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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Knochenbreccie; Knochenbrecher; Knochenbrüche

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Knochenbreccie - Knochenbrüche.

das Schienbein, dem K. verfallen, so wird die Höhlenwand von der übrigbleibenden Beinhaut gebildet; ist nur ein kleines Stück aus der festen Knochenrinde ausgestoßen, so liegt es mitten in harter Knochensubstanz; in beiden Fällen kann die Beinhaut von außen her neue Knochenmassen an die Höhlenwand anbilden, so daß das lose Stück hierdurch gleichsam eingesargt wird. Diese dicke Knochenschale hat man diesem Bild entsprechend die Totenlade, Knochenlade (capsula sequestralis, Fig. a) genannt. Sie ist selten eine fest geschlossene Kapsel, sondern meist vielfach durchlöchert, so daß man durch die beim K. bestehenden Eiterfisteln der Weichteile mit einer Sonde den beweglichen Sequester durch die Totenlade hindurch fühlen kann. Eine Heilung kann, da der Sequester nicht von selbst verschwindet, nur durch Aufmeißeln der harten Schale und Entfernung des abgestorbenen Splitters erzielt werden. Ist dies geschehen, so erfolgt meist eine Ausfüllung der Höhle mit weichem, später verknöcherndem Gewebe, und wenn auch oft durch Knochenauflagerungen sonderbare groteske Formen des Knochens entstehen, so kehrt doch die Brauchbarkeit wieder, die Haltbarkeit ist sogar noch durch die Neubildung verstärkt. Eine eigentümliche Form des Knochenbrandes ist die sogenannte Phosphornekrose (s. d.).

^[Abb.: a Totenlade. b Sequester.]

Knochenbreccie (weil vollständig germanisiert, gewöhnlich brekzie gesprochen, richtiger brettsche; auch Knochenkonglomerat), Trümmergestein, aus Knochen von Wirbeltieren, zertrümmerten Knochenresten, ferner aus einem Bindegestein, meist Mergel oder Kalk, aber auch Thon, Eisenstein oder Kiesel, und in der Regel neben den Knochen auch aus Trümmern von Schaltierresten und Kalkbrocken bestehend. Die verschiedenen Bestandteile sind stets durch das Bindemittel fest verbunden, wenn von einer Breccie die Rede ist. Andernfalls spricht man von losen Knochenlagern u. dgl. Die Knochenbreccien sind verschiedenen Alters, in vielen Fällen diluvial, wie die K. von Raubtieren (Karnivorenbreccie) in den Höhlen oder die Spaltausfüllungen durch Pflanzenfresserreste am Mittelmeer (Herbivorenbreccie). Die ältern Knochenbreccien (im Muschelkalk und an der Grenze zwischen Keuper und Jura) bestehen aus Saurierknochen, Saurierzähnen, Fischzähnen und Koprolithen. Für sie (namentlich für die im Hangenden der Triasformation zur Rätischen Formation [s. Triasformation] gehörigen) sind die Bezeichnungen Knochenlager und Bonebed gebräuchlich.

Knochenbrecher, s. Narthecium.

Knochenbrüche (Fracturae), plötzliche Trennungen des Zusammenhangs eines Knochens, welche fast immer durch eine von außen andringende Gewalt, seltener durch heftige Muskelkontraktionen oder sonstige im Knochen selbst liegende Umstände bewirkt werden. K. letzterer Art nennt man Spontanfrakturen. Hohes Alter des Individuums, gewisse Konstitutionskrankheiten, wie Syphilis, Krebs, Rhachitis, Skrofeln und Skorbut, und örtliche Krankheiten, wie z. B. Knochengeschwülste, Echinokokken etc., begünstigen die spontanen K. Man unterscheidet rücksichtlich der Anzahl der bestehenden Brüche: die Fractura simplex, wenn nur eine Trennung stattfindet, die F. duplex, wenn ein Knochen zweimal gebrochen ist; nach dem Grade der Trennung: die F. completa s. perfecta, Trennung der ganzen Masse, und die F. incompleta s. imperfecta, eine teilweise Aufhebung des Zusammenhangs, die entweder eine Fissura (Spalte) oder eine Infractio (Einknickung) sein kann; bez. der Richtung der Trennung: den Bruch mit unbestimmter Richtung oder den Splitterbruch und den Bruch mit bestimmter Richtung, der entweder ein Querbruch, oder ein schiefer Bruch, oder ein Längenbruch ist; rücksichtlich der Verschiebung der Bruchstücke: Knochenbruch mit und ohne Dislokation der Bruchenden; in Bezug auf das gleichzeitige Entstehen oder Bestehen andrer Krankheitszustände endlich: die einfache Fraktur, welche eine einfache Trennung des Knochens ohne Zerreißung der Haut darstellt, und die komplizierte Fraktur, wo die Trennung des Knochens mit andern Zufällen, namentlich mit einer Hautwunde und grober Verletzung benachbarter Weichteile, vergesellschaftet ist. Erkannt werden die K. durch die Schmerzhaftigkeit an der gebrochenen Stelle, durch die äußerlich sichtbare Verschiebung der Bruchenden, durch die jedesmal vorhandene, durch Blutaustritt bedingte Schwellung und das Knirschen (Krepilation) beim Bewegen der Bruchenden. Bei Knochenbrüchen der langen Röhrenknochen ist außerdem die Funktion der Muskeln gestört, der Arm kann nicht erhoben, das Bein nicht zum Gehen angesetzt werden. Die Bedeutung der K., die Beschwerden, welche sie mit sich führen etc., sind je nach der Individualität des Falles außerordentlich verschieden. Wirkte die Gewalt, welche den Bruch veranlaßte, mit großer Heftigkeit und in großer Ausdehnung ein, so ist der Verlauf ungünstiger, als wenn die Einwirkung eine vorübergehende und beschränkte war. Brüche in der Nähe der Gelenke sind gefährlicher als andre, weil sie zur Gelenkentzündung führen können. Ein einfacher Querbruch ohne Quetschung und Verschiebung läßt einen weit günstigern Ausgang hoffen als ein Splitterbruch, ein Schiefbruch mit Verwundung der Weichteile, mit Verrenkung des Gelenks u. dgl. Jüngere, robuste, wohlgenährte und aller Bequemlichkeit des Lebens sich erfreuende Patienten können einem schnellern Ausgang entgegensehen als ältere, schwächliche und in Dürftigkeit lebende Kranke.

Die Behandlung der einfachen K. muß je nach dem betroffenen Knochen eine verschiedene sein, doch lassen sich folgende allgemeine Momente aufstellen. Zum Transport der Kranken, der mit möglichster Schonung geschehen muß, hat man Vorrichtungen verschiedener Art, Tragbetten, Tragbahren und Schwungtragen, welche namentlich in der Kriegschirurgie eine