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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Rechtsmilchsäure; Rechtsmittel; Rechtsnachfolge; Rechtspflege; Rechtsphellandren; Rechtsphilosophie

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Rechtsmilchsäure - Rechtsphilosophie

mit dem mehrgeforderten Betrage ausdrückt. Übrigens erstreckt sich diese materielle R. der Regel nach nur auf diejenigen Personen, unter welchen der Prozeß anhängig war, und ihre Rechtsnachfolger. Über eine weitergehende Wirkung in einzelnen Fällen s. Actio. Im Strafprozeß reicht die R. weiter, da hier Gegenstand des Urteils nicht bloß das in der Anklage angenommene Delikt, sondern die in der Anklage individualisierte That des Angeklagten ist, diese also auch nicht unter einem veränderten strafrechtlichen Gesichtspunkt gegen denselben Angeklagten zum Gegenstand einer neuen Untersuchung und Entscheidung gemacht werden darf. Dieser Grundsatz wird mit dem abgekürzten lat. Satze Ne (oder non) bis in idem («nicht zweimal gegen dasselbe») ausgedrückt (vgl. Berner, Der Grundsatz des ne bis in idem im Strafprozeß, Lpz. 1891). Diese materielle Wirkung der R., die im Strafprozeß von Amts wegen beachtet werden muß, muß im Civilprozeß von der Partei durch Einwand geltend gemacht werden: Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache, exceptio rei judicatae. – Die formelle R. ist die Voraussetzung der Vollstreckbarkeit des Urteils; doch erleidet dieser Satz im Civilprozeß erhebliche Einschränkung durch die Vorläufige Vollstreckbarkeit (s. d.). Ist aber das Urteil schon formell rechtskräftig geworden, so gewährt doch noch die Rechtsordnung aus besondern Gründen die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens, so wenn das Urteil auf strafbarer Handlung, beispielsweise einem Meineid, beruht, in besonders weitem Umfang im Strafprozeß zu Gunsten des Verurteilten, nämlich schon dann, wenn neues Entlastungsmaterial zu Tage getreten ist. (S. Wiederaufnahme des Verfahrens, Entscheidung, Urteil.)

Rechtsmilchsäure, Bezeichnung der Fleischmilchsäure (s. d.) nach ihrem optischen Verhalten. (S. auch Milchsäure.)

Rechtsmittel, im weitesten Sinne jedes im Prozeß geltend zu machende Angriffs- oder Verteidigungsmittel, wie Klage, Einrede u. s. w. Im besondern Sinne versteht man aber darunter die Angriffsmittel gegen eine nachteilige richterliche Entscheidung, welche darauf abzielen, eine nochmalige richterliche Prüfung herbeizuführen. Sie können sich gründen auf einen Mangel in den prozessualen Voraussetzungen der Entscheidungen oder auf die materielle Unrichtigkeit ihres Inhalts. Sie können gedacht sein als auf Fortsetzung eines noch nicht definitiv abgeschlossenen oder auf Erneuerung eines schon beendigten Verfahrens gerichtet. Bei ersterer Auffassung fallen sie in den Lauf des anhängigen Prozesses und sind darum in engere zeitliche Grenzen eingeschlossen (decendium des frühern Gemeinen Rechts). Solche R. nannte die gemeinrechtliche Doktrin ordentliche im Unterschied zu den außerordentlichen R. Die R. können sich ferner mit Bezug darauf unterscheiden, ob sie die wiederholte Prüfung des erkennenden Gerichts selbst oder die Nachprüfung eines höhern Richters verlangen (nicht devolutive oder devolutive R.), sowie, ob ihre Einlegung den Vollzug der angefochtenen Entscheidung hemmt (Suspensiveffekt) oder nicht. – Das frühere Gemeine Recht kannte als ordentliche R. gegen Urteile, sowohl im Civil- wie im Strafprozeß, hauptsächlich die Appellation mit Devolutiv- und Suspensiveffekt und auf Nachprüfung der That- und Rechtsfrage gerichtet, woneben im Inquisitionsprozeß (s. d.) vielfach das sog. «remedium ulterioris defensionis», ein die nochmalige Prüfung des Verteidigungsmaterials bezweckendes R., in Gebrauch war, außerdem die Beschwerde wegen heilbarer Nichtigkeit (querela nullitatis sanabilis); als außerordentliche R. die Beschwerde wegen unheilbarer Nichtigkeit (querela nullitatis insanabilis) und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum). Als R. gegen prozeßleitende Verfügungen bestand die querela simplex, die einfache Beschwerde. – Die Deutschen Reichsjustizgesetze kennen nur solche R., welche im frühern Sinne ordentliche sind. Die Einteilung selbst in ordentliche und außerordentliche R. ist ihr unbekannt. Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung bringt sie nicht unter den Begriff der R. Diese sind nach ihrem Systeme nur solche Rechtsbehelfe, welche die Anfechtung einer nicht rechtskräftigen Entscheidung vor einem höhern Richter bezwecken. Die R. im Civil- und Strafprozeß beschränken sich danach auf die Beschwerde (s. d.), die Berufung (s. d.) und die Revision (s. d.). Ein R. setzt im allgemeinen ein Anfechtungsinteresse der Partei voraus. Es wirkt im allgemeinen nur zu Gunsten der Partei, welche dasselbe eingelegt hat, und kann nicht zu einer ihr nachteiligen Aufhebung oder Abänderung (reformatio in pejus) führen. (S. jedoch Rechtskraft.) Die prozessualen Voraussetzungen eines R., d. h. die Frage, ob dieselben an sich zulässig und frist- und formgerecht eingelegt sind, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, und im Falle eines Mangels in dieser Richtung ist das R. als «unzulässig» zu verwerfen. Die Entscheidung über das R. selbst kann demselben stattgeben mit der Wirkung der Aufhebung, bez. Abänderung der angefochtenen Entscheidung, oder es als unbegründet zurückweisen, also die angefochtene Entscheidung bestätigen. Während nach dem frühern gemeinrechtlichen Civilprozesse alle in den Lauf des Prozesses fallenden Entscheidungen appellabel waren, ist im heutigen Civilprozeß die Berufung nur gegen Endurteile und gewisse ihnen gleichgestellte Zwischenurteile gestattet. Ebenso ist im heutigen Civilprozeß der Suspensiveffekt der R. erheblich beschränkt durch die Vorläufige Vollstreckbarkeit (s. d.). Sofern die R. sich an einen höhern Richter wenden, bedingen sie ein Verhältnis der Über- und Unterordnung, ein Instanzenverhältnis der Gerichte. Die Parteien müssen, wenn sie, sei es im landgerichtlichen, sei es im amtsgerichtlichen Prozeß, ein R. an ein höheres Gericht einlegen, durch einen Rechtsanwalt vertreten sein (s. Anwaltsprozeß); die Beschwerde (s. d.) kann aber, wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist oder anhängig war, oder wenn sie das Armenrecht betrifft, oder von einem Zeugen oder Sachverständigen erhoben wird, auch ohne Zuziehung eines Anwalts vom Beschwerdeführer selbst eingelegt werden.

Rechtsnachfolge, s. Succession.

Rechtspflege, s. Gerichtsbarkeit.

Rechtsphellandren, s. Phellandren.

Rechtsphilosophie. Alles geltende Recht (s. d.) ist positiv; das schließt nicht den Versuch aus, die Entstehung und das Wesen des Rechts im ganzen aus allgemeinen Vernunftgründen abzuleiten, den Zusammenhang des Rechts mit andern Bethätigungen der geistigen und sittlichen Natur des Menschen aufzuweisen, die Angemessenheit der positiven rechtlichen Satzungen im einzelnen an dem Maßstabe der ihnen innewohnenden Ideen, ihres Zwecks und