Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gelenkquarz; Gelenkrheumatismus

732

Gelenkquarz - Gelenkrheumatismus

fesselt. Bei alledem ergiebt die objektive Untersuchung nicht die geringste anatom. Veränderung. Von auffallendem Einfluß ist die Stimmung des Kranken auf die Intensität des Leidens; wahrend Ablenkung und Zerstreuung, eine interessante Unterhaltung u. dgl. den eben erst unerträglichen Schmerz oft außerordentlich schnell besänftigen, pflegen eine ängstliche und verzärtelnde Umgebung hingegen das Übel sehr zu verschlimmern. Der Verlauf ist gewöhnlich ein sehr langwieriger, schließlich aber doch meist günstiger. Unter den örtlichen Heilmitteln sind energisches Massieren, kalte Begießungen und Douchen des Gelenks mit nachfolgenden Abreibungen des Gliedes, der länger fortgesetzte Gebrauch kurzer kalter Seebäder und die Anwendung der Elektricität am wirksamsten. Das Hauptgewicht bei der Behandlung ist aber auf eine zweckmäßige psychische Beeinflussung des Kranken zu legen, ohne welche alle örtlichen Mittel erfolglos bleiben. - Vgl. Esmarck, Über G. (Kiel 1872).

Gelenkquarz, s. Itakolumit.

Gelenkrheumatismus (Rheumatismus articulorum, Rheumarthritis) nennt man alle diejenigen entzündlichen Gelenkaffektionen, die durch sog. rheumatische Einflüsse, d. h. durch direkte Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft auf die äußere Haut hervorgerufen werden. Man teilt die rheumatischen Gelenkkrankheiten in mehrere Gruppen, die sich wesentlich durch ihren Krankheitscharakter, Sitz und Verlauf sowie durch ihre Symptome und Komplikationen voneinander unterscheiden.

1) Der akute fieberhafte G., die Fliegende Gicht oder das hitzige Gliederweh (Rheumatismus articulorum acutus, Polyarthritis acuta) stellt eine fieberhafte, nicht selten langwierige Allgemeinerkrankung dar, die sich durch schmerzhafte, oft von einem Gelenk zum andern überspringende Gelenkentzündungen sowie durch eine auffallende Disposition zur Miterkrankung der serösen Häute des Körpers, vor allem des Herzens, zu erkennen giebt. Im frühesten Kindesalter und ebenso im Greisenalter kommt der akute G. nur selten vor, am häufigsten werden Personen vom 15. bis zum 30. Lebensjahre von ihm befallen, und zwar Männer nahezu gleich häufig wie Frauen, robuste und vollsaftige Menschen verhältnismäßig häufiger als schwächliche und blutarme. Wer die Krankheit einmal überstanden, wird besonders leicht, oft noch nach Jahren, von ihr wieder ergriffen. Unter den Gelegenheitsursachen des akuten G. stehen Erkältungen obenan, insbesondere plötzliche Abkühlungen des schwitzenden Körpers durch Zugluft oder kalten Regen, der längere Aufenthalt und namentlich das Schlafen in feuchten Räumen, Arbeitslokalen, Neubauten u. dgl., und da die arbeitenden Klassen diesen Schädlichkeiten vorzugsweise ausgesetzt sind, so werden sie auch häufiger als die wohlhabenden Stände vom hitzigen Gliederweh heimgesucht. Nach den neuern Untersuchungen gewinnt es immer mehr den Anschein, als ob der akute G. auf einer Infektion mit niedersten Pilzkeimen beruhte und somit zu den Infektionskrankheiten gehörte. Die meisten Erkrankungen fallen auf den Spätherbst und den Vorfrühling, also auf die naßkalten und wechselnden Jahreszeiten, während im Sommer und Winter die Morbidität am geringsten ist. Obwohl über die ganze Erde verbreitet, findet sich die Krankheit in den gemäßigten Klimaten doch häufiger als in den heißen und den Polargegenden.

Bisweilen gehen dem Ausbruch des fieberhaften G. einige Tage lang Vorboten voraus, die sich als allgemeines Unbehagen, Abgeschlagenheit und Ziehen in den Gliedern, Frösteln und Appetitlosigkeit zu erkennen geben; in andern Fällen fehlen solche Vorboten, und die Krankheit beginnt ganz unerwartet und plötzlich mit bald mäßigem, bald hohem Fieber, mit Anschwellung und Schmerzen in einem oder gewöhnlich in mehrern Gelenken, und nicht selten erreichen diese beiden Erscheinungen schon binnen wenigen Stunden eine bedeutende Höhe. Solange die Kranken ruhig und unbewegt liegen, pflegt der Schmerz erträglich zu sein, aber jeder Versuch, das Gelenk zu bewegen, ja selbst die leiseste Berührung desselben steigert den Schmerz derartig, daß die Kranken oft laut aufschreien oder wimmern und sich nicht eher wieder beruhigen, als bis das Glied wieder vollkommen ruhig und bequem gelagert ist. An den befallenen Gelenken ist zunächst nur eine ödematöse Schwellung der Weichteile, Hitze und meist leichte Hautrötung zu bemerken; an den größern Gelenken folgt dann gewöhnlich eine bald nur mäßige, bald beträchtliche Ausschwitzung in die Gelenkhöhle mit deutlich schwappendem Flüssigkeitserguß. Der Grad der Gelenkschwellung und die Heftigkeit der Schmerzen stehen nicht immer in geradem Verhältnis; oft sind die Schmerzen äußerst heftig, während man die Anschwellung kaum bemerkt, und umgekehrt. Die großen Gelenke, namentlich die Knie-, Fuß-, Hand-, Ellbogen- und Schultergelenke, werden am häufigsten befallen, aber auch die kleinen Gelenke bleiben durchaus nicht verschont. Die tiefen und straffen Gelenke verursachen die quälendsten Schmerzen, so die Hüften, die Wirbelgelenke und die Schambeinfuge. Die Zahl der befallenen Gelenke ist verschieden; selten ist anfangs nur ein Gelenk ergriffen, meist sind es drei bis vier, in schweren Fällen sind mitunter fast alle Gelenke Sitz der Krankheit. Gewöhnlich werden neue, anfangs verschont gebliebene Gelenke von der Entzündung ergriffen, während die zuerst befallenen bereits in der Heilung begriffen sind.

Fast immer werden die Kranken von einer anhaltenden übermäßigen Schweißbildung befallen,die nicht selten ein ausgedehntes und lästiges Schweißfriesel auf der Haut hervorruft. Entsprechend dem Fieber und der vermehrten Schweißabsonderung ist der Durst der Kranken beträchtlich, ihre Harnsekretion sehr vermindert, der Harn selbst hochrot, stark sauer, beim Stehen einen reichlichen ziegelmehlartigen Niederschlag bildend. Die Verdauung ist fast immer gestört, der Appetit fehlt gewöhnlich gänzlich, die Zunge ist weiß oder gelblich schleimig belegt, der Geschmack pappig, bisweilen gallig; öfters ist Brechneigung und fast regelmäßig Stuhlverstopfung vorhanden. Unter den Komplikationen des akuten G. stehen hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Gefährlichkeit die Entzündung des Herzfleisches, der innern Herzhaut und des Herzbeutels obenan, die entweder an sich direkt lebensgefährlich werden oder dauernde schwere Folgezustände, insbesondere chronische Herzklappenfehler, hinterlassen können. (S. Herzentzündung.) Mitunter treten im Verlaufe eines akuten G. auch schwere Hirnsymptome, wie Delirien, Schlafsucht, Krämpfe, selbst vorübergehende tobsuchtähnliche Anfälle auf, die einen tödlichen Ausgang der Krankheit herbeiführen können. Die Dauer des akuten G. beträgt in leichtern Fällen etwa 14 Tage, in schwerern viele Wochen. Als günstige Zeichen