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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Römische Kunst

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Römische Kunst

lieferung beruht, abgesehen von vereinzelten Überresten architektonischer Monumente und von Werken der Kleinkunst, deren Kenntnis namentlich den vor wenigen Jahren gemachten Gräberfunden am Esquilin verdankt wird, im wesentlichen auf litterar. Nachrichten. Der zweite Abschnitt umfaßt die letzte republikanische Zeit und die Kaiserzeit. Der Charakter dieser Periode wird bestimmt durch den Einfluß der griech. Kunst. Mit der Eroberung der östl. Länder gelangten ungeheure Schätze griech. Kunstwerke als Kriegsbeute nach Rom, Kunstliebhaberei und Sammelleidenschaft erwachten; Rom wurde jetzt das, was ein Jahrhundert vorher die Hauptstädte der hellenistischen Reiche gewesen waren, ein Centrum und eine Pflegestätte der griech. Kunst. Sowohl die Architektur wie die Plastik und Malerei dieser Zeit schließen unmittelbar an die hellenistische Kunst an und führen deren Formensprache weiter. Hierzu die Tafeln: Römische Kunst I (Chromotafel: Augustus), II und III.

1) Baukunst. Von Bauwerken aus der ältern Zeit ist nur Geringes bekannt. Der bedeutendste Bau der Tempel des Jupiter Capitolinus, dessen Fundamente 1865 und 1876 aufgedeckt sind, war nach Art der etrusk. Tempel (s. Tafel: Etruskische Kunst, Fig. 5 u. 7) von den tarquinischen Fürsten erbaut (s. Tafel: Römische Kunst II, Fig. 6). Auch die Überreste des Carcer Mamertinus (s. d.), der Cloaca maxima. (s. Rom, S. 941 a), der alten Befestigung des Palatins, die ältesten Teile der Servianischen Mauer zeigen dieselbe Bauart, wie sie der etrusk. Architektur eigentümlich ist. Die großen öffentlichen Bauwerke wurden aus Quadern, die ohne Mörtelverband gefügt wurden, hergestellt; daneben bediente man sich für die Privathäuser einer Konstruktion aus Holz und Luftziegeln. Bis gegen das Ende der Republik hin wurde der Lehmziegelbau festgehalten. An seine Stelle tritt mit dem letzten vorchristl. Jahrhundert der Backsteinbau, und in Verbindung damit, für die Bekleidung der Ziegelwände, die Verwendung von Marmor, an dessen Stelle für anspruchslosere Bedürfnisse bemalter Stuck genügte. Wie in den Anlagen der Privathäuser, so entfaltete sich noch mehr in denen der öffentlichen Bauten nach der Augusteischen Zeit hin ein immer reicherer Luxus und im Zusammenhang mit den großen Aufgaben bildete die Architektur in dieser Periode ihren großen Stil aus. Sie schließt sich darin an die Vorbilder der hellenistischen Architektur an, giebt aber allem eine freiere Ausgestaltung und fördert vieles erst zur eigentümlichen Entwicklung, so vor allem die Bogen- und Gewölbekonstruktion, in der sie an Großartigkeit der Leistungen (Pantheon und Basilika des Maxentius) mit der Kunst aller Zeiten wetteifert. Neben den Bogen und Kuppeln behielt man die griech. Säulen, Gebälke und Giebel (s. Tafel: Römische Kunst II, Fig. 1 u. 3) der dekorativen Wirkung wegen bei, schaltete in freier Auswahl mit den Gliedern der verschiedenen Systeme, bildete das Alte um, erweiterte es und schuf unbekümmert um den Verlust des einheitlichen Charakters neue Bildungen, wie das Kompositenkapitäl (s. d.).

Augustus leitete mit seiner Bauthätigkeit, die unter anderm den damals noch freien Campus Martius (s. Marsfeld) zu einer architektonischen Prachtanlage umschuf, eine Periode der größten Unternehmungen ein. Es folgten die Kaiserpaläste auf dem Palatin (Domus Augustana, Domus Tiberiana); Neros Name ist mit der ungeheuren Anlage des Goldenen Hauses und mit dem nach dem Brande erstehenden Neubau der Stadt verknüpft. Unter Titus fällt die Erbauung des Kolosseums (s. d. und Tafel: Rom I, Fig. 3). Das Forum des Trajan mit seiner noch aufrecht stehenden Säule (s. Taf. I, Fig. 4) als Mittelpunkt, die Anlagen des Hadrian in und außerhalb der Stadt, unter denen die Tiburtinische Villa, voll Nachahmungen berühmter griech. und ägypt. Gebäude, die ausgedehnteste ist, die Bauten des Antoninus Pius und Marc Aurel (s. Antoninus, Marcus Annius Verus) schließen die Blüte der röm. Architektur ab. Unter den Nachfolgern hört die Baulust nicht auf: die Riesenanlage der Caracalla-Thermen zu Rom (s. Tafel: Bäder I, Fig. 1) und andere große Bauten, namentlich in den östl. Provinzen, sind sprechende Zeugnisse dafür. Aber von der Zeit des Diocletian an macht sich bei aller Großartigkeit, die die röm. Architektur in der Bewältigung des Technischen und Mechanischen beibehält, ein fortschreitender Rückgang bemerklich. Bei dem zunehmenden Mangel eigener neuer Erfindung greift die Benutzung des aus älterer Zeit Vorhandenen, wie sie z. B. am Triumphbogen des Konstantin (s. Tafel: Rom I, Fig. 2) auffallend hervortritt, immer mehr um sich. Mit der Wiederverwendung alten Materials befaßt sich auch in weitem Umfange die sich zu dieser Zeit entwickelnde christl. Baukunst.

Unter den noch vorhandenen Werken der röm. Architektur sind Überreste öffentlicher Bauten nicht nur in Rom (s. Tafel: Rom II), sondern in den Provinzen zahlreich vertreten. Darunter sind viele nicht in der ursprünglichen Gestalt, sondern in dem durch spätere Umbauten veränderten Zustand erhalten, so z. B. der hervorragende Kuppelbau des Pantheon (s. d. und Tafel: Rom I, Fig. 1), das, von Agrippa angelegt, seine jetzige Gestalt im 2. Jahrh. gewonnen hat. Weitaus die meisten unter den erhaltenen Bauwerken sind Nutzbauten, in denen die röm. Architektur ihre Hauptleistungen aufweist, während der Tempelbau zurücktritt. Die Tempel sind in der Regel als rechteckige Gebäude, die aus dem umsäulten, offenen Pronaos und der geschlossenen Cella bestehen, angelegt. Aber neben den rechteckigen kommen auch Rundtempel (Pantheon und Herculestempel in Rom, Vestatempel in Rom, zu Tivoli [s. Tafel: Römische Kunst II, Fig. 2]), neben den einfachen auch Doppeltempel (Tempel der Venus und Roma an der Via Sacra in Rom) vor. Ein Unterbau trägt den Tempel, nicht wie in der griech. Architektur auf allen Seiten, sondern meist nur an der Frontseite stufenförmig gebildet und hier in der Regel zu einer großen Freitreppe erweitert. Je nach der Wahl der Säulenordnung (dorisch-toscanisch, ionisch, korinthisch) richten sich die Formen und Verhältnisse des Bauwerkes. Am häufigsten wurde die korinth. Ordnung verwendet, deren künstlerische Ausgestaltung sich an hervorragenden Bei spielen aus den verschiedensten Zeiten (Tempel des Mars Ultor, Säulen vom Castor- und Polluxtempel und vom Vespasianstempel am Forum, Tempel der Faustina u. a.) verfolgen läßt. Für den Eindruck des Ganzen war die reiche, in Marmor, Granit oder bemaltem Stuck durchgeführte Ausstattung des Äußern und Innern von wesentlicher Bedeutung. Entschiedener als in den Tempeln prägt sich der röm. Charakter in den Nutzbauten aus, am einfachsten und strengsten in den Stadtmauern, Straßen-, Thor- und Brückenanlagen, die schmucklos und schlicht in der Form, aber sehr dauerhaft in der Ausführung sind,