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Realismus – Reallasten
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Realisierungsgeschäft'
verkaufen (R. durch Verkauf). Wer in der Hoffnung auf Gewinn durch Fallen des Preises verkauft, schließt das Spekulationsgeschäft durch einen Verkauf in der Absicht zu kaufen (R. durch spätern
Kauf). Abgeschlossen wird die Spekulation schon durch den Abschluß des R., nicht erst durch dessen Erfüllung. Das R. kann Kasse- oder Zeitgeschäft sein. Es kann mit Gewinn und, wenn die Spekulation
fehlschlägt, mit Verlust realisiert werden. Im Börsenhandel, in welchem diese Ausdrücke besonders üblich sind, bleibt, wenn der Spekulant ein Zeitgeschäft geschlossen hat, das R. häufig ohne
effektive Lieferung, weil entweder direkt zwischen Verkäufer und Käufer oder unter den verschiedenen Verkäufern und Käufern durch Vermittelung der
Liquidationskasse (s. d.) aufgerechnet wird. Ein von vornherein in der dem Gegenkontrahenten erkennbaren Absicht, auf diese Weise unter Ausschluß
effektiver Lieferung zu realisieren, geschlossenes Spekulationsgeschäft unterscheidet sich kaum noch von dem reinen Differenzgeschäft (s. d.).
Realismus, eine Bezeichnung, die, als Gegensatz des Idealismus, an allen Schwankungen, denen die Bedeutung des letztern Ausdrucks unterliegt, teilnimmt. Am gewöhnlichsten
bezeichnet es den, sei es naiven oder auf Erkenntnistheorie gestützten Glauben an eine von unsern Gedanken und Vorstellungen unabhängige Wirklichkeit (Realität) der Dinge. In diesem Sinne nennt
z.B. Herbart seine Philosophie R., sofern sie ein an sich Reales (seine einfachen Wesen) behauptet und der Erklärung der Erscheinungen zu Grunde legt. In weiterm Sinne heißt R. überhaupt die
Richtung auf die gegebene Wirklichkeit, mit Ablehnung von Ideen oder Idealen, die über dieselbe wesentlich hinausgehen; so auch in der Kunst die Richtung, welche eine höhere Aufgabe als den
möglichst genauen Anschluß an die Naturwahrheit nicht gelten läßt. (S. auch Naturalismus.) Eine ganz andere Bedeutung hat der R. als Bezeichnung einer mächtigen Richtung in der
scholastischen Philosophie; hier bedeutet R., im Gegensatz zum Nominalismus, die Ansicht, daß das Allgemeine in den Dingen, nicht in der bloßen Benennung liegt. Vgl. Bender-Krieglstein, R. und
Naturalismus in der Dichtung (Lpz. 1892). – Über biblischen R. s. Bengel, Joh. Albrecht.
Realität, die Eigenschaft, real (s. d.) zu sein; daher empirische R., aber transcendentale Idealität des Raums und der Zeit. R. als Kategorie bedeutet
bei Kant, der logischen Bejahung entsprechend, das, was am Gegenstande der Erfahrung der Empfindung entspricht, oder was ein Etwas im Raume und in der Zeit von den bloß ideellen Relationen des
Raums und der Zeit selbst unterscheidet.
Realĭter (lat.), wirklich, in der That; realiter citieren, vor Gericht holen lassen.
Realkonkurrenz, strafrechtlich im Gegensatze zur Idealkonkurrenz (s.d.) der Fall, wo jemand durch mehrere selbständige Handlungen dasselbe Delikt
mehrmals (z.B. mehrere Diebstähle), oder wo er mehrere Delikte verschiedener Art begangen hat (z.B. zuerst einen Diebstahl, dann einen Betrug). Wenn diese Fälle gleichzeitig zur Aburteilung kommen
oder doch gleichzeitig zur Aburteilung hätten gebracht werden können, so müßte nach allgemeinen ↔ strafrechtlichen Grundsätzen für jedes Delikt die ordentliche Strafe festgesetzt
und die Summe dieser Einzelstrafen müßte zur Vollstreckung gebracht werden. Das führt zu Härten. Das Gesetz (Deutsches Strafgesetzbuch §. 74) verordnet deshalb, es soll auf eine Gesamtstrafe
erkannt werden, welche in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht; das Maß der Gesamtstrafen darf den Betrag der ermittelten Einzelstrafen nicht erreichen und 15jähriges Zuchthaus,
10jähriges Gefängnis oder 15jährige Festungshaft nicht übersteigen. Das Princip der Gesamtstrafe findet aber nicht überall Anwendung; vielmehr ist u.a. gesondert jede Einzelstrafe festzusetzen,
wenn es sich um Haft oder um Geldstrafe handelt. Das Österr. Strafgesetzbuch (§. 34) schreibt vor, daß im Falle der R. nach dem Verbrechen gestraft werden soll, auf das die schärfere Strafe gesetzt
ist, jedoch mit Bedacht auf die übrigen Verbrechen.
Realkredit, im Unterschied von Personalkredit ein solcher Kredit, bei welchem der Gläubiger eine bestimmte dingliche (pfandrechtliche) Sicherstellung erhält, deren
Bedeutung sich insbesondere dann geltend macht, wenn der Schuldner den vertragsmäßigen Termin zur Zahlung des erborgten Kapitals oder der Zins- und Tilgungsrate nicht innehält. Der R. ist entweder
Immobiliar- (Grund-) oder Mobiliarkredit. Im erstern Falle wird dem Gläubiger
unbewegliches Eigentum seitens des Schuldners als Unterpfand bestellt, was derzeit mittels Eintragung in ein Hypotheken- oder Grundbuch geschieht. Das weitere ist durch die Hypothekengesetzgebung
geregelt. (S.Hypothek.) Der Mobiliarkredit hat als Grundlage ein bewegliches Wertobjekt, das dem Gläubiger als Faustpfand wirklich übergeben wird. Dasselbe kann aus Waren oder
aus Wertpapieren, Edelmetallbarren u.s.w. bestehen. (S. Lombardgeschäft.) Der Mobiliarkredit dient, sofern er einen produktiven Charakter besitzt, hauptsächlich zur Erleichterung
der Bewegung des umlaufenden Kapitals der kaufmännischen und industriellen Unternehmer. In der Landwirtschaft hat er bis jetzt nur geringe Anwendung gefunden, weil es noch an einer genügenden
Organisation dieser Seite des Landwirtschaftlichen Kredits (s. d.) fehlt. Die Errichtung öffentlicher Lagerhäuser zur Aufbewahrung von
Waren, die Ausbildung des Warrantsystems und die Geneigtheit der großen Banken, wie der deutschen und russ. Reichsbank, Rohwaren (Getreide, Spiritus u.s.w.) zu beleihen, kommt indessen neuerdings
dem landwirtschaftlichen Mobiliarkredit sehr zu statten.
Reallasten oder Grundlasten erzeugen für den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstückes die Verpflichtung zu wiederkehrenden
Leistungen an den Berechtigten, welcher zuweilen durch das Eigentum eines andern Grundstückes bestimmt wird (subjektiv dingliche Grundlasten). Dem röm. Rechte ist das Institut unbekannt.
Vornehmlich waren es die Rechte der Gutsherrschaft, der Gerichtsherrschaft, der
Vogteiherrschaft, der Kirche in ihrer Hoheit über die zu dem Kirchensprengel gehörenden Personen, welche den bäuerlichen
Besitz mit Zins-, Dienst-und Zehntpflichten belasteten. Daneben entwickelten sich in dem Rentenkaufe und in dem Leibgedinge
rein privatrechtliche Institute, welche den Boden in ähnlicher Weise belasteten.
Die auf der Grundherrschaft des Adels und der Kirche beruhenden R., insbesondere die Fronen (s. d.).
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 657.