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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Portugal

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Portugal (Geschichte).

Die Ursache dieser Abnahme dürfte in dem starken Wettbewerb spanischer Weine auf dem französischen Markte zu Preisen, bei welchen der portugiesische Weinbauer nicht mehr seine Rechnung findet, liegen. Auch die Ausfuhr von Fischen ist von 5½ auf 4½ Mill. Mk. zurückgegangen. Von den eingeführten und wieder ausgeführten Kolonialwaren (zusammen 31,5 Mill. Mk.) ist Kaffee in der Wiederausfuhr von 56,000 metr. Ztr. im Werte von 3 Mill. Mk. auf 110,000 metr. Ztr. im Werte von 6½ Mill. Mk., Kakao von 39,000 metr. Ztr. im Werte von 1¼ Mill. Mk. auf 45,000 metr. Ztr. im Werte von 2 Mill. Mk. gestiegen. Von Kolonialkaffee sind im Inland selbst etwa 45,000 metr. Ztr. verbraucht worden. Die Differenzen zwischen P. und England hinsichtlich der afrikanischen Machtsphäre (s. unten) haben auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder zurückgewirkt. Mit Benutzung der tiefgehenden Erregung der öffentlichen Meinung gegen England hat zu Anfang des Jahres 1890 der portugiesische Handelsverein eine Bewegung eingeleitet, welche auf den Abbruch aller Geschäftsbeziehungen mit England abzielte (der Wert der jährlich aus England nach P. eingeführten Waren beträgt ca. 60 Mill. Mk.). Doch bleibt abzuwarten, ob diese mit südländischer Hitze eingeleitete Bewegung eine nachhaltige sein wird und ob überdies P. zum wirtschaftlichen Kriege gegen das mächtige Britannien kräftig genug ist. Die Eisenbahnen Portugals haben im J. 1888 einen Zuwachs um 84 km erfahren und hatten Ende des Jahres eine Ausdehnung von 1913 km. Um dem wachsenden Defizit der Staatsfinanzen abzuhelfen, wurde durch Gesetz vom 30. Juli 1890 auf die Zölle und die meisten sonstigen Steuern, Abgaben und fiskalischen Einkünfte ein 6proz. Zuschlag eingeführt. Auch hat durch Gesetz vom 6. Juli 1890 noch eine besondere Erhöhung des Einfuhrzolls auf Tabaksfabrikate (um 1000 Reis für 1 kg Zigarren und um 500 Reis für jedes Kilogramm andrer Tabaksfabrikate) stattgefunden.

Geschichte. Die nationale Erregung über das schroffe, rücksichtslose Vorgehen der britischen Regierung gegen P. in Südafrika dauerte 1890 fort. Die progressistische und republikanische Presse bemächtigte sich derselben, um die Regierung zu bekämpfen und ihr Ansehen zu untergraben. Indes das Ministerium Serpa Pimentel zeigte sich entschlossen, seine Herrschaft und die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten. Der Gemeinderat (Camara municipal) von Lissabon, welcher eine Brutstätte republikanischer Bestrebungen war und außerdem durch fahrlässige Finanzverwaltung die Schuldenlast der Stadt übermäßig vermehrt hatte, wurde 11. März aufgelöst und durch eine königliche Kommission ersetzt. Die Festigkeit der Regierung übte einen vorteilhaften Einfluß auf die Wahlen für die Kammer aus, welche 30. März in aller Ruhe stattfanden und zum Vorteil des Ministeriums ausfielen. Die neue Kammer bestand aus 114 Konservativen, 30 Progressisten, 10 Monarchisten andrer Parteistellung und 3 Republikanern. Die Session der Kammer wurde 19. April vom König mit einer Thronrede eröffnet, in welcher er sein Vertrauen auf einen ehrenvollen Abschluß der Verhandlungen mit England aussprach und hervorhob, daß die Einnahmen des Staates dauernd im Zunehmen seien, während es nicht nötig sei, die Ausgaben für den öffentlichen Dienst zu steigern. An Vorlagen wurden die Bildung eines Unterrichtsministeriums, die Reform der Strafrechtspflege, die Gewährung der Preßfreiheit und ein Gesetz über das Versammlungs- und Vereinsrecht angekündigt. Die Streitfrage mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika und England über die Eisenbahn von der Delagoabai ins Innere wurde der Schweiz zum Schiedsspruch übertragen. Durch die voreilige Erteilung der Konzession für diese Eisenbahn an den amerikanischen Unternehmer Mac Murdo hatte P. einen großen Fehler begangen; denn nachdem dieser die Bahn nicht gebaut und P. den Bau übernommen hatte, verlangte Amerika für Mac Murdo 760,000 Pfd. Sterl. Entschädigung. Über das Gebiet in Südostafrika am Sambesi kam es 11. Aug. 1890 zu einem Abkommen mit England, in welchem P. das Hochland des Schire und Blantyre verlor, aber mit seiner Westgrenze an den Congostaat und den obern Sambesi stieß und seine Verbindung mit den Besitzungen in Westafrika wenigstens durch einen schmalen Landstreifen aufrecht erhielt. Ein Artikel des Abkommens, welcher die Zustimmung Englands zu etwanigen Gebietsabtretungen von seiten Portugals vorbehielt, wurde 20. Aug. auf Verlangen Portugals dahin abgeändert, daß England ein Vorzugsrecht bei Erwerbung portugiesischen Gebiets eingeräumt wurde. Gleichwohl erregte das Abkommen, als es der auswärtige Minister Hintze Ribeiro 15. Sept. der Kammer vorlegte, einen Sturm der Entrüstung, so daß der Minister gar nicht zu Worte kommen konnte und sofort seine Entlassung einreichte. Auf den Straßen von Lissabon brachen von neuem Tumulte aus. Das ganze Ministerium Serpa Pimentel fühlte sich dem Sturme nicht gewachsen und verlangte seinen Abschied. Die Bildung eines aus Konservativen und Progressisten zusammengesetzten Ministeriums verzögerte sich, da der König in Cintra krank lag und der in Aussicht genommene neue Ministerpräsident, der Gesandte beim päpstlichen Stuhle, Martens Ferrao, erst von Rom eintreffen mußte. Da es demselben nicht gelang, ein Ministerium zu stande zu bringen, übernahm es der 80jährige General João Chrysostomo de Abreu e Souza. Aber auch dieser vermochte erst Mitte Oktober, nachdem durch das Eindringen englischer Kanonenboote in die Sambesimündung die Lage noch verwickelter geworden war und der König daher dringend zur Einigkeit gemahnt hatte, ein Koalitionsministerium aus den Vertretern der verschiedenen parlamentarischen Parteien zu bilden, in welchem er selbst den Vorsitz und das Portefeuille des Krieges, ein Mitglied der Regeneradores, Barbosa del Bocaye, das Auswärtige und ein Progressist, Ennes, Marine und Kolonien übernahmen. Das neue Ministerium erklärte 16. Okt. 1890 in den Cortes, es könne die Annahme des Abkommens vom 20. Aug. in der vorliegenden Fassung nicht empfehlen, werde sich aber bemühen, das Einvernehmen zwischen P. und seinem frühern Verbündeten wiederherzustellen und zugleich die Würde und die Interessen des Volkes zu wahren; ferner versprach es, der brennenden finanziellen Frage seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen und durch strenge Sparsamkeit und schonungslose Ahndung aller Mißbräuche die Ordnung des Staatshaushalts anzubahnen. Darauf wurde die Tagung der Cortes geschlossen und die Eröffnung der nächsten ordentlichen Tagung auf 2. Jan. 1891 anberaumt. P. schlug nun England die Vereinbarung eines modus vivendi auf 6 Monate vor, durch welches das Abkommen vom 20. Aug. aufgehoben, der status quo ante in Südafrika hergestellt und von P. sofort die Schiffahrt auf dem Sambesi und Schire für frei erklärt wurde. Unter dem Einfluß der freundschaftlichen Vorstellungen verschiedener europäischer Mächte, welche auf die Gefahren hinwiesen, die der Monarchie in P. infolge der nationalen Erregung drohten,