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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Urkundenlehre; Urkundenprozeß

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Urkundenlehre – Urkundenprozeß

falsche Beurkundungen oder falsche Eintragungen vornimmt: §. 348). Die Strafe der U. ist regelmäßig Gefängnis bis zu 5 Jahren. Wenn die U. begangen wird in der Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder andern Schaden zuzufügen, so tritt Zuchthaus bis zu 5 Jahren und nach Ermessen Geldstrafe bis 3000 M. bei Fälschung von Privaturkunden, bei Fälschung von öffentlichen Urkunden aber die doppelte Strafe ein, überall vorbehaltlich der Annahme mildernder Umstände. Die Strafe der intellektuellen U. ist: für die einfache Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geld bis zu 300 M., für die qualifizierte (gewinnsüchtige u. s. w.) Zuchthaus bis zu 10 Jahren und nach Ermessen Geld bis zu 6000 M. (hier ist das Schwurgericht zuständig, sonst immer Strafkammer); für den Fall des § 348 ist die Strafe Gefängnis nicht unter 1 Monat (Strafkammer), und bei gewinnsüchtiger oder Schadensabsicht Zuchthaus bis 10 Jahre und Geld bis 3000 M. (Schwurgericht). Der U. ähnliche Strafthaten sind: 1) Urkundenvernichtung (s. d.). 2) Fälschung, Verfälschung oder wissentlicher Gebrauch von falschen oder gefälschten Stempel-, Post- oder Telegraphenwertzeichen (§. 275, Strafe: Gefängnis nicht unter 3 Monaten; Strafkammer). 3) Wissentliche Wiederverwendung schon verwendeter Stempelpapiere, ‑Marken, ‑Blankette, ‑Abdrücke, Post- oder Telegraphenwertzeichen (auch Entfernung des Entwertungszeichens). Strafe nach §. 276 in Verbindung mit Novelle vom 13. Mai 1891: Geldstrafe bis zu 600 M. (Strafkammer). 4) Wissentliches Feilhalten oder Veräußern der unter 3 bezeichneten Gegenstände. Strafe nach §. 364 und der citierten Novelle: Geldstrafe bis zu 150 M. (Schöffengericht). 5) Unbefugte Anfertigung oder Verabfolgung von Formen zur Anfertigung solcher Gegenstände oder unbefugter Druck derselben. Strafe nach §. 360, Nr. 4 und 5 und der citierten Novelle: Geldstrafe bis 150 M. (Schöffengericht). 6) Fälschen, Verfälschen, Wiederverwenden, Veräußern oder Feilhalten entwerteter Versicherungsmarken nach §. 154 des Reichsgesetzes vom 22. Juni 1889, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung. Strafe: Gefängnis nicht unter 3 Monaten, vorbehaltlich der Feststellung mildernder Umstände in gewissen Fällen, und Einziehung (Strafkammer). Unbefugte Herstellung von Formen für solche Marken, deren Druck und unbefugte Verabfolgung von Formen und Druck wird mit Geld bis 150 M. und Einziehung bestraft (Schöffengericht). 7) Unbefugte Ausstellung von Gesundheitszeugnissen auf den Namen einer approbierten Medizinalperson und Gebrauchmachen zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften, ebenso auch Verfälschung echter Zeugnisse (§. 277, Strafe: Gefängnis bis zu 1 Jahre; Strafkammer). 8) Ausstellung eines falschen Gesundheitszeugnisses zum Zwecke des Gebrauches bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft, ebenso wie der Gebrauch eines solchen Zeugnisses (§. 278, 279, Strafe: Gefängnis von 1 Monat bis zu 2 Jahren oder [bei bloßem Gebrauche] Gefängnis bis zu 1 Jahre; Strafkammer). 9) Fälschung telegr. Depeschen durch eine bei einer Telegraphenanstalt angestellte Person (§. 355, Strafe: Gefängnis nicht unter 3 Monaten; Strafkammer). 10) Fälschung oder Verfälschung von Pässen, Militärabschieden, Wanderbüchern, sonstigen Legitimationspapieren (Dienstbüchern u. s. w.) in der Absicht, mittels derselben zum Zwecke seines bessern Fortkommens oder des bessern Fortkommens eines andern zu täuschen. Strafe: Haft oder Geld bis 150 M. (Schöffengericht). Gleiche Strafe trifft den, welcher von einem solchen gefälschten Papier Gebrauch macht, oder wer von einem echten, für einen andern ausgestellten solchen Papier für sich Gebrauch macht, oder nur dasselbe zu diesem Zwecke einem andern überläßt. 11) Fälschung eines amtlichen Warenverschlusses als Mittel zur Ausübung einer Konterbande oder Defraudation (Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869, §. 159. Strafe: wie für Fälschung öffentlicher Urkunden und Zollvergehensstrafe; Strafkammer). Das Österr. Strafgesetz behandelt die U. als eine Art des Betruges und straft mit Kerker von 6 Monaten bis 5 Jahren (Gerichtshof erster Instanz), in schweren Fällen mit schwerem Kerker von 5 bis 10 Jahren (§§. 199<sup>d</sup>, 201<sup>a</sup>, 202, 203; Geschworenengericht). – Vgl. Lenz, Die Fälschungsverbrechen, Bd. 1: Die U. (Stuttg. 1897).

Urkundenlehre, soviel wie Diplomatik (s. d.).

Urkundenprozeß, im Sinne der Deutschen Civilprozeßordnung (§§. 555 fg.) eine dem frühern Exekutivprozeß (s. d.) nachgebildete besondere Prozeßart, die darin besteht, daß zu Gunsten eines urkundlich liquiden Anspruchs eine schleunige, provisorische Rechtshilfe gewährt, dem gegenüber nur eine ebenfalls sofort liquidbare Verteidigung zugelassen, alle sonstigen Verteidigungsmittel dagegen einem Nachverfahren vorbehalten werden. Voraussetzung des U. ist, daß der geklagte Anspruch die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstande hat, und die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Thatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Die Klage muß die Erklärung, daß im U. geklagt werde, enthalten; die Urkunden müssen in Ur- oder Abschrift der Klage beigefügt werden. Die Verteidigung des Beklagten ist insofern beschränkt, als Widerklagen unstatthaft und als Beweismittel bezüglich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, sowie bezüglich aller Thatsachen, welche nicht zu den anspruchbegründenden Thatsachen gehören, insbesondere also der Einreden des Beklagten, nur Urkunden und Eideszuschiebung zulässig sind. Die Antretung des Urkundenbeweises (s. d.) kann nur durch Vorlegung der Urkunden erfolgen, und eine Eidesleistung ist allemal durch Beweisbeschluß anzuordnen. (S. Eid.) Der Kläger kann ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung vom U. Abstand nehmen derart, daß der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibt. Soweit der Klageanspruch als unbegründet sich erweist, ist derselbe abzuweisen, soweit nur der U. unstatthaft, die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abzuweisen. Kann der Beklagte den formellen Anforderungen des U. nicht genügen, so wird er in diesem Prozeß mit seinen Einwendungen nicht gehört. Jedoch ist ihm, sofern er dem Anspruch widersprochen hat, die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten. Das Urteil, welches unter diesem Vorbehalt ergeht, ist in betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurteil zu betrachten. Der Rechtsstreit bleibt dann im ordentlichen Verfahren anhängig. Ergiebt sich darin, daß der geltend gemachte Anspruch unbegründet war, so ist das frühere Urteil aufzuheben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und zur vollen oder teilweisen Erstattung der verursachten Kosten, sowie auf Antrag zur Erstattung des von dem Beklagten auf