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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Russisches Reich

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Russisches Reich (Gewässer, Klima).

provinzen, besonders in Esthland, welches fast alle Tiere des silurischen Systems enthält, aber auch im Dnjeprgebiet und in Podolien vertreten; devonische Schichten finden sich in Livland, Großrußland (Woronesh und anderwärts); Steinkohlenablagerungen hauptsächlich am Donez und im Moskauischen, mit Fortsetzungen nach Nishnij Nowgorod und Pensa. Die kristallinischen Gesteine der Krim kommen hauptsächlich im Kontakt mit Jurabildungen vor, und die meisten Gesteinsarten der krimschen Berge sind den Trachytgesteinen zuzuzählen. Die Grenze zwischen Kreide und Jura geht unterhalb der Stadt Simbirsk nach W., der Kalkstein in Neurußland geht nach N. unter der Breite von Balta in Sand und Sandsteine über. In der nördlichen Hälfte Rußlands herrschen der Hauptsache nach Lehm und Sand vor. In Bezug auf Konfiguration der Oberfläche und auf Bodenbeschaffenheit hat Nordrußland manche Ähnlichkeit mit Norddeutschland, doch fehlt ihm der Diluvialmergel. Der Lehm und der sandige Lehm bedecken oft die ältern Formationsglieder in solcher Mächtigkeit, daß auf weiten Räumen, selbst an den Ufern der Flüsse, keins derselben zum Vorschein kommt. Unter dem Lehm und Sande des Gouvernements Moskau befinden sich als Untergrund Gesteine der Kreideformation, der Juraformation und des Bergkalks. Dieser letztere bildet das eigentliche feste Fundament der verschiedenen darüberliegenden Schichten, und derselbe ist vielfach durch die Nebenflüsse der Oka und Moßkwa wie auch durch letztere selbst bloßgelegt. Juraschichten dehnen sich bis an die Petschora und bis ins Gouvernement Samara aus. Im mittlern und südlichen Rußland sind 950,000 qkm in 22 Gouvernements mit Schwarzerde (tschernosjom) bedeckt; Westeuropa hat nichts Ähnliches aufzuweisen. Der Tschernosjom ist kein Meeresschlamm, der mit nördlichen Meeresströmungen oder durch Zurückweichen der kaspisch-pontischen Gewässer sich abgelagert hätte, weil in demselben keine Spur von Seemuscheln, mikroskopischen Polythalamien, Polycistinien und Seebacillarien vorkommt. Alle Untersuchungen weisen aber darauf hin, daß der Tschernosjom nicht aus Torf entstanden ist, sondern lediglich aus dem Rasenboden besteht, dessen Grasteile an der Luft verwest und mit dem Wasser des aufgetauten Schnees vom ursprünglich unorganischen Boden aufgesogen worden sind. Die nördliche Grenze des Tschernosjom wird durch eine sehr gewundene Linie bezeichnet, die über Shitomir, Tula, Rjashsk und Simbirsk zur Wolga führt und weiter in nordöstlicher Richtung als größere und kleinere Schwarzerdinseln bis zum Ural geht. In den nördlichen Teilen hat der Tschernosjom nur 1 m Dicke, während seine südlichern Schichten 5-6 m und darüber haben. Im SW. dehnt sich der Tschernosjom von Shitomir bis Kischinew aus, nimmt gegen O. an Breite zu und hat zwischen Tula und Nowo Tscherkask und bis zum Manytsch hin seine größte Ausdehnung von N. nach S.

Gewässer.

Das ausgedehnte Wassernetz Rußlands gehört zwei Gebieten an und hat zur Hauptabdachung eine nordwestliche, in der die Flüsse vorwiegend zur Ostsee und zum Eismeer strömen, und eine südöstliche zum Schwarzen und Kaspischen Meer. Die Wasserscheide bilden der Nordrussische Landrücken, die Waldaihöhe und der Westrussische Landrücken. Nach dem Schmelzen des Schnees im Frühling und durch die häufigen Regen im Herbst ist in diesen zwei Jahreszeiten die Wasserfülle bedeutend, während im Sommer der Wasserstand sämtlicher russischer Flüsse sehr niedrig ist, wodurch in der warmen Jahreszeit die Schiffahrt beeinträchtigt wird. Und dies geschieht noch mehr in den langen Wintern, in denen eine feste Eisdecke auf den Gewässern liegt. Nach den fünf Meeren, die Rußland begrenzen, und den Flüssen, die in dieselben münden, und durch welche das Reich mit allen übrigen Staaten in direktem Schiffsverkehr steht, kann das Reich in fünf Wassersysteme geteilt werden. Zum System des Baltischen Meers gehören die Weichsel, die Warthe, der Niemen, die Windau, Düna, Kurische Aa, Livländische Aa, Salis, Torgel (Pernau), Narowa, Luga, Newa, der Kymmene, Uleå und Torneå. Das System des Nördlichen Eismeers und Weißen Meers hat die Kola, die Kem, den Wygh, die Onega, Dwina, den Mesen, die Petschora. Zum System des Schwarzen Meers werden gerechnet der Dnjepr, Bug und Dnjestr. Das System des Kaspischen Meers hat die Wolga und den Ural, das des Asowschen Meers den Don. Nach Ausschluß aller Flüsse, auf denen nur geflößt wird, sowie der entsprechenden Teile der schiffbaren Flüsse beträgt die Länge sämtlicher Wasserstraßen im Innern des Reichs 34,557 km. Davon kommen auf die Wassersysteme:

^[Liste]

Nördliches Eismeer u. Weißes Meer 4964 km oder 14,4 Proz.

Kaspisches Meer 14257 " " 41,4 "

Asowsches Meer 3421 " " 9,7 "

Schwarzes Meer 6104 " " 17,7 "

Baltisches Meer 5198 " " 15,0 "

Verschiedene Verbindungssysteme 613 " " 1,8 "

Man kann im Verhältnis zum Flächenraum des europäischen Rußland 1 km der schiffbaren Wasserstraßen auf 145 qkm rechnen. Rußland hat die größten Landseen Europas. Die ansehnlichsten sind: der Ladogasee, der Onegasee, der Peipussee und der Ilmensee (s. d.). Kleinere bemerkenswerte Binnengewässer sind: der Bjelo Osero, der Jelton, Imandra, Kereti, Kowd Osero, Kubinskoje, Kunto, Not Osero, Pjaw Osero, Seg Osero, Seliger, Wirzjärw, Woshe, Wyg Osero. Vgl. Stuckenberg, Hydrographie des russischen Reichs (Petersb. 1842-49, 6 Bde.).

Klima.

Das europäische Rußland bietet bei seiner Ausdehnung durch mehr als 25 Breitengrade natürlicherweise große Verschiedenheit in seinen klimatischen Verhältnissen, und in der That ist die mittlere Sommerwärme an der Karischen Pforte (+2° C.) geringer als in Sebastopol die mittlere Winterwärme (+2,2°). Aber die Übergänge sind überall allmählich und unmerklich, weil die im Tiefland vorhandenen Bodenerhebungen zu niedrig sind, als daß sie eine plötzliche Abstufung des Klimas bewirken könnten. Das Klima Rußlands ist kontinental und bietet also bedeutende Unterschiede zwischen der Sommer- und Wintertemperatur dar; diese Gegensätze werden um so bedeutender, je mehr man sich nach O. hin dem asiatischen Festland nähert. Rußland besitzt im allgemeinen geringere Jahrestemperatur als das westliche Europa unter gleichen Breitengraden; so hat z. B. Charkow unter 50° nördl. Br. +6,6° mittlere Jahrestemperatur, während Mainz unter demselben Breitengrad +9,6° C. hat, ferner Jekaterinoslaw +8,1° und Wien 10° C. (beide Städte unter 48 nördl. Br.). In dem großen russischen Flachland findet in der Richtung von W. nach O. hin unter denselben Breitengraden auch eine merkliche Abnahme der mittlern Jahrestemperatur statt. Die drei Städte Mitau, Wladimir und Jekaterinenburg z. B. liegen alle unter 56½° nördl. Br., haben aber +6,1°, resp. +3,6° und +0,5° C. Temperatur. Wie sehr die Isothermen