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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Reichsgesetze - Reichsjustizamt

nate nach Ausgabe des betreffenden Stückes des Gesetzblattes in Berlin; der Zeitpunkt der Ausgabe ist demnach ausdrücklich zu vermerken. Die nichtkaiserl. Verordnungen werden im «Centralblatt für das Deutsche Reich» (s. d.) publiziert.

Reichsgesetze. In dem alten Deutschen Reiche wurden die R. von den Reichstagen beschlossen. Sowohl der Kaiser (röm. Kaiser, deutscher König) als das Kurfürstenkollegium hatten das Recht der Proposition. Jede Proposition wurde zuerst in dem Kurfürstenrat beraten und gelangte mit dessen Gutachten an den Reichsfürstenrat, zuletzt an das Kollegium der Reichsstädte (s. Reichstag). Zum R. aber wurde der Beschluß der Reichsstände erst durch die kaiserl. Konfirmation. Für das neue Reich s. Gesetzgebung und Gesetzentwurf.

Reichsgesundheitsamt, s. Gesundheitsamt.

Reichsgraf, s. Graf.

Reichsgulden, s. Gulden.

Reichshaushaltsetat, soviel wie Staatshaushaltsetat, s. Budget.

Reichsheiligtümer, zehn Reliquien, früher auf der Burg Karlstein bei Prag, seit 1437 als Pfand nach Nürnberg gebracht und bei den Reichskleinodien verwahrt.

Reichshilfe, die ordentlichen Beiträge der deutschen Reichsstände an Mannschaft und Geld für das alte Deutsche Reich.

Reichshofen, Stadt im Kanton Niederbronn, Kreis Hagenau des Bezirks Unterelsaß, an der Linie Hagenau-Saargemünd der Elsaß-Lothring. Eisenbahnen, hat (1890) 3056 E., darunter 354 Evangelische und 150 Israeliten, Post, Telegraph, Reste der mittelalterlichen Befestigung, altes Schloß, 1769 neu gebaut; Leder- und Papierfabrikation, bedeutende Eisenhütten, Maschinen- und Waggonfabrik, Dampfsägewerk und Steinbrüche. R. wird schon 995 als Richeneshoven urkundlich erwähnt. Die Franzosen nennen die Schlacht bei Wörth (s. d.) vom 6. Aug. 1870 meist Schlacht von R.

Reichshofgericht, s. Hofgerichte.

Reichshofmarschall, s. Marschall.

Reichshofrat, das oberste Gericht des alten Deutschen Reichs, das dem Kaiser unmittelbar unterstand, neben dem Reichskammergericht (s. d.) konkurrierende Gerichtsbarkeit hatte und zugleich oberste kaiserl. Reichsregierungsbehörde (Staatsrat) war. Zur Wahrung seiner durch die Errichtung des ständischen Reichskammergerichts nicht beseitigten persönlichen Jurisdiktion errichtete König Maximilian Ⅰ. 1498 einen Hofrat als höchstes kaiserl. Gerichts- und Regierungskollegium für seine Erblande und das Reich, welches aber nur kurze Zeit in Thätigkeit blieb. Erst Ferdinand Ⅰ. erweckte etwa 1527 diesen Hofrat zu neuem Leben mit derselben Kompetenz, welche die vorübergehende Schöpfung seines Großvaters besessen hatte, namentlich sollten neben den Justizsachen alle schwierigen Fragen der auswärtigen Politik und überhaupt alles, was sich als Ausfluß königl. und fürstl. Hoheit darstellte, beraten und erledigt werden. Die vollständige Trennung der Geschäfte des Reichs von denen der Erblande führte Ferdinand Ⅰ., veranlaßt durch die Beschwerden der prot. Stände über die Verwendung span. Räte zur Erledigung deutscher Reichssachen, erst 1559 durch, indem er den Hofrat ausschließlich zu einer Reichsbehörde machte. Für die Verfassung des R. sind besonders die Reichshofratsordnungen 1559 und 1654 maßgebend. Als zweites, dem Reichskammergericht gleichstehendes oberstes Reichsgericht wurde der R. erst im Westfälischen Frieden anerkannt. Dasselbe bestand aus einem Präsidenten, Vicepräsidenten und 18 Räten. Alle wurden vom Kaiser ernannt und besoldet; wenigstens ein Teil derselben sollte aus dem Reiche genommen werden; auch mußten darunter sechs evangelische sein. Die Stimmen der evangelischen R. konnten, wenn sie sämtlich auf eine Meinung trafen, von den übrigen nicht überstimmt werden, so daß also auch hier eine fingierte Religionsparität eintrat. Die Räte teilten sich in eine Grafen- und Herrenbank und in eine gelehrte Bank, übrigens mit gleichen Rechten. Auch der von Kurmainz ernannte Reichsvicekanzler hatte im R. Sitz und Stimme nach dem Präsidenten. Lehnssachen, Kriminalsachen über Unmittelbare und Reichsregierungssachen waren ausschließlich dem R. vorbehalten. Die Appellationsprivilegien der Stände galten in Ansehung der Justizsachen auch bei dem R. Mit dem Tode eines Kaisers hörte der R., da der Kaiser formell als sein Haupt betrachtet wurde, auf und wurde vom neuen Kaiser ganz neu bestellt. In der Zwischenzeit mußten die Reichsvikarien Vikariatshofgerichte bestellen, welche mit dem Anfange der neuen kaiserl. Regierung aufhörten. Der R. hatte seinen Sitz in der jedesmaligen Residenz des Kaisers, in den letzten Zeiten also zu Wien. Dort befindet sich auch das Archiv desselben, welches erst 1740 von den österr. Haussachen getrennt wurde. – Vgl. Herchenhahn, Geschichte der Entstehung u. s. w. des kaiserlichen R. (3 Tle., Mannh. 1792‒93); Rosenthal, Behördenorganisation Kaiser Ferdinands Ⅰ. (Wien 1887).

Reichsinsignien, s. Insignien.

Reichsinvalidenfonds, Teil des Reichsvermögens, der als ein Reichsfonds in Höhe von 561 Mill. M. der nach dem Kriege von 1870/71 gezahlten franz. Kriegskostenentschädigung entnommen wurde, um die Bestreitung derjenigen Ausgaben sicher zu stellen, welche dem Reiche infolge des gedachten Krieges nach Maßgabe der Militärpensionsgesetze zur Last fallen, also der an Militärpersonen und deren Hinterbliebene zu zahlenden Pensionen und Versorgungen. Die Anlage und Verwaltung des R. ist in dem Reichsgesetze vom 23. Mai 1873 (Gesetzblatt Seite 117) geregelt. Erstere darf nur in bestimmten Effekten erfolgen; letztere liegt in der Hand einer besondern, von der allgemeinen Finanzverwaltung abgetrennten, selbständigen und unabhängigen Reichsbehörde mit dem Sitz in Berlin, bestehend aus einem vom Kaiser auf Lebenszeit ernannten Vorsitzenden und drei vom Bundesrat auf drei Jahre gewählten Mitgliedern. Sie steht unter der fortlaufenden Kontrolle der Reichsschuldenkommission (s. d.) und verwaltet zugleich den Reichstagsgebäudefonds und den Festungsbaufonds. In den Reichshaushaltsetat für 1894/95 war der R. mit 27258492 M. Einnahmen und ebensoviel Ausgaben eingestellt.

Reichsjägermeisteramt, s. Erbämter.

Reichsjustizamt, eine 1875 als (Ⅳ.) Abteilung des Reichskanzleramtes errichtete, seit 1877 selbständige Centralverwaltungsbehörde des Deutschen Reichs in Berlin, der die Vorbereitung der in das Gebiet der Rechtspflege einschlagenden Gesetzentwürfe, die jurist. Prüfung und Begutachtung anderer Gesetzentwürfe, die Bearbeitung der Ausführungsbestimmungen zu den Justizgesetzen und die Überwachung der Ausführung der Reichsjustiz- ^[folgende Seite]