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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Adduktoren; Adebar; A découvert; Adel

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Adduktoren - Adel (Deutschland).

Adduktoren (Anziehmuskeln) dienen zur Annäherung eines Gliedes an ein andres oder an die Achse des Körpers.

Adebar, im Niederdeutschen der Storch, besonders als Kinderträger und Kinderbringer.

A découvert (franz., "ohne Deckung") verkaufen heißt Wertpapiere oder Waren verkaufen, ohne sie zu besitzen. Vgl. Börse.

Adel, Landstrich in Ostafrika, s. Adâl.

Adel (v. altd. od, odal, sächs. edel, d. h. Land, Gut, auf den ursprünglichen Zusammenhang des Adels mit dem Grundbesitz hindeutend), bevorzugter Stand, welcher sich in allen europäischen Ländern, mit Ausnahme von Norwegen und der Türkei, vorfindet. In übertragener Bedeutung wird die Bezeichnung A. allerdings auch auf Personen angewendet, welche in andrer Hinsicht eine hervorragende Stellung einnehmen, wie man denn z. B. von einem A. der Gesinnung zu sprechen pflegt. Als Stand und zwar wesentlich als Geburtsstand hat der A. seine Entstehung in dem Feudalwesen des Mittelalters, so namentlich in Deutschland. Einzelne Freie verdingten sich hier den Königen zu Hof- und Kriegsdienst, ein Verhältnis, welches man im allgemeinen als Ministerialität bezeichnet. Diese Ministerialen erhielten für ihre Dienste kleinere und größere Grundstücke zu Lehen, welche Verleihungen anfangs bloß persönlich waren. Um nun solche Herrengeschlechter an ihre Sache zu fesseln, gestanden ihnen die Könige, die eines Rückhalts gegen die Fürsten bedurften, namentlich seit Konrad II. (1024-39), die Erblichkeit der Lehen zu. Danach entwickelte sich, besonders seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., die Erblichkeit auch der größern Reichslehen, der Herzogtümer, Grafschaften etc. Diese Entwickelung war noch dadurch begünstigt worden, daß auf dem Grundeigentum die Pflicht zur Heeresfolge lastete, und daß die kleinern freien Grundbesitzer, welche den Kriegsdienst (mit dem Bewaffnung und Unterhaltung auf eigne Kosten verknüpft waren) scheuten, ihr Eigentum den mächtigern abtraten, um es als Lehen von denselben zurückzuerhalten und so der Pflicht zur Heeresfolge ledig zu werden. Die ehemals ebenbürtigen und gleichberechtigten Freien standen nun als Befehlende und Gehorchende, als Herren und Diener, einander gegenüber. Um ihre Macht zu befestigen, wirkten sich die Gewalthaber von den Königen mannigfache Privilegien aus, welche sie auf ihre Nachkommen vererbten, besonders das des ausschließlichen Rechts zum Reiter- (Ritter-) Dienst im Krieg. Der Besitz dieser Vorrechte mußte das Streben, sich als einen von dem übrigen Volke gesonderten Stand zu betrachten, begünstigen, und aus der naturgemäßen Fortbildung solchen Strebens hat sich in Deutschland seit dem 10. Jahrh. der Stand des Erbadels entwickelt. In späterer Zeit trat dann die noch jetzt wichtige Sonderung des Adels in einen hohen und niedern ein. Dem hohen oder reichsunmittelbaren A. gehörten diejenigen an, welche Reichsstandschaft, d. h. Sitz und Stimme auf den Reichstagen, hatten und niemand als den Kaiser über sich anerkannten. Die unter einem Landesherrn, also nur mittelbar unter dem Kaiser stehenden Adligen machten den in sechs Klassen (Titulargrafen, Reichsfreiherren oder Barone, Edle oder Bannerherren, Ritter des heiligen römischen Reichs, Edle von, auf oder zu und endlich Adlige mit dem Prädikat "von"; über letzteres s. Adelsprädikat) zerfallenden niedern, landsässigen oder reichsmittelbaren A. aus. Doch wurde auch die reichsfreie Ritterschaft zum niedern A. gerechnet (s. Reichsritterschaft).

Privilegien, Titulaturen etc. des deutschen Adels.

Die staats-, kirchen- und privatrechtlichen Privilegien des Adels zur Zeit des ehemaligen Deutschen Reichs waren von sehr bedeutendem Umfang. Außer der dem hohen A. ausschließlich zukommenden Landeshoheit und Reichsstandschaft genossen alle Klassen des Adels folgender Privilegien: die Schriftsässigkeit, d. h. das Recht, nicht vor einem Gericht unterer Instanz, sondern vor einem höhern Gericht Recht zu nehmen; Steuer-, Zoll- und Militärfreiheit; Vorrecht auf gewisse Ämter, z. B. beim Reichskammergericht; Siegelmäßigkeit, d. h. das Recht und die Gewalt, jeder Urkunde durch Beidrückung des adligen Siegels die Wirkung einer öffentlichen Urkunde beizulegen; Kirchenpatronat und Patrimonialgerichtsbarkeit, sofern der Adlige begütert war; Befreiung vom kirchlichen Aufgebot; Autonomie, d. h. das Recht, in gewissem Umfang nicht nur für die eignen Nachkommen und Erben, sondern auch für Dritte verbindliche Normen über Familienangelegenheiten festzustellen; ein ausschließliches Recht auf den Geschlechtsnamen und das Geschlechtswappen; eine vorzüglichere äußere Ehre vor den Bürgerlichen, verbunden mit den Prädikaten Hochwohlgeboren u. dgl. Bei einigen dieser Rechte (z. B. um in ein Domkapitel, in den deutschen Herren-, den Malteser- oder Johanniterorden aufgenommen werden zu können, um an den Turnieren Anteil zu nehmen etc.) genügte nicht der eigne, persönliche A., sondern es wurde noch gefordert, daß der Adlige eine bestimmte Anzahl von adligen und zwar adlig gebornen, nicht erst durch Standeserhöhung geadelten Vorfahren, sogen. Ahnen (s. d.), von väterlicher und mütterlicher Seite aufweisen könne.

Diese Verhältnisse hörten mit dem Deutschen Reich zugleich auf, ja die Rheinbundsakte und die Verfassungen der neuentstandenen Staaten verringerten allenthalben die Vorrechte des Adels oder hoben sie, wie die Konstitution des Königreichs Westfalen, geradezu auf. So kommt es, daß wirkliche Vorrechte heutzutage nur dem hohen A. zustehen. Dieser hohe A. umfaßt die Familienangehörigen der souveränen Fürstenhäuser und der mediatisierten Familien, welche früher im Besitz reichsunmittelbarer Territorien waren und Reichsstandschaft hatten. In Ansehung der letztern war in der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 bestimmt, daß auch die Mediatisierten künftig zu dem hohen A. in Deutschland gerechnet würden, und daß ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit (s. d.) mit den regierenden Häusern bleiben sollte. Ferner sollten die Mediatisierten und ihre Familien die privilegierteste Unterthanenklasse, namentlich in Ansehung der Besteuerung, bilden; ihre noch bestehenden Familienverträge sollten aufrecht erhalten werden, und es sollte ihnen auch fortan die Befugnis zustehen, über ihre Güter und Familienverhältnisse autonomische Anordnungen zu treffen. Endlich sollte dem hohen A. ein privilegierter Gerichtsstand, die Befreiung von aller Militärpflichtigkeit, die Ausübung der Gerichtsbarkeit in erster und, wo die Besitzungen groß genug, auch in zweiter Instanz, die Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei und Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen zustehen. Allein diese Rechte sind in den Einzelverfassungen sehr beschnitten und nur das Recht der erblichen Mitgliedschaft in der Ersten Kammer ist den Mediatisierten in allen Staaten mit Zweikammersystem erhalten worden. Der privilegierte Gerichtsstand und die eigne Gerichtsbarkeit sind durch die deutschen Justizgesetze vollständig beseitigt. Dagegen ist die Befreiung von der Militärdienstpflicht im Reichswehrgesetz aufrecht er-^[folgende Seite]