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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kreuzzüge

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Kreuzzüge (dritter bis siebenter Kreuzzug; Folgen der K.).

erlitten aber mehr durch unvorsichtige Teilung, so besonders die Heeresabteilung unter Otto von Freising, und schlechte Verpflegung als durch die Schuld des griechischen Kaisers Manuel und durch einen Überfall des Sultans von Ikonion so große Verluste, daß nur etwa der zehnte Teil den Rückzug nach Nicäa antrat. Ludwig war an der Küste entlang gegangen und von Pamphylien nach Antiochia gesegelt, wo er sich mit dem deutschen König Konrad II. vereinigte. Nachdem der Plan, Edessa zu erobern, aufgegeben war, machte man einen Angriff auf Damaskus, der aber, hauptsächlich infolge des Verrats der syrischen Fürsten, scheiterte. Hierauf kehrten die beiden Könige in ihre Staaten zurück.

Die Veranlassung zum dritten Kreuzzug (1189 bis 1193) war die Eroberung von Jerusalem 2. Okt. 1187 durch Saladin, den mächtigen Sultan von Ägypten. Es Beteiligten sich an demselben Kaiser Friedrich I., Barbarossa, sowie die Könige von Frankreich und England, Philipp II. August und Richard Löwenherz. Friedrich brach zuerst auf mit einem Heer, welches unterwegs durch Zuzüge bis auf 100,000 Mann anwuchs; er wählte den Weg längs der Donau und hatte unterwegs die Ränke des argwöhnischen griechischen Kaisers Isaak Angelos zu bekämpfen, den erst die Einnahme Adrianopels bewog, ihm freien Durchzug und die Überfahrt nach Kleinasien zu gestatten. Hier schlug er in zwei Schlachten, bei Philomelion (7. Mai) und bei Ikonion (18. Mai), das Heer des Sultans von Ikonion, fand aber bald darauf (10. Juni) im Fluß Kalykadnos (Saleph) seinen Tod. Sein Sohn Friedrich, der tapfere Schwabenherzog, führte zwar das Heer weiter über Antiochia nach Akka, wo er die übrigen Kreuzritter fand, starb aber schon 20. Jan. 1191. Die Stadt Akka wurde von den beiden Königen, die unterdessen zur See angekommen waren, nach fast zweijähriger Verteidigung 12. Juli 1191 durch Kapitulation genommen. Streitigkeiten über die Beute und angebliche Krankheit bewogen kurz nach der Einnahme den französischen König, in seine Heimat zurückzukehren. Richard blieb zurück, aber an der Hoffnung, Jerusalem zu erobern, verzweifelnd, schloß er 1. Sept. 1192 mit Saladin einen Waffenstillstand auf drei Jahre und drei Monate, wonach dieser zwar im Besitz von Jerusalem bleiben, dagegen den Christen die Küste von Tyros bis Jafa und die Hälfte des Gebiets von Ramla und Lidda gehören und der Besuch des Heiligen Grabes freistehen sollte.

Der sogen. vierte Kreuzzug (1202-1204) hatte ursprünglich Ägypten zum Ziel. Die Teilnehmer aber ließen sich von den Venezianern, welche die Überfahrt übernommen hatten, bewegen, dazu behilflich zu sein, den vertriebenen Isaak Angelos wieder auf den byzantinischen Thron zu setzen. Dies gelang, Isaak starb aber bald, und nun setzten die Kreuzfahrer den Krieg weiter fort; Konstantinopel wurde mit Sturm genommen, Graf Balduin von Flandern zum Kaiser gewählt und so das lateinische Kaisertum errichtet, welches jedoch nur 57 Jahre (1204-61) bestand. Sehen wir von dem abenteuerlichen Kreuzzug der Kinder 1212 und von dem erfolglosen des Königs Andreas II. von Ungarn nach Syrien (1217-18) ab, so folgt als fünfter Kreuzzug der Zug Friedrichs II. 1228-29. Er fand auf demselben trotz des päpstlichen Verbots durch die Bemühung des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, Unterstützung bei den Ordensrittern, erlangte von dem durch den Sultan von Damaskus bedrohten Sultan von Ägypten einen zehnjährigen Waffenstillstand und während desselben den Besitz Jerusalems und fast des ganzen einst von den Kreuzfahrern eroberten Landes und krönte sich darauf selbst zum König. Eine Verletzung des Waffenstillstandes durch einige Pilger führte abermals den Verlust Jerusalems herbei (1239), welches zwar 1240 an den Grafen Richard von Cornwallis zurückgegeben wurde, aber schon 1244 nach einer großen Niederlage wieder an die Chowaresmier verloren ging. Deshalb unternahm Ludwig IX., der Heilige, König von Frankreich, den sechsten Kreuzzug (1248-54), den er in schwerer Krankheit gelobt hatte. Er besetzte 1249 Damiette, wurde aber bei weiterm Vordringen vom Feind eingeschlossen und geriet mit einem großen Teil seines Heers in Gefangenschaft. Gegen die Räumung Damiettes und die Zahlung eines schweren Lösegeldes erhielt er die Freiheit wieder und verweilte darauf, mit der Sicherung der christlichen Besitzungen in Palästina beschäftigt, in Akka, bis ihn der Tod seiner Mutter Blanka, Regentin von Frankreich, zurückrief. Weil dieser Kreuzzug ohne Erfolg geblieben war, unternahm er 1270 den siebenten Kreuzzug zunächst nach Tunis, angeblich in der Hoffnung, daß der Fürst dieses Landes Christ werden wolle, in Wirklichkeit aber, um Tunis für Karl von Anjou zu erobern. Vor dieser Stadt rafften den größten Teil seines Heers und ihn selbst 25. Aug. ansteckende Krankheiten hin, während er auf die Ankunft seines Bruders Karl von Anjou wartete. 1291 fiel Akka, die letzte wichtige Besitzung der Christen, trotz tapferer Verteidigung durch die Tempelherren und Johanniter in die Hände der Ungläubigen, worauf auch die andern ihnen noch gebliebenen Plätze von den Christen selbst aufgegeben wurden.

So endigten die K., welche ihren eigentlichen Zweck zwar verfehlten, aber doch nicht ohne tief eingreifende und umfassende Folgen waren. Sie erweiterten einerseits die Macht und das Ansehen der Päpste, der ersten Urheber derselben, anderseits die Hausmacht der Fürsten durch Erledigung vieler Lehen, deren Inhaber auf den Zügen ihren Untergang gefunden hatten; sie begründeten das Entstehen bürgerlicher Gemeinden, welche sich von ihren in Geldnot sich befindenden Herren eine Freiheit nach der andern erkauften; sie beförderten das Aufkommen eines freien Bauernstandes, indem viele Leibeigne, um die Freiheit zu erlangen, das Kreuz nahmen und nun der Ackerbau freien Leuten übertragen wurde; sie gaben dem Handel, besonders seit der Eroberung von Konstantinopel, neue Richtungen, erweiterten die geographischen Kenntnisse, förderten die Poesie, indem sie ihr Stoff darboten, bildeten endlich den weltlichen Ritterstand aus, die schönste Erscheinung des Mittelalters, und veranlaßten die Stiftung der drei geistlichen Ritterorden der Johanniter, Templer und der Deutschordensbrüder. Vgl. Wilken, Geschichte der K. nach morgenländischen und abendländischen Berichten (Leipz. 1807-32, 7 Bde., reicht bis ins 13. Jahrh.); Michaud, Histoire des croisades (neueste Ausg. 1874, 4 Bde.; deutsch, nach der 4. Aufl., Quedlinb. 1827-32, 7 Bde.); Derselbe, Bibliothèque des croisades (Par. 1830, 4 Bde.); B. Kugler, Geschichte der K. (Berl. 1880); Derselbe, Albert von Aachen (Geschichte der ersten K., Stuttg. 1885); Prutz, Kulturgeschichte der K. (Berl. 1883); Henne-Am Rhyn, Die K. und die Kultur ihrer Zeit (Leipz. 1883); Heeren, Versuch einer Entwickelung der Folgen der K. für Europa (Götting. 1808); Sybel, Geschichte des ersten Kreuzzugs (2. Aufl., Düsseld. 1881); Kugler, Studien zur Geschichte des zweiten Kreuzzugs (Stuttg. 1866); Röhricht, Beiträge zur Geschichte der K.