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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Hering

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Hering - Hering

aber gehen dem Fisch in weitere Ferne vom Lande entgegen und erhalten ihn dadurch von besserer Qualität. Der Fang geschieht in England mit großen Treibnetzen. Sie bestehen aus Hanf oder grober Seide und sind schwarz gefärbt. Man spannt und versenkt sie so, daß sie wie eine Wand im Wasser stehen, und steht oder treibt damit in der Erwartung, daß die Fische, indem sie das Netz durchkriechen wollen, mit ihren Kiemen in den Maschen hängen bleiben. An den schottischen Küsten wird das Netz nach Sonnenuntergang geworfen, am andern Morgen langsam eingezogen und die gefangenen Fische ausgelöst. Was von den Schwärmen die Laichplätze wirklich erreicht, bleibt dort natürlich unbehelligt; die Tiere trüben durch das Laichen auf weite Strecken hin das Wasser und verursachen ein Geräusch, als ob ein starker Regen hineinfiele. Durch immer neue Zuzüge verlängert sich die Scene gewöhnlich auf 14 Tage. - Der Hering bildet als sog. grüner, d. h. frisch aus dem Wasser kommender, ein sehr zartes, schmackhaftes Gericht, das in der Fangzeit im großartigsten Maßstabe verzehrt wird, aber bei uns dem Binnenländer meist unerreichbar ist, obschon wir ebenso gut Eisenbahnen, nur aber keine so praktischen Einrichtungen wie die Engländer haben, bei denen in der Saison auf allen Märkten des Landes ebenso gut frische H. wohlfeil zu haben sind, wie an den Küstenplätzen. London allein verzehrt jährlich etwa 900000 Fässer à 700 Stück frische Heringe. In Ermanglung frischer Heringseinfuhren hat man sich an die gesalzne und geräucherte Ware zu halten, wie das seit vielen Jahrhunderten gewesen ist. In der That bilden die H. eine Ware, so lange es einen Handel gibt; sie waren im Mittelalter ein eigentlicher und hauptsächlicher Meßartikel und eine Hauptware des Hansabundes. Später machten die Holländer den Heringsfang und Handel zu ihrem Hauptgeschäft und einer Art von Monopol; sie fischten die deutschen und britischen Gewässer aus und erweiterten die Sache so ins Große, daß sie schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts jährlich für 90 Mill. Mark Ware absetzten und an 200000 Menschen auf den Heringsfang ausführen. Alljährlich am 24. Juni lief die Heringsflotte 12000 besegelte Schiffe stark von Texel aus nach Norden, um an den englischen und schottischen Küsten der Nordsee, an den Shetlandsinseln etc. die holländischen Heringe zu holen, während eigentliche Holländer, die Fische der eigenen Küste, als sehr geringe Sorte niemals eine Rolle gespielt haben und meistens geräuchert, als Pöklinge abgesetzt werden. Heute, wo die Schotten und Engländer ihre Gewässer längst selbst befischen, hat sich das holländische Heringsgeschäft in viel engere Grenzen zurückgezogen. Ihr Renommee ist aber immer noch ein gutes; sie bringen noch immer die erste und wegen guter Zubereitung beliebteste und teuerste Ware; aber der Beiname Holländer ist jetzt mehr ein Qualitätsbegriff geworden, da man alle ausgesuchte gute und fette Fische so zu nennen pflegt. Der Betrieb der Holländer mit großen Schiffen befähigt dieselben weiter in die tiefe See hinauszugehen, wo die Fische besser sind; ihre sorgfältige Weise des Einpökelns und der Behandlung überhaupt sowie das angewandte feine Salz tragen dann natürlich auch das Ihre zur Qualität der Ware bei. Die andern Fischernationen dagegen betreiben den Fang nur in kleinen offnen Booten nahe den Küsten, und suchen mit ihrer Beute die Hafenplätze oder Stationen auf, um sie hier erst auszuweiden und einsalzen zu lassen. Die für Holland gesetzlich bestimmte Fangzeit läuft jetzt vom 12. Juni bis 24. Januar. Man macht oder machte in Holland aus den Erträgnissen des Heringsfanges nicht weniger als 12 Sorten von der besten bis zur schlechtesten, den Stankheringen, und es waren dafür ebenso viel Brandzeichen auf den Fässern zu unterscheiden. Amtliche Probiermeister hatten die Fässer zu revidieren und zu stempeln. Es ist aber seit 1857 diese amtliche Kontrole nicht mehr geboten und die alten Brandzeichen sind abgeschafft. Die amtliche Prüfung der Fässer wird nur auf Verlangen noch vorgenommen und besteht dann die Marke aus der königlichen Krone und der Angabe des Orts, wo die Prüfung stattgefunden. - Die größte Menge H. wird jetzt von den Schotten gefangen, gutenteils im frischen Zustande selbst verzehrt, andre Mengen in den Handel gebracht. So betrug der Totalfang an der ganzen Ostküste Schottlands von Shetland bis Northumberland

^[Liste]

1878: 567000 Krans,

1879: 456000 "

1880: 835000 "

1881: 600000 "

Die Selbstübernahme der Fischerei an den eigenen Küsten und das Ausstechen der Holländer hat den Briten viel Mühe, Zeit und Opfer gekostet. Eine lange Reihe von Jahren hat die Regierung durch Erlaß der Salzsteuer, Prämien für Boote und Schiffe sowie für jede Tonne exportierter Fische die Sache emporzubringen gesucht und zu Zeiten erreicht, daß der Markt mit Ware weit überführt war. Seit 1830 haben diese staatlichen Beihilfen aufgehört und die sich selbst überlassene Fischerei steht seitdem auf gesundrer Basis. Regierungskommissare zur Prüfung und Stempelung der Ware bestehen aber noch. An den schottischen Küsten geben die nördlichsten Gegenden im allgemeinen die beste Ware, doch herrscht selbst auf diesem engern Gebiet ein großer Unterschied in Geschmack und Güte der Fische, je nachdem sie von einer oder der andern Bucht, Insel etc. kommen. Der Hauptfang ist in Schottland von Mitte oder Ende Juli bis Ende September. Die beiden Inselorte Wick und Dunbar sind die Hauptheringshäfen Schottlands. Die große Bucht von Forth liefert viele und die größten, doch schon trocknere Fische. Weiter südlich, an der englischen Küste bildet Yarmouth den Zentralpunkt. Der Fisch ist hier schon geringer und wohlfeiler als der schottische. Die irischen H. sind meist besser als die englischen, aber in der Zubereitung nicht zu loben. An den schottisch-englischen Küsten wird auch von Oktober bis Dezember neuerdings etwas gefischt und es geht dieses geringere Erträgnis gewöhnlich unter dem Namen Yarmouthheringe. - Nächst der britischen Küste ist die