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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Polen

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Polen (Geschichte bis 1546).

schen Herzog Wilhelm von Österreich. Endlich wurde Hedwig anerkannt und 15. Okt. 1384 als "König" von P. gekrönt, ihre Ehe mit Herzog Wilhelm aber getrennt und sie gezwungen, den Großfürsten von Litauen, Jagello, zu heiraten, der dafür zum Christentum übertrat und in der Taufe den Namen Wladislaw empfing. Am 4. März 1386 wurde derselbe als Wladislaw II. zu Krakau gekrönt, und mit ihm beginnt das Herrscherhaus der Jagellonen.

Höchste Machtentwickelung Polens unter den Jagellonen (1386-1572).

Die Einführung des Christentums in Litauen und die Vereinigung dieses Landes, zu welchem damals eine große Anzahl russischer Fürstentümer gehörte, mit P. gaben der ganzen osteuropäischen Geschichte eine veränderte Richtung. Zwar wurde nach heftigen Familienkämpfen ein Vetter Jagellos, Witold, in Wilna als Großfürst eingesetzt, der Jagellos Oberhoheit nur scheinbar anerkannte. Aber durch die Verbrüderung des polnischen und litauischen Adels zu Horodlo (1413) wurde die Verschmelzung beider Länder angebahnt, und P. erhielt dadurch einen bedeutenden Aufschwung seiner Macht. Rotrußland wurde 1387 definitiv P. einverleibt, Podolien 1431. Der mächtigste der Vasallen, Herzog Wladislaw von Oppeln, wurde 1396 gedemütigt und seiner großpolnischen Lehen beraubt. Vor allem erlangte P. durch seine Vereinigung mit Litauen das Übergewicht über den Deutschen Orden. Nachdem 1405 die an den Orden verpfändeten Landschaften Kujavien und Dobrzyn durch Rückzahlung der Pfandsumme eingelöst worden, kam es wegen Samogitien 1410 zu einem Krieg mit dem Orden, in welchem dessen Streitmacht bei Tannenberg (15. Juli) fast vernichtet wurde. Doch entwickelte er noch so viel Widerstandskraft, daß er im 1. Thorner Frieden (1. Febr. 1411) nur Samogitien abtrat und auch in einer weitern Reihe von Kriegen bis zum Frieden von Brzesc (1435) sein Gebiet behauptete, wenn auch die Grundlagen seiner Macht untergraben wurden.

Im Innern mußte Wladislaw Jagello dem Adel im Interesse seiner Dynastie wichtige Vorrechte zugestehen. Er erkannte das Erfordernis des Provinzialindigenats für alle Ämter an, verpflichtete sich zu Schadenersatz bei Kriegen im Inland und zu förmlicher Löhnung bei Kriegen im Ausland, machte die Steuerauflagen und die Ausübung der Münzgerechtigkeit von der Bewilligung des Adels, das Recht der Konfiskationen von dem richterlichen Erkenntnis abhängig und gab zu, daß kein Edelmann, außer wenn er über einem Kapitalverbrechen ertappt würde, gefänglich eingezogen werden dürfe. Durch diese Vorrechte kam der Schwerpunkt der Staatsgewalt ganz in die Hand des Adels, der allein gesicherte Rechte besaß, und die Ausübung derselben fiel dem Reichstag zu, der sich noch ohne fest bestimmte Formen aus den Landtagen zusammensetzte. Den Kern desselben bildete die Baronie, welche aus den vornehmsten Hofbeamten, den Woiwoden und hervorragenden Kastellanen der Landschaften und aus den Bischöfen bestand. Diesen schlossen sich dann die Vertreter des Adels der Landschaften in unbeschränkter Zahl an. Nur bei besondern Gelegenheiten nahmen auch Abgeordnete aus einigen Hauptstädten am Reichstag teil. Denn die Städte mit ihrer teilweise fremden Bevölkerung wurden von dem streng nationalen Adel möglichst zurückgedrängt. Noch schlimmer war die Lage der bäuerlichen Bevölkerung, in welcher die freien Leute immer mehr verschwanden, die Hörigkeit allgemein wurde und härtere Formen annahm. Jene Vorrechte hatte der Adel dem König zuerst 1422 vor Beginn des damaligen Kriegs mit dem Orden im Heerlager bei Czerwinsk abgetrotzt. Als er sich weigerte, 1426 für die Anerkennung der Thronfolge seines Sohnes Wladislaw die Vorrechte zu bestätigen, wurde die schon entworfene Anerkennungsurkunde im offenen Reichstag mit Säbeln zerhauen, und kurz vor seinem Tod (1434) fügte sich Jagello und bestätigte seine Zugeständnisse auch formell (1433).

Auf Wladislaw Jagello folgte sein zehnjährige Sohn Wladislaw III. (1434-44). Bis zu seiner Mündigkeit (1439) führte der Bischof von Krakau, Zbygniew Olesnicki, die Regierung. Die päpstliche Kurie bewirkte 1440 die Wahl Wladislaws zum König von Ungarn, um im Osten eine den Türken gewachsene Macht zu schaffen, doch verlor Wladislaw bei Warna 10. Nov. 1444 gegen die Türken Sieg und Leben. Nun beriefen die Polen seinen jüngern Bruder, Kasimir IV. (1444-92), bisher Großfürst von Litauen, auf den Thron. Demselben bot sich eine günstige Gelegenheit zu einer bedeutenden Vermehrung der polnischen Macht, als 1453 der Landadel und die Städte des Ordensstaats sich empörten und Kasimir unter Vorbehalt einer gewissen Autonomie die Herrschaft anboten. Erst nach einem langwierigen Krieg erwarb Kasimir im zweiten Thorner Frieden (19. Okt. 1466) Westpreußen nebst Ermeland und damit den Zugang zum Meer, während Ostpreußen dem Orden verblieb, aber polnisches Lehen wurde. Mit dieser wichtigen Vermehrung der äußern Macht hielt aber die Befestigung der königlichen Gewalt und der Reichseinheit nicht Schritt. Die Magnaten, welche sich während der Minderjährigkeit Wladislaws III. der meisten Reichsdomänen bemächtigt hatten, rangen dem König immer neue Privilegien ab. 1468 wurde bestimmt, daß nicht mehr der gesamte Adel einer Landschaft auf dem Reichstag erscheinen dürfe, sondern zwei Vertreter mit imperativem Mandat zu schicken habe. Damit fiel der Schwerpunkt der Gesetzgebung an die Landtage der Provinzen zurück, unter denen die von Litauen und Preußen ihre Selbständigkeit eifersüchtig wahrten. Dazu kam noch, daß sich Kasimir mit dem Klerus entzweite, weil er das königliche Besetzungsrecht der Bistümer nicht aufgeben wollte.

Nach den kurzen Regierungen der ältern Söhne Kasimirs, Johanns I. Albrecht (1492-1501) und Alexanders (1501-1506), übernahm der jüngste, Siegmund I. (1506-48), die königliche Gewalt, die inzwischen dadurch eine erhebliche Verminderung erfahren hatte, daß 1494 die Entscheidung über Krieg und Frieden von der Bewilligung des Adels abhängig gemacht und die Verfügung über die ohnehin sehr verminderten Domänen der Krone entzogen worden war. Siegmund geriet gleich bei Beginn seiner Regierung in Krieg mit Rußland, das unter Iwan I. Wasiljewitsch einen großen Aufschwung nahm und Litauen, Nowgorod und große Teile von Weißrußland entriß. Siegmund besiegte zwar die Russen bei Orsza (1514), doch wurde der Krieg dadurch nicht beendet. Ebensowenig zwang der glänzende Sieg der Polen über die Tataren bei Wisniowietz (1512) diese zum Frieden; erst das Vordringen der Türken, mit denen P. 1546 ein Bündnis schloß, befreite es von diesem Feind. Ein Versuch des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg, Westpreußen wiederzuerobern, wurde rasch vereitelt, und Albrecht schloß 1525 mit P. den Frieden von Krakau, in welchem er als Herzog von Preußen anerkannt wurde und den ersten Sitz neben dem König in der Reihe der polnischen Senatoren erhielt, dafür aber sich der polnischen Lehnshoheit unterwarf.