalitäten Europas, wo entweder Skelettreste derselben fossil, oder nur sonstige Beweise ihres einstigen Daseins, Geräte u. s. w. sich gefunden haben. Unter diesen Fundpunkten sind mitteldiluvial die Süßwasserkalkbänke von Taubach bei Weimar, manche engl. Höhlenablagerungen u. a.; oberdiluvial, aus der jüngern Eiszeit sind die Menschenreste und ‑Spuren unter anderm aus dem Löß von Předmost in Mähren, aus dem Flußkies von St. Acheul bei Amiens, aus den Höhlen und Spalten von Spy in Belgien, Neanderthal bei Düsseldorf, Balve bei Iserlohn und aus den Schichten von Schussenried am Bodensee. (S. auch Dryopithecus, Fontani, Anthropologie und Urgeschichte.)

Urmeristem, s. Meristem.

Urmiá oder Urûmijah, im 9. und 10. Jahrh. auch Urmija, Stadt 20 km westlich vom Urmiasee (s. d.), die schönste in der pers. Provinz Aserbeidschan, Sitz eines Gouverneurs, vom Schaher-tschai und künstlichen Wasseradern durchflossen und von Obstgärten umgeben, hat eine Ringmauer von Backsteinen, reinliche Straßen und 33000 E., darunter 30000 meist schiitische Mohammedaner, 2000 Juden und 600 nestorianische oder chaldäische Christen, die einen eigenen Bischof haben. Der Hauptsitz einer nordamerik. Mission ist das 7 km südwestlich und 325 m über der Stadt gelegene Dorf Seïr. In alter Zeit hieß U. Thabarma (auch Thebarmae).

Urmiasee, auch Derja-Schahi (d. h. Königssee), See von Maragha oder See von Täbris genannt, See in der pers. Provinz Aserbeidschan, 1230 m ü. d. M., südwestlich von Täbris gelegen, ist 126 km lang, 15‒48 km breit und durch gebirgige Halbinseln unregelmäßig gestaltet. Der See bedeckt 3676 qkm, umschließt sechs größere Inseln (im Süden), außerdem an 50 Eilande und Klippen und hat nur geringe Tiefe. Wie der durch eine hohe Gebirgskette von ihm geschiedene, nordwestlich in Türkisch-Armenien gelegene Wansee, zeichnet er sich durch Salzreichtum aus, und ist überhaupt ein echter Steppensee. Abfluß hat er nicht, dagegen nimmt er auf allen Seiten Flüsse und Bäche auf, besonders den Fluß von Täbris, Adschi-tschai, von NO. und den Dschaghatu von S. Viele Stellen seines Ufers überschwemmt er bei Hochwasser und bildet dann namentlich am Ostufer salzige Sümpfe, die man ausbeutet. Der Wasserstand schwankt, geht aber augenscheinlich zurück.

Urmija, s. Urmia.

Urmutterzellen, s. Pollen.

Urna (lat.), ungar. Flüssigkeitsmaß, s. Eimer.

Urnen (lat.), Gefäße von gebranntem Thon, die in prähistor. Gräbern, gefüllt mit der Asche von Toten, gefunden werden. (S. Prähistorische Thongefäße.) Sie sind teils noch mit der Hand gearbeitet, teils schon auf der Töpferscheibe gedreht und gehören sonach, wie die Gräber, sehr verschiedenen Zeiten vor und nach der christl. Zeitrechnung an. Verziert sind sie meist noch sehr roh mit Punkten, kleinen