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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Chorālbearbeitung; Chorālbücher; Chorālnote; Choramt; Chorasmĭen; Chorassân

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Choralbearbeitung - Chorassân

bezeichnete als musica choralis den einfachen, durch Papst Gregor d. Gr. gestalteten Gesang der liturgischen Stücke im Gegensatze zur musica figuralis, dem kunstvollen Tonsatze für mehrere Stimmen. Die alten Melodien der mittelalterlichen Choralmusik, zwar nicht taktlos, aber doch taktfrei gehalten, sind rhythmisch und namentlich melodisch oft von großer Schönheit. Sie wurden von der kirchlichen Figuralmusik als Grundmelodien (Themen) verarbeitet und heißen cantus firmus (s. Choralbearbeitung). Eine besondere, von der mittelalterlich kirchlichen Weise abweichende Ausbildung und abgeschlossene liedartige Gestalt erhielt der C. in der luth. Kirche. Luther sammelte alle Hauptmelodien der alten Kirche von dem sog. Ambrosianischen Lobgesange an bis auf seine Zeit, vermehrte sie durch herrliche eigene Erzeugnisse und regte seine Freunde, Dichter wie Musiker, zu gleichen Thaten an. Bald entstanden ganze Sammlungen (von denen diejenigen, welche die Melodien enthalten, Choralbücher [s. d.] genannt werden) und wuchsen nach und nach zu Tausenden an. Luthers bahnbrechende That hatte in kirchlicher wie in musikalischer Hinsicht gleich große Folgen. Der Choralgesang verlieh dem Gottesdienste seiner Anhänger eine feste Gestalt und auszeichnende Eigentümlichkeit; die spätern ähnlichen Erzeugnisse der Reformierten, der Anglikaner und selbst der Katholiken waren nur eine mehr oder weniger modifizierte Nachahmung der luth. Vorbilder. Hinsichtlich der Kunstmusik wurde der C. im Bereiche der luth. oder evang. Kirche so herrschend, daß die Geschichte eines Hauptzweigs der deutschen Musik, welchem die größten Meister angehören, als harmonische Ausgestaltung dieser schönen Kirchenmelodien betrachtet werden kann. Was man heute C. nennt, bezieht sich denn auch vorzugsweise auf die Kirchenlieder der Lutheraner und deutet sowohl die Eigentümlichkeit wie auch eine gewisse Beschränktheit der prot. Kirchenmusik an. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes C., als Bezeichnung des vom Chor Gesungenen, hat sich noch im Englischen erhalten. Ein Chorgesangverein heißt in England Choral Society, und Beethovens 9. Sinfonie wird wegen der Beteiligung des Gesanges dort Choral Sinfony genannt. - Vgl. von Winterfeld, Der evang. Kirchengesang (3 Bde., Lpz. 1843-47); Bäumker, Das kath. deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen (2 Bde., Freiburg 1883-86); J.^[Johannes] Zahn, Die Melodien der deutschen evang. Kirchenlieder (Gütersloh 1888 fg.).

Chorālbearbeitung, die kontrapunktische (vier- oder mehrstimmige) Bearbeitung des Chorals, zeigt sich in folgenden Formen: im homophonen Satz als einfache Harmonisierung (Note gegen Note); als Figuration in den begleitenden Stimmen, mit dem Choral als cantus firmus (figurierter Choral, vorzüglich geeignet als Orgelbegleitung des Gesangs und als Choralvorspiel); ferner als Choralkanon, indem die Choralmelodie oder die begleitenden Stimmen kanonisch geführt sind; endlich als Choralfuge, indem eine Fuge auf einer Choralmelodie als cantus firmus aufgebaut ist oder die Choralmelodie selbst fugiert wird. Muster der C. gab J. Seb. Bach.

Chorālbücher, Sammlungen von Choralmelodien zum Gebrauch der Organisten, meist vierstimmige Bearbeitungen. Von ältern C. sind hervorzuheben die von Doles, Kühnau, Schicht, Rinck und J. Seb. Bach, dessen Bearbeitungen K. Ph. Em. Bach herausgab (2 Tle., Berl. 1765-69); von neuern die von A. G. Ritter, J.^[Julius] Schäffer und die beiden Werke von Johs. Zahn: "Psalter und Harfe für das deutsche Haus" (Gütersloh 1886) und "Die Melodien der deutschen evang. Kirchenlieder" (5 Bde., ebd. 1888-91).

Chorālnote, die Notierungsart des Gregorianischen Gesangs, durch die nur die Veränderungen der Tonhöhe, nicht aber der Rhythmus wiedergegeben wurde. Die C. haben durchgängig schwarze Farbe und quadratische Form (^[Abb.]) und heißen daher auch Notae quadratae oder quadriquartae. Die im 12. Jahrh. entstandene Mensuralmusik übernahm die Form der C. und verwendete sie rhythmisch.

Choramt, s. Chordienst.

Chorasmĭen, s. Chiwa.

Chorassân (d. h. Land der Sonne, des Ostens), der Landstrich zwischen den Steppen des Tieflandes Turan und der Salzwüste im Innern des Hochlandes Iran, reicht von Afghanistan im O. bis zu den pers. Provinzen Masen-Deran und Irak-Adschmi im W. Dieser 800-1200 m hohe Landstrich wird durchzogen von vielen Gebirgszügen, wie im N. von dem Binalûdgebirge, dem Ala-Dagh und dem Dschuwein-Koh, sowie im S. von dem Gesul-Koh und Dubusch-Koh, die auf der Südseite sanft nach dem Innern, auf der Nordseite steil ins Tiefland von Turan abfallen und die natürliche Grenzscheide zwischen diesen beiden geogr. Gesamtländern bilden. Das Klima ist durchweg im Sommer sehr heiß und im Winter ziemlich kalt; der Boden ist nur da fruchtbar, wo er durch Kanäle bewässert werden kann. C. bildet kein polit. Ganzes mehr. Der kleinere östl. Teil gehört unter dem Namen Herat (s. d.) zu Afghanistan; der größere westl. Teil bildet unter seinem alten Namen die nordöstlichste Provinz des Persischen Reichs, ein starkes Drittel desselben, mit 322118 qkm und 843000 E. Zum großen Teile besteht sie aus den unbewohnbaren großen Salzwüsten Lût (im Süden) und der Großen Salzsteppe oder Kewir (im Norden), sowie andern unbewohnbaren Länderstrecken, zwischen denen einzelne Oasen liegen. C. erzeugt hauptsächlich Getreide, Obst, Wein, Arzneikräuter und Seide. Auch züchtet man Kamele, Pferde und feinwollige Schafe. Die Einwohner sind dem größern Teile nach Tadschik. Außer diesen wird das Land von nomadischen Stämmen arab., türk., kurd. und afghan. Ursprungs bewohnt, welche neben der Viehzucht hauptsächlich vom Raube leben. Der Gewerbfleiß ist unbedeutend, doch bestehen Webereien von Teppichen, Shawls und Kameltuch sowie berühmte Waffenfabriken. Der Karawanenhandel blüht. Bisher ging der Handel C.s über Astrabad nach dem Kaspischen Meere; ein neuer Aufschwung desselben wird von der Erbauung von Straßen von Aschabad nach Meschhed erwartet, die unmittelbar an die der Nordgrenze parallele Transkaspische Eisenbahn anschließen sollen. Hauptstadt ist Meschhed (s. d.). Westlich davon das einst berühmte und wegen der benachbarten Türkisgruben bekannte Nischapur, näher im NW. die Trümmerhaufen der alten Hauptstadt Thûs, mit dem Grabmal Firdusis.

C. besteht aus den alten iran. Landschaften Parthyäa, Margiana und Aria und bildete einen Teil des Persischen Reichs. Im 3. Jahrh. v. Chr. fiel sein östl. Teil unter die Herrschaft der griech. Könige von Baktrien, nach deren und der Seleuciden Sturze es einen Teil des Parthischen Reichs unter

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]