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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Anplatten; Anposchen; Anquellen; Anquetil; Anquetil-Duperron; Anquicken; Anreibemaschine; Anries; Anrüchigkeit

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Anplatten - Anrüchigkeit

dabei auch der Funktionswechsel (s. d.) eine große Rolle, durch den an Stelle der ursprünglichen Hauptfunktion eines Organs eine Nebenfunktion sich ausbildet und zuletzt Hauptfunktion wird, ein Fuß z. B. Freßorgan oder Respirationsorgan u. s. w. Daß die A. nach verschiedenen Richtungen hin thätig sein kann, ergiebt sich von selbst, sie kann ebenso zu harmonischer Ausbildung und Vervollkommnung des Organismus führen wie zu einseitiger Entwicklung und zur Verkümmerung und Rückbildung. Letzteres läßt sich namentlich bei festsitzenden und schmarotzenden Tieren beobachten; die A. an die sitzende Lebensart führt zu einseitiger Rückbildung der Bewegungs- und Sinnesorgane und zur Ausbildung von Schutzorganen, das Schmarotzertum schließlich zur Rückbildung fast aller Organe mit Ausnahme der Fortpflanzungsorgane, die fast einzig übrigbleiben (s. Schmarotzertum). Die Grenzen, bis zu welchen einerseits die fortschreitende Entwicklung durch A., andererseits die Rückbildung sich ausdehnen kann, sind noch nicht festgestellt; ebensowenig sind die Beziehungen der einzelnen Organe zu einander erforscht, infolge deren gewisse Organe sich nicht ändern können, ohne daß andere in Mitleidenschaft gezogen werden. Auf der A. und der durch Vererbung erfolgenden Fixierung der erworbenen Charaktere beruht die natürliche und künstliche Züchtung (s. d.). (S. auch Chromatische Anpassung.)

Anplatten, s. Veredelung (pomolog.).

Anposchen, das Anlocken des Federwildes durch Futter.

Anquellen der Saat, längeres Eintauchen oder Besprengen mit Wasser, um ein früheres Keimen derselben hervorzurufen.

Anquetil (spr. angk'til), Louis Pierre, franz. Historiker, geb. 21. Jan. 1723 zu Paris, trat 17 J. alt in die Kongregation von St. Geneviève. Als Direktor des Seminars zu Reims begann er die Geschichte dieser Stadt zu schreiben; sein Werk (3 Bde., 1756-57) reicht bis 1657. A. wurde 1759 Prior der Abtei Noé in Anjou und in der Folge Direktor des Collège von Senlis; hier verfaßte er das Werk "Esprit de la Ligue" (3 Bde., Par. 1767; 4 Bde., ebd. 1823). Während der Schreckenszeit der Revolution in St. Lazaro eingeschlossen, schrieb er Précis de l'historie universelle"(9 Bde.,Par. 1797; 12 Bde., 1807). Bei Gründung des Institut de France ward A. Mitglied der zweiten Klasse und bald darauf im Archiv des Ministeriums des Äußern beschäftigt. Hier schrieb er "Motifs des guerres et des traités de paix sous Louis XIV, XV and XVI" (Par. 1797). Seine Werke "Louis XIV, sa cour et le régent" (4 Bde., Par. 1789) und "Historie de France" (14 Bde., ebd. 1805; zuletzt bis 1875 fortgesetzt von Gallois und Gregoire, 14 Bde., 1876-82) fanden die meiste Verbreitung. A.s Geschichtserzählung ist eine Verbindung von Chronik und Anekdote. Er starb 6. Sept. 1806 zu Paris.

Anquetil-Duperron (spr. angk'til-düperrong), Abraham Hyacinthe, Orientalist und Begründer des Zendstudiums in Europa, Bruder des vorigen, geb. 7. Dez. 1731 zu Paris, studierte dort, zu Auxerre und zu Amersfoort Theologie und ließ sich 1755 als gemeiner Soldat für das damals in Indien stehende franz. Heer anwerben, um Gelegenheit zur Erlernung des Zend und zur Erforschung des Zoroastrischen Religionssystems zu finden. Bald nach seiner Ankunft in Indien wurde er jedoch von der franz. Regierung mit den Mitteln zur Verfolgung seiner gelehrten Zwecke ausgestattet. In Surat gelang es ihm, einige parsische Priester zu bewegen, ihm eine neupers. Übersetzung ihrer im Zend und Pehlevi abgefaßten heiligen Bücher zu diktieren. 1762 nach Paris zurückgekehrt, erhielt er das Amt eines Dolmetschers der Morgenländ. Sprachen bei der königl. Bibliothek, wurde Mitglied des Nationalinstituts und starb 17. Jan. 1805 zu Paris. A. veröffentlichte die Übersetzung des Zendavesta (3 Bde., Par. 1771; die Einleitung "A.s Reisen" deutsch von Purmann, Frankf. a. M. 1776), ferner "Législation orientale" (Amsterd. 1778), "Recherches historiques et géographiques sur l'Inde" (2 Bde., Berl. u.Par. 1787), "La dignité du commerce et de l'état du commercant" (Par. 1789), "L'Inde en rapport avec l'Europe" (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1790; deutsch von Küster, 2 Bde., Altenb. 1799) und "Oupnekhat" ["Secretum tegendum"] (2 Bde., Par. 1802-4; deutsch von Rixner, 2 Bde., Nürnb. 1808). Letzteres ist die lat. Übersetzung einer pers. Bearbeitung der Upanishaden. Sämtliche Schriften A.s sind jetzt nur noch von histor. Interesse.

Anquicken, das Versetzen der Erze mit der zur Amalgamation (s. d.) nötigen Menge von Quecksilber.

Anreibemaschine, s. Buchbinderei.

Anries, Bezeichnung für Überfallsrecht (s. d.), z. B. im Züricher Bürgerl. Gesetzb. §. 591.

Anrüchigkeit, in der Sprache des deutschen Rechts der Zustand einer Person, auf welcher wegen des Gewerbes oder der Geburt ein Makel haftet. Dieser Makel schloß sie in älterer Zeit von Zünften und von dem Handwerke, sowie von Ämtern u. dgl. aus und begründete Lehnsunfähigkeit. Früher wurde die Thätigkeit in vielen Gewerben als unehrenhaft angesehen, selbst die Ausübung des Gewerbes als Müller, Schäfer, Weber, Zöllner u. s. w. (unehrliche Gewerbe, unehrliche Leute). Indessen handelt es sich in den überlieferten Fällen stets nur um die Aufnahme in gewisse Zünfte, z. B. von Webern in die Tuchmacherzunft, von dem Sohne eines Spielmannes und einer Müllerstochter in die Gewandschneiderzunft u. s. w. Schon die Reichspolizeiordnungen von 1548, Tit. 37, §. 1, und von 1577, Tit. 38, §. 1, wie zahlreiche spätere Gesetze, bekämpfen die A. als Folge aus dem Betreiben eines gewissen Gewerbes, insbesondere seitens der Eltern. Für anrüchig galten dagegen noch lange die Schinder und Henker, sogar deren Abkömmlinge bis in die zweite Generation hinein. Der Reichsschluß von 1772, §.5 bestimmte, daß die Descendenten der Wasenmeister und Abdecker zu den Handwerken zuzulassen seien, wie dies für die Kinder der Scharfrichter schon feststehe, sofern sie nur nicht selbst an dem Gewerbe teilgenommen hätten. Gegenwärtig bestehen solche Anschauungen oder gar gesetzliche Vorschriften nur noch ganz vereinzelt. Aber selbst nach dem Preuß. Allg. Landr. II, 8, $. 280 waren von der Aufnahme in die Zünfte diejenigen ausgeschlossen, welche die Geschäfte eines Schinders oder Abdeckers wirklich getrieben haben. Erst die Allerh. Kab.-Ordern von 1819 und 1827 haben dies beseitigt. Übrigens konnte der Makel der A. durch Ehrhaftmachung seitens des Landesherrn beseitigt werden.

Von der A. werden unterschieden Verächtlichkeit und Bescholtenheit (s. Ehre). An diese knüpft das geltende Recht rechtliche Folgen; vgl. z.B. Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, §§. 5,43. Für das künftige bürgerliche Recht dürfte die Aufnahme der A. entbehrlich sein, jedoch stellt z. B. das Preuß. Allg. Landr. II, 1, §. 707 noch als Scheidungs-