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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schwanjungfrauen; Schwank; Schwankbücher; Schwanken der Erdachse; Schwann

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Schwanjungfrauen - Schwann

Geschwängerten gegen den Schwängerer zusteht. Indessen wird darunter vielfach auch die Klage auf Unterhalt für das uneheliche Kind verstanden (s. Paternitätsklage). Nach Gemeinem Recht richtet sich die erstere Klage nach Wahl der Klägerin entweder auf Ehelichung, ohne daß jedoch eine Zwangstrauung zulässig wäre, oder auf eine verschieden benannte Geldabfindung. (Dotation, Kranzgeld), und außerdem nach der Praxis auf Entbindungs- und sog. Sechswochenkosten. Die neuern Gesetze haben sich in Ansehung der letztern Kosten überwiegend dem Gemeinen Rechte angeschlossen, vgl. z. B. Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, 1, §§. 1016 fg.; Preuß. Gesetz vom 24. April 1854, §§. 7 fg.; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1858, 1861; Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 1328 u. a., und zwar in dem Sinne, daß der Geschwängerten ein solcher Anspruch zusteht. So auch der Deutsche Entwurf §. 1602. Den Anspruch der Geschwängerten auf Ehelichung oder Dotation haben die neuern Gesetze meist aufgegeben; festgehalten ist er noch im Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1551‒53, in dem Altenb. Gesetz von 1876 und in dem Württemb. Gesetz vom 5. Sept. 1839. (S. Deflorationklage.)

Schwanjungfrauen und Schwanritter. Der Schwan galt dem german. und griech. Volksglauben als ein weissagender Vogel, dessen trauriger Gesang («Schwanenlied») seinen nahen Tod verkünde; daher die noch jetzt zur Bezeichnung einer Vorahnung üblichen Ausdrücke «es schwant mir» oder «mir wachsen Schwansfedern». Gewisse göttliche Wesen der deutschen Mythologie liebten Schwansgestalt anzunehmen, so namentlich die Walküren (die Schlacht- und Schicksalsjungfrauen) und die Wald- und Wasserfrauen, die dann Schwanjungfrauen genannt wurden und meist die Gabe der Weissagung hatten. Durch Verlust ihrer Schleier (d. h. ihrer Schwanengestalt) können sie zu menschlicher Ehe gezwungen werden. In der bayr. Dichtung des 14. Jahrh. von Friedrich von Schwaben sind an die Stelle der Schwäne Tauben getreten, ebenso Raben in dem «Märchen von den sieben Raben» (Grimms «Kinder- und Hausmärchen», Nr. 9, 25, 49).

Mehrern deutschen Stämmen gemeinsam war eine uralte Volkssage von einem Knaben, der aus dem Meere oder einem Binnengewässer ans Land getrieben und der Stammvater ihres ältesten Herrschergeschlechts geworden sei; schon Tacitus scheint darauf anzuspielen. Bei den Franken am Niederrhein wurde diese Sage bereits zu Ende des 12. Jahrh. in franz. und vielleicht auch in niederländ. Sprache poetisch gestaltet und willkürlich mit der Zeitgeschichte verknüpft, jener von einem Schwan ans Land gezogene Ritter Helias genealogisch mit Gottfried von Bouillon verbunden, so in dem Roman «Le chevalier au cygne ou de Godefroi de Bouillon» (hg. von Reiffenberg, 2 Bde., Brüss. 1846‒48). Der Schwanritter rettet die durch ungerechte Anklage verdächtigte Herzogin von Brabant im Zweikampf, vermählt sich ihrer Tochter, scheidet aber, als er gegen sein Verbot nach seiner Abkunft gefragt wird. In Deutschland übertrug Wolfram von Eschenbach am Schlusse des «Parzival» die Sage vom Schwanritter auf Loherangrin, den Sohn des Gralkönigs Parzival, doch ohne sie weiter auszuführen. Dies that dann vor 1290 ein ungenannter Dichter in dem langen strophischen Gedichte «Lohengrin» (s. d.), wo die Sage unter Heinrich dem Vogler spielt, während kurz zuvor Konrad von Würzburg in einer gefälligern Dichtung vom «Schwanenritter» die Sage nach Nimwegen und unter Karl d. Gr. versetzt hatte. Auch als Prosaroman erscheint die Sage gegen Ende des 15. Jahrh. in franz. und niederländ. Sprache, und das niederländ. Volksbuch ist noch jetzt beliebt. Als Schwanjungfrauen erscheinen auch die Walkyren (s. d.). Eine Erklärung der Schwanensage hat Bloete in der «Zeitschrift für deutsches Altertum» (Bd. 38) versucht.

Schwank, scherzhafter Einfall und lustiges Ereignis; dann eine im Mittelalter und im Reformationszeitalter ausgebildete Art der launigen Erzählung in Reimen oder in Prosa; neuerdings auch ein an die Posse streifendes, meist kurzes Lustspiel.

Schwankbücher, Sammlungen kurzer, meist prosaisch erzählter Schwanke, Anekdoten, geistreicher und satir. Einfälle, volkstümlicher Witze, oft auch derber Zoten. Die Gattung kam zu Ende des 15. Jahrh. auf, angeregt durch den Erfolg der lat. Facetien (s. d.) Poggios. Die deutschen S. schöpfen aber nicht nur aus solchen lat. Sammlungen, sondern ganz besonders aus dem Volksmunde, aus der umlaufenden Tradition, die viele uralte Geschichten in neuer Aufstutzung mit sich herumtrug, und aus den Predigtmährlein; so beruht gutenteils auf Geilers Predigten Paulis verbreitete Sammlung «Schimpf und Ernst» (1519). Während in ihr der Ernst noch eine große Rolle spielt, giebt der Scherz durchaus die Grundfarbe dem ganz im Leben stehenden, zur Reiselektüre bestimmten «Rollwagenbüchlein» (1555) Jörg Wickrams (s. d.), das alsbald Nachfolge fand in der lasciven, aus Poggio und Bebel schöpfenden «Gartengesellschaft» (1556) des Maursmünsterer Stadtschreibers Jakob Frey, in des Straßburgers Martin Montanus’ «Anderm Teil der Gartengesellschaft» (1557) und «Wegkürzer» (1558), in des Leipziger Korrektors Michael Lindener schmutzigem «Rastbüchlein» (1558) und «Katzipori» (1558; beides hg. von Lichtenstein in der «Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart», Nr. 163, Tüb. 1883) und in des gleichfalls aus Leipzig gebürtigen Valentin Schumann «Nachtbüchlein» (1559; hg. von Bolte in der «Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart», Nr. 197, Tüb. 1893). Sie alle übertrifft an Reichhaltigkeit der siebenbändige «Wendunmuth» (1565‒1603) des Hessen Hans Wilh. Kirchhoff (1525‒1605). Die S. sind im 17. Jahrh. noch häufig («Maynhincklers Sack» 1612, Talitz’ «Reyßgespahn» 1645, Johann Peter de Memels «Lustige Gesellschaft» 1656 u.s.w.), sinken aber schnell auf das litterarisch nicht mehr interessierende Niveau herunter, auf dem die Sammlungen von «Witzfunken» und «Knallerbsen» heutzutage stehen. – Vgl. Schwänke des 16. Jahrh., hg. von Goedeke (Lpz. 1879); Gerhard, Johann Peter de Memels lustige Gesellschaft nebst Übersicht der Schwanklitteratur des 17. Jahrh. (Halle 1893).

Schwanken der Erdachse, s. Nutation.

Schwann, Theod., Naturforscher, Begründer der Zellentheorie, geb. 7. Dez. 1810 zu Neuß a. Rh., widmete sich seit 1829 zu Bonn, Würzburg und Berlin dem Studium der Philosophie und Medizin und war 1834‒39 Assistent von Johannes Müller. In dieser Stellung entdeckte er das im Magensaft wirksame Ferment, das Pepsin, und veröffentlichte zahlreiche wichtige Untersuchungen über künstliche Verdauung, über die doppelsinnige Leitung der Nerven, über das Gesetz der Muskelzusammenziehung, über die Existenz besonderer Wandungen in den Kapillargefäßen, über Urzeugung, über die