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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tuberogemma; Tuberose; Tübet; Tubifloren; Tübingen

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Tuberogemma - Tübingen.

Lungen; bei Kindern nicht selten der Darm, die Gelenke, Knochen und Hirnhäute, während vielleicht in den Lungen wenig oder gar keine Veränderungen vorhanden sind; zuweilen ist der Harn- u. Geschlechtsapparat zuerst befallen, selten die äußere Haut, die Zunge, der Magen. Die T. befällt vorwiegend Kinder und schwächliche, schlecht genährte jüngere Personen; die Anlage zur Erkrankung ist häufig ererbt (s. Skrofeln), indessen kommt T. auch bis ins höchste Alter vor und ist unzweifelhaft diejenige Krankheit, welche bei uns die meisten Opfer fordert, da etwa ein Siebentel aller Menschen an T. zu Grunde geht. Der Verlauf der T. kann sich über Jahre und Jahrzehnte erstrecken, sofern die T. auf einen Teil der Lungen oder eines andern Organs beschränkt bleibt. Sehr gewöhnlich aber werden die Bacillen im Lymphstrom fortgespült, die benachbarten Lymphdrüsen werden ergriffen, die Bacillen gehen ins Blut über, und es erfolgt Verbreitung der T. auf alle Organe. Wenn der übertritt großer Massen von Bacillen ins Blut auf einmal erfolgt, etwa durch Durchbruch käsiger Herde direkt in ein Blutgefäß, so verläuft die T. unter dem Bild einer fieberhaften, typhösen Erkrankung in wenigen Wochen tödlich (akute Miliartuberkulose). Die Behandlung der T. erfordert, wenn der erkrankte Teil chirurgischen Eingriffen zugänglich ist, Entfernung der von Tuberkeln durchsetzten Gewebe, wodurch bei Gelenkentzündungen, Lymphdrüsengeschwülsten, Hoden-, Brustdrüsen- und Hauttuberkulose zuweilen völlige Heilung erzielt wird. Bei Erkrankung innerer Organe ist außer der lokalen Behandlung eine sehr wesentliche Rücksicht auf Hebung des Allgemeinbefindens, gute Ernährung, frische Luft etc. zu nehmen, um den Körper nach Möglichkeit gegen das Vordringen der Bacillen widerstandsfähig zu machen. Unzweifelhaft können selbst weiter vorgeschrittene Zerstörungsprozesse in Lungen und Darm zum völligen Stillstand, d. h. zu relativer Heilung, kommen. Vgl. Villemin, Études sur la tuberculose (Par. 1868); Hérard u. Cornil, La phthisie pulmonaire (das. 1867); Waldenburg, T., Lungenschwindsucht und Skrofulose (Berl. 1869); Langhans, Übertragbarkeit der T. (Marb. 1867); Virchow, Die krankhaften Geschwülste (Berl. 1863 bis 1867, 3 Bde.); Buhl, Lungenentzündung, T., Schwindsucht (2. Aufl., Münch. 1874); Schüppel, Untersuchungen über Lymphdrüsentuberkulose (Tübing. 1871); Predöhl, Geschichte der T. (Hamb. 1888); Cohnheim, Die T. vom Standpunkt der Infektionslehre (2. Aufl., Leipz. 1881); Koch, Berichte aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt. - Über T. des Rindes s. Perlsucht.

Tuberogemma, s. Knospenknöllchen.

Tuberose, Pflanzengattung, s. Polianthes.

Tübet, Land, s. Tibet.

Tubifloren, Ordnung im natürlichen Pflanzensystem aus der Abteilung der Dikotyledonen, charakterisiert durch regelmäßige, mit Kelch- und verwachsenen Blumenblättern versehene, fünfzählige Blüten, fünf mit der Blumenkrone verwachsene Staubblätter und 2-5 verwachsene Fruchtblätter, umfaßt nach Eichler die Familien der Konvolvulaceen, Polemoniaceen, Hydrophyllaceen, Borragineen und Solanaceen.

Tübingen, Oberamtsstadt im württemb. Schwarzwaldkreis, am Neckar, Knotenpunkt der Linien Plochingen-Villingen und T.-Sigmaringen der Württembergischen Staatsbahn, in schöner Lage auf einem Bergrücken zwischen dem Neckar und der Ammer, 340 m ü. M., ist unregelmäßig gebaut und hat freundliche Vorstädte. Hervorragende Gebäude sind: das 1535 vollendete Schloß Hohentübingen mit schönem Portal, das 1845 vollendete Universitätsgebäude, das Rathaus mit schöner Freskomalerei u. die 1469-1483 erbaute gotische Stiftskirche mit den Grabmälern von zwölf meist württembergischen Fürsten, welche hier residierten. Die Bevölkerung zählte 1885 mit der Garnison (ein Füsilierbat. Nr. 127) 12,551 Seelen, darunter 1749 Katholiken und 106 Juden. T. hat Fabrikation von chemischen Artikeln, Handschuhen, Essig, physikalischen und chirurgischen Instrumenten etc., eine bedeutende Dampfziegelei, Kunstmühlen, Färberei, Buchdruckerei, Buchhandel, Obst-, Hopfen- und Weinbau, besuchte Fruchtmärkte etc. Außer den Verwaltungsbehörden befindet sich dort ein Landgericht. Unter den Schulen steht die Universität (Eberhard Karls-Universität) obenan. Sie wurde 1477 gestiftet und mit derselben 1817 die katholisch-theologische Studienanstalt zu Ellwangen als katholisch-theologische Fakultät vereinigt; außer dieser kamen zu den vier alten Fakultäten 1818 noch eine staatswirtschaftliche und naturwissenschaftliche. Die Gesamtzahl der Dozenten betrug 1888/89: 95, die der Studierenden 1228. Mit der Universität in Verbindung stehen: die Universitätsbibliothek von 300,000 Bänden, ein physiologisches und ein anatomisches Institut, ein botanischer Garten, 2 chemische Laboratorien, verschiedene Kliniken und wissenschaftliche Sammlungen, ein bedeutendes Münz- und Medaillenkabinett, eine große geognostische Sammlung, eine Sternwarte (im Schloß) etc. Außerdem besitzt T. ein höheres evangelisch-theologisches Seminar (das sogen. Stift, 1537 gegründet, im ehemaligen Augustinerkloster) und ein katholisches Konvikt (Wilhelmsstift, in der ehemaligen Ritterakademie), ein Gymnasium und eine Oberrealschule. Zum Landgerichtsbezirk T. gehören die 9 Amtsgerichte zu Herrenberg, Kalw, Nagold, Neuenbürg, Nürtingen, Reutlingen, Rottenburg, T. und Urach. Am Fuß des Österbergs die schöne Besitzung des Dichters Uhland, der hier seinen Wohnsitz hatte, und dem 1873 in T. ein von Kietz modelliertes Denkmal gesetzt wurde. - T. wird zuerst 1078 erwähnt und war frühzeitig der Sitz von Grafen, die 1148 die Pfalzgrafschaft in Schwaben erwarben, doch erscheint es erst 1231 als Stadt. Die Pfalzgrafen von T. teilten sich im 13. Jahrh. in die Linien: Horb, Herrenberg, Asperg und Böblingen. Pfalzgraf Gottfried von Böblingen, dessen Hause Burg und Stadt T. 1294 zugefallen waren, verkaufte sie 1342 an Württemberg. Sein Zweig erlosch als der letzte des pfalzgräflichen Geschlechts 1631. Eberhard im Bart, Graf von Württemberg, stiftete 1477 die Universität T., welche zu Ende des 15. Jahrh. schon 230 Studierende zählte, und verlieh der Stadt 1493 ein neues Stadtrecht. Am 8. Juli 1514 wurde in T. der berühmte Tübinger Vertrag zwischen dem Herzog Ulrich von Württemberg und den Landständen abgeschlossen, die durch Übernahme der Schulden des Herzogs ihn auf dem Thron erhielten und zugleich das Land vor weiterm Druck bewahrten. 1519 ward die Stadt von dem Schwäbischen Bund unter Herzog Wilhelm von Bayern belagert und 25. April erobert. 1647 wurde sie von den Franzosen besetzt, ebenso 1688, bei welcher Gelegenheit auch die Mauern

^[Abb.: Wappen von Tübingen.]